Die Bilder aus dem Mittelmeer kennen wir alle: Menschen versuchen verzweifelt das Meer zu überqueren, um Sicherheit und Schutz in Europa zu finden. Aber der Weg, der zu Schutz und Sicherheit führen soll, bedeutet für viele Flüchtlinge der Tod. Vergangenes Jahr waren mehr als 2.300 Tote und Vermisste zu beklagen und 2019 starben bereits 669 Menschen. Der Weg übers Mittelmeer ist damit die tödlichste Seeroute der Welt.
Mit dem jährlichen Bricht „Desperate Journeys, der heute vom Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen (UNHCR) veröffentlicht wurde, wird über die Situation ankommender Flüchtlinge in und außerhalb Europas berichtet. Der erschütternde Bericht belegt, dass 2019 von Januar bis September rund 81.000 Menschen über das Mittelmeer nach Europa kamen. Die meisten Menschen kamen in Griechenland an. Berichte von den griechischen Inseln zeigen, dass die Bedingungen in den überfüllten Aufnahmezentren auf den griechischen Ägäis-Inseln für die Schutzsuchenden äußerst besorgniserregend sind. Pascale Moreau, die Direktorin des UNHCR-Europabüros weist darauf hin, dass rund ein Viertel der in Europa Ankommenden Kinder sind, die unbegleitet auf der Flucht sind oder während der Flucht von ihren Eltern getrennt wurden. „Diese Kinder sind häufig vor Konflikten geflohen, haben Familienmitglieder verloren, waren monatelang oder sogar jahrelang unterwegs und haben auf ihrem Weg häufig Schreckliches erlitten, aber ihr Leiden hört nicht an der Grenze auf“, sagt Pascale Moreau und unterstreicht, dass „in ganz Europa insbesondere unbegleitete Kinder häufig in großen Zentren mit minimaler Aufsicht untergebracht werden, wodurch sie weiterem Missbrauch, Gewalt und psychischen Belastungen ausgesetzt werden und das Risiko steigt, dass sie weiterziehen oder verschwinden.“ Fast 13.000 Kinder sind auf dem Seeweg nach Griechenland gekommen, darunter sind fast 2.100 unbegleitete Kinder. Sie stammen aus Afghanistan, Syrien und anderen Ländern, die von Konflikten und Gewalt betroffen sind.
Die griechischen Behörden haben angekündigt, dass sie die Zahl der Menschen in den Zentren reduzieren wollen. Es liegt aber auf der Hand, dass angesichts der großen Zahl an Schutzsuchenden – Griechenland hat in diesem Jahr die meisten Ankünfte im Mittelmeerraum verzeichnet, mehr als Spanien, Italien, Malta und Zypern zusammen – sich die europäischen Staaten mit Griechenland solidarisch zeigen müssen. Bis Ende September befanden sich die meisten unbegleiteten Kinder in Griechenland immer noch in ungeeigneten Unterkünften. Angesichts der extrem riskanten Bedingungen, denen sie ausgesetzt sind, appelliert der UNHCR an die europäischen Staaten, als Zeichen der Solidarität, Plätze für die Umsiedlung der Kinder zur Verfügung zu stellen und die Verfahren zur Familienzusammenführung zu beschleunigen.
Der neue UNHCR-Bericht stellt zwar fest, dass es in ganz Europa viele positive Entwicklungen zur Verbesserung des Schutzes von Kindern gegeben hat. Aber Europa muss mehr tun, um die Herausforderungen anzugehen, denen sich Kinder weiterhin gegenübersehen. Deshalb fordert das Flüchtlingshilfswerk die europäischen Staaten auf, Kinder bei der Einreise nicht zu inhaftieren, ausgebildete Vormünder oder Sozialarbeite *innen zu ernennen und sicherzustellen, dass Flüchtlings- und Migrantenkinder Zugang zu Bildung erhalten.
Das Flüchtlingshilfswerk hat in dem Bericht an die Regierungen eine ganze Reihe von Empfehlungen ausgesprochen, durch die die Staaten den Schutz für Flüchtlings- und Migrantenkinder verbessern können und sie besser in die Lage versetzt zu bestimmen, wie das Kindeswohl am besten gewahrt werden kann. Neben dem Schutz von Kindern wird auch gefordert, dass erneuter Such- und Rettungsschiffen in internationalen Gewässern vor der Küste Libyens eingesetzt werden. Sie sollen im Mittelmeer mit der klaren Verpflichtung fahren, gerettete Personen in sicheren Häfen an Land zu bringen. Mit der schnellen Einrichtung eines koordinierten und vorhersehbaren regionalen Mechanismus zur Seenotrettung soll verhindert werden, das nicht weiter jeden Tag vier Menschen im Mittelmeer sterben müssen. Damit verbunden, so das Flüchtlingshilfswerk UNHCR, ist auch die Anforderung an die Regierungen, die Behinderung und Kriminalisierung von NGOs, die sich an Seenotrettungsmaßnahmen beteiligen, zu beenden und die Zusammenarbeit zu stärken, um die verfügbaren Kapazitäten zur Seenotrettung bestmöglich einzusetzen.
Die UNO-Flüchtlingshilfe, der nationale Partner des Flüchtlingshilfswerks der Vereinten Nationen (UNHCR), unterstützt die weltweiten, lebensrettenden Einsätze des UNHCR und Projekte für Flüchtlinge in Deutschland. www.uno-fluechtlingshilfe.de
Peter Ruhenstroth-Bauer ist Geschäftsführer der UNO-Flüchtlingshilfe
Der Desperate Journeys-Bericht ist abrufbar unter: https://data2.unhcr.org/en/documents/details/71723
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