Da steht man fassungslos vor. Fassungslos wie die Diskussion um das Video mit den skandalösen Aus- und Einlassungen des ehemaligen FPÖ-Chefs Heinz-Christian Strache kippt oder zu kippen droht. Konservative Kräfte versuchen, den schlimmen Inhalt des Videos in den Hintergrund zu schieben und eine Nebensache in den Vordergrund zu zerren: Hinfort soll gefälligst darüber geredet werden, dass das Video auf fragwürdige Weise zustande kam und nicht darüber, dass da ein rechtspopulistischer Spitzenpolitiker entlarvt wurde, einer, der bereit war, die Demokratie in Österreich wegzuputschen.
Der frühere Chef des Bundesnachrichtendienstes (BND), August Hanning, räsonniert: „Selbst gravierende Straftaten rechtfertigen keine Wohnraumüberwachung.“ Wie bitte ? Hat der BND noch nie verdächtige Landesverräter abgehört ? Und Rechtsausleger Strache hat doch schließlich offenbart, dass er bereit gewesen wäre, sein Land Österreich aufs Übelste zu verraten. Jetzt aber wird der ehemalige BND-Chef höchst sensibel. Er sorgt sich um die „politische Kultur“ und wettert gegen Wohnraumüberwachung.
Und auch der frühere Verfassungsschutzpräsident Hans-Georg Maaßen hält die „Videofalle“, in die Strache getappt ist, für den eigentlichen Skandal, nicht den Inhalt des Videos. Da muss man im Nachhinein erschrecken, wie schlecht es um den Schutz unserer Verfassung gestanden haben muss, solange Maaßen unseren Verfassungsschutz führte.
Mit ganz ähnlicher Stoßrichtung meldet sich in der „Welt“ der frühere CDU-Regierungschef von Hamburg, Ole von Beust, zu Wort – ausgerechnet von Beust, der sich gerne zum politischen Edelmann stilisiert, abgehoben, fast überparteilich, der aber als Erster in Deutschland die Rechtspopulisten zumindest für gewisse Zeit salonfähig gemacht hatte. Denn Beust und seine CDU, damals weit entfernt von einer Parlamentsmehrheit, waren nach der Bürgerschaftswahl 2001 ein Regierungsbündnis mit dem Rechtspopulisten Ronald Schill und seiner „Partei Rechtsstaatliche Offensive“ eingegangen. Schill wurde dank Ole von Beust stellvertretender Regierungschef der Hansestadt und leibhaftiger Innensenator. Heute treibt er sich in brasilianischen Favelas rum, lässt sich beim Koksen und Begrapschen knapp bekleideter Miezen filmen. So tief also kann Politik sinken – auch in Deutschland. Dieser Förderer des politisch-moralischen Niedergangs, Christdemokrat Ole von Beust, holt jetzt zum großen Rundumschlag gegen die aus, die Demokratie und Rechtsstaat vor einem wie Strache schützten: Deren Beweismittel seien „unsauber“. Dass „Spiegel“ und „Süddeutsche“ das Video veröffentlicht hätten – „eine moralische Großtat ist es nicht“. Strache hätte „zwischen bösen Worten und anschließenden Taten“ immer noch „abrüsten“ können. „Hand aufs Herz: Wer hat nicht schon im Leben furchtbare Gedanken gehabt, grauenhaften Unsinn geredet und sich dann trotzdem anständig verhalten?“
Und am Ende seines „Welt“-Kommentars erteilt sich der prominente Relativierer gleich auch noch selber Absolution. Er habe seinerzeit zu Schill eine „klare Trennlinie“ gezogen und „war am Ende erfolgreich“. Dass er diese „klare Trennlinie“ erst zog, als Schill die Maske vollends fallen ließ und komplett durchdrehte, dass der mit diesem Mann niemals ins Koalitionsbett steigen durfte, das will Ole von Beust offenkundig nicht mehr wahr haben.
Zurück zum heute: Sehr, sehr viele Leser haben dem „Welt“-Kolumnisten Ole von Beust in begeisterten Zuschriften zugestimmt. Und das muss erschrecken.
Bildquelle: Youtube, Screenshot vom Video der Pressekonferenz nach dem Enthüllungsvideo
'Strache-Video – erschreckend, wie die Diskussion kippt' hat keine Kommentare
Als erste/r kommentieren