R.T. Erdogan

VIELE FANS FÜR DIE TÜRKEI, ABER NICHT FÜR ERDOGAN!

Der türkische Präsident Erdogan wurde jüngst mit allen Ehren eines Staatsbesuches von Bundespräsident Steinmeier hierzulande empfangen. Die geostrategische Bedeutung der Türkei war Anlass genug, das Verhältnis zum NATO-Partner zu verbessern. Schließlich hatte Kanzlerin Angela Merkel dem Türkenführer für seine Bereitschaft zu danken, rund 3 Millionen Flüchtlinge in seinem Land zu halten und nicht in Richtung Westeuropa, insbesondere Deutschland, weiterziehen zu lassen.

Unerfreuliche Erdogan-Visite

Dennoch verlief die Visite alles andere als erfreulich. Statt der erwarteten Charme-Offensive Erdogans gab es von seiner Seite erneut Attacken und Vorwürfe, die darin gipfelten, dass in Deutschland Rassismus herrsche und Terroristen gar staatlichen Schutz genießen würden. Nach der Abreise des Türkei-Herrschers war überdeutlich, dass von der einstigen deutsch-türkischen Freundschaft leider nicht die Rede sein kann. Zu weit liegen die politischen Vorstellungen zu den elementaren Menschenrechten und vieles mehr zwischen Ankara und Berlin auseinander: Nicht einmal der Hauch einer Annäherung konnte erreicht werden, denn Erdogan scheint nicht bereit zu sein, auch nur einen Millimeter von seinem rigiden Kurs abzuweichen. Er wird weiterhin mit Repressionen regieren, die Pressefreiheit nicht um einen Deut respektieren, Jagd auf Leute machen, die gegen seine Politik opponieren.

Miese Wirtschaftsperspektiven

Damit sind auch die Rahmenbedingungen für bessere Wirtschaftsbeziehungen alles andere als günstig. Die Türkei stürzt mehr und mehr in eine ökonomische Krise. Der Wechselkurs der türkischen Lira spiegelt dies überdeutlich wider: Gegenüber dem Euro und dem Dollar beträgt die Abwertung inzwischen rund 40%. Die Preise für alle Importwaren steigen kräftig an – etwa die Preise für Energie um bis zu 18%. Die Inflation ist auf 24% explodiert, die Zinsen für Kredite steigen in fast astronomische Höhen. Türken, die einst Fremdwährungskredite aufgenommen haben, geraten in immer größere Schwierigkeiten bei der Bedienung ihrer Schulden. Die Volkswirtschaft droht in eine Rezession zu steuern; die Arbeitslosigkeit nimmt zu. Ausländische Investoren halten oder ziehen sich zurück, die politischen Unwägbarkeiten sind vielen zu unkalkulierbar. Selbst bei allem guten Willen der Bundesregierung wird es kaum gelingen, deutsche Firmen zu neuen Investitionen in der Türkei zu bewegen. Selbst bei Großprojekten -wie etwa bei der Bahn-Infrastruktur-, mit denen Erdogan zu locken versucht, dürfte die Zurückhaltung überwiegen. Für großzügige staatlich verbürgte Milliarden-Kredite würde die Bundesregierung hierzulande kaum eine breite Zustimmung finden.

Ebenso rücken der einst angestrebte Beitritt der Türkei zur Europäischen Union und sogar die Erweiterung der Zollunion, die der Türkei große Vorteile im Außenhandel mit den EU-Ländern bescheren würde, in immer weitere Ferne. Anfang Oktober diesen Jahres hat das Europäische Parlament der Türkei Finanzhilfen in Höhe von 70 Mio. € gestrichen. Diese finanziellen Mittel waren an die Bedingung geknüpft, dass Erdogans Regime deutliche Fortschritte bei der Demokratie, Rechtsstaatlichkeit, Wahrung der Menschenrechte und Medienfreiheit vorweist.

Ob der ebenso starrsinnige wie eitle Erdogan unter dem Druck der ökonomischen und sozialen Lasten seinen politischen Kurs ändern wird, ist noch ungewiss. Auf jeden Fall sollten die EU-Länder die Verbindung zur Türkei halten, um das Land letztlich nicht vollends in die Arme Russlands, des Iran oder anderer arabischer Staaten zu treiben.

3 Millionen Türken in Deutschland

 So sehr sich die Stimmung gegenüber Erdogan verschlechtert hat, das Miteinander von Deutschen und Türken hierzulande ist durchweg positiv und freundlich. Das gilt sowohl für das Zusammenwirken an den Arbeitsplätzen in den Fabriken und anderswo, für das nachbarschaftliche Zusammenleben in den Kommunen oder auch für die Begegnungen in den Vereinen. Die interkulturelle Verständigung ist auf alle Fälle besser, als sie bisweilen von Kritikern beurteilt wird. Jedenfalls leben die meisten der rund 3 Millionen Menschen mit türkischen Wurzeln gern in Deutschland, leisten mit ihrer Arbeit viel für unseren Wohlstand, genießen die freiheitliche Demokratie und die Achtung der Menschenrechte. Mit einem stärkeren Aufeinanderzugehen könnte die Integration indessen noch wesentlich verbessert werden und zu einem positiven Echo beitragen, das gewiss auch bis in die Türkei erschallen würde.

Die Zahl der Türken, die aus Angst vor Recep Tayyip Erdogan aus ihrem Heimatland fliehen und in Deutschland Schutz vor politischer Verfolgung suchen, ist nicht gering. Seit Jahresbeginn haben über 3.200 bei uns einen Asylantrag gestellt; viele von ihnen hatten sogar einen Diplomatenpass, doch fürchteten sie harte Repressalien des Erdogan-Regimes nach dem Putschversuch im Jahre 2016.

Mehr deutsche Türkei-Touristen

Wie sehr sich die Türkei als Urlaubsland wieder großer Beliebtheit erfreut, zeigt sich im Fremdenverkehr. Die Zahl der ausländischen Touristen ist in diesem Jahr um fast 16% auf 27 Millionen gestiegen. Während es 2017 einen Rückgang gab, sind in 2018 bisher schon rund 3 Millionen Urlauber aus Deutschland in die Türkei gereist; das ist eine Zunahme um fast 20%. Die Touristen aus Deutschland nehmen damit Platz 2 in der Türkei ein; lediglich von Urlaubern aus Russland werden sie übertroffen. Trotz Erdogan hat das Land wieder an Attraktivität gewonnen – nicht nur wegen der geografischen Reize und der guten Hotels, sondern auch wegen der Gastfreundschaft, die Türken den Deutschen zuteil werden lassen.

Bildquelle: Kremlin.ru, CC BY 4.0

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leitete die ZDF Wirtschaftsredaktion, bevor er unter Helmut Kohl Regierungssprecher und schließlich CDU-Abgeordneter im Bundestag wurde. Heute ist Ost weiter als Journalist und in der Politik- und Wirtschaftsberatung tätig.


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