„Von guten Mächten wunderbar geborgen, erwarten wir getrost, was kommen mag“, so beginnen die bekanntesten Sätze von Dietrich Bonhoeffer, die er aufschrieb, als die Nazis ihn schon eingesperrt hatten. Und sie enden mit den Worten: „Gott ist mit uns am Abend und am Morgen und ganz gewiss an jedem neuen Tag.“ Dieses schöne Wort des evangelischen Widerstandskämpfers gegen Adolf Hitler und seine Barbarei ziert manches Sterbebild. Das Gedicht war das letzte Zeichen der Liebe Bonhoeffers zu seiner Frau Maria von Wedemeyer, ehe die Nazis ihn, auf persönlichen Befehl Hitlers, im KZ Flossenbürg am 9. April 1945 nach einem standgerichtlichen Verfahren hinrichteten. Vier Wochen vor der Kapitulation des Deutschen Reiches endete das Leben dieses aufrechten Mannes, ein Opfer von Hitlers Rachsucht gegen die Verschwörer des 20. Juli 1944.
Dieser 9. April wurde zum Hinrichtungstag der Hitler-Verschwörer. Neben Bonhoeffer wurden am 9. April 1945 umgebracht: General Hans Oster, Admiral Wilhelm Canaris, der Offizier Ludwig Gehre, Heeresrichter Karl Sack. Die Hinrichtung dauerte viele Stunden, die strangulierten Opfer, alle unbekleidet, um sie zu demütigen, wurden wiederbelebt, um ihren Todeskampf zu verlängern. Sadismus in seiner reinen Form. An anderen Orten wie zum Beispiel in Plötzensee wurde Ewald von Kleist, auch er im Widerstand gegen Hitler, hingerichtet, auch der Kunstschreiner Georg Elser, der im November 1939 im Münchner Bürgerbräukeller vergeblich versucht hatte, Hitler mit einer Bombe zu töten, fand an diesem Tag den Tod im KZ Dachau, das erste Konzentrationslager der Nazis und das letzte, das von den Amerikanern Ende April befreit wurde. Wenn nur eines der Attentate gegen Hitler und seine Gefolgsleute gelungen wäre….
Es gibt kein Grab von ihm
Es gibt kein Grab von Dietrich Bonhoeffer. Die Asche wurde wohl verstreut. In der Oderberger Straße in Berlin-Prenzlauer Berg erinnert eine Gedenktafel an den Theologen und Kämpfer gegen den Tyrannen, dort hatte er 1932 ein paar Monate gelebt, nahe der Zionskirche. Auch auf dem Dorotheenstädtischen Friedhof in Berlin-Mitte wird an ihn erinnert, eine Gedenktafel am Grab seines Bruders Klaus Bonhoeffer hat die Inschrift: “erlitten den Tod im Widerstand gegen Unrecht und Gewalt“. Ferner liest man:“ Selig sind, die um Gerechtigkeit willen verfolgt werden, denn das Himmelreich ist ihr.“ Es hat übrigens Jahre gedauert, bis der Widerstandskämpfer Dietrich Bonhoeffer nicht mehr als Vaterlandsverräter galt. Dazu passt, dass die Mitglieder des Standgerichts, das Bonhoeffer und seine Mitstreiter zum Tode verurteilt hat, 1956 vom Bundesgerichtshof im Fall Bonhoeffer freigesprochen wurden. Das Urteil sei rechtskräftig, hieß es. Erst 1998 erließ der Bundestag das Gesetz zur Aufhebung nationalsozialistischer Unrechtsurteile- Bonhoeffer wurde rehabilitiert.
Heute wird er fast wie ein Held verehrt, lebte er noch, er würde diese Überhöhung nicht wollen. Er wird als Märtyrer gesehen, einige haben ihn zu einem Heiligen erhoben, weil er als Pazifist mit der Kraft seiner Worte und des christlichen Glaubens und ohne jegliche Gewalt Widerstand gegen Hitler leistete, im Grunde schon seit 1933, zu einer Zeit also, als Hitler sich die Ermächtigung durch den Reichstag-gegen die Stimmen der SPD!- für seine Gewaltherrschaft holte und sie dann rücksichtslos über Deutschland ausbreitete und seine Gegner mit allen Mitteln verfolgte, einsperrte und ermorden ließ. Bonhoeffer war ein Mann ohne Furcht vor den braunen Hetzern. Er sah sich auf der Seite der Schwachen, gab ihnen Mut und forderte offen zum Widerstand auf. In seinem Buch „Widerstand und Ergebung“ ist zu lesen: „Herr Jesus Christus, du warst arm und elend, gefangen und verlassen wie ich. Du kennst alle Not der Menschen, du bleibst bei mir, wenn kein Mensch mir beisteht, du vergisst mich nicht und suchst mich, du willst, dass ich dich erkenne und mich zu dir kehre.“
Bruder Walter fällt 1918
Dietrich Bonhoeffer wird, wenn die Formulierung erlaubt ist, nicht als Widerstandskämpfer geboren, er kommt aus gutem Hause, sein Vater ist Psychiatrie-Professor in Breslau. Die Familie mit acht Kindern zieht nach Berlin, dort lebt man im Villen-Stadtteil Grunewald, die Mutter ist Lehrerin, entstammt einer adligen Theologen-Familie. Den ersten Weltkrieg lernt er mit all seiner Brutalität und Grausamkeit kennen, als der zweitälteste Bruder Walter im April 1918 fällt. Dietrich studiert nach glänzendem Abitur Theologie, wird schon mit 21 Jahren promoviert, mit 24 folgt die Habilitation. Während der Studienjahre lernt er viele Länder der Welt kennen, wird später äußern, dass ihn Harlem geprägt habe, wo er die Rassentrennung erlebt, als sein schwarzer Freund und er in getrennten Straßenbahnwaggons fahren müssen.
Nationalismus und Christsein schließen sich aus, das hat er früh gelernt. Welcher Nationalität man angehört, ist für einen Christen unerheblich, so Bonhoeffer. Er warnt früh vor den Gefahren des neuen Regimes. In einer Berliner Rundfunkrede spricht er zwei Tage nach der Machtübernahme der Nazis davon, dass der Führer zum Verführer werden könne, die Rede wird angeblich wegen Zeitüberschreitung abgebrochen. Nach den Notverordnungen infolge des Reichstagsbrands fordert er vor Berliner Pfarrern die Kirche zum politischen Widerstand auf, viele Zuhörer verlassen daraufhin den Saal.
Er kämpft für die Juden
Bonhoeffer kämpft für die Gleichberechtigung der Juden, er verfasst Flugblätter gegen den Arierparagraphen und prangert in einem Vortrag mit dem Titel „Die Kirche vor der Judenfrage“ das neue Unrecht an. Er kritisiert die von den Nazis installierte Deutsche Reichskirche und plädiert dafür, dass alle Pfarrer ihre Ämter niederlegen sollten, die den Arierpararaphen ablehnen. Aber Bonhoeffer kann sich nicht durchsetzen, vielmehr erlebt er, wie die Nürnberger Rassegesetze Juden ausgrenzen und Christen jüdischer Abstammung von ihren Gemeinden getrennt werden. Wie sehr die Nazis das Leben im Reich und in der Kirche verändern, sieht man an Reichsbischof Ludwig Müller, der in seinem Dienstsiegel neben dem Kreuz das Hakenkreuz führt.
Aber auch die Bekennende Kirche, die er geformt hat, verliert ihre Sprache und schweigt zu den organisierten Ausschreitungen gegen Juden am 9. November 1938. Bonhoeffer wird aus Berlin ausgewiesen, sein Schwager Hans von Dohnanyi erzählt ihm von Hitlers Kriegsplänen und weiht ihn ein in seine Pläne für einen Staatsstreich gegen den Führer, er bittet Bonhoeffer, sich am Widerstand zu beteiligen. Bonhoeffers konspiratives Mitwirken wird 1943 aufgedeckt, er wird verhaftet, in Tegel eingesperrt, wo er am 20. Juli 1944 erfährt, dass das Attentat auf Hitler misslungen ist.
Dietrich Bonhoeffer wurde nur 39 Jahre alt. Und doch hat kaum ein Theologe solchen Einfluss auf die Kirche und die Gesellschaft gehabt wie er. Viele Straßen und Schulen tragen seinen Namen wie auch Kirchen und Gemeindehäuser. Eine Statue Bonhoeffers ziert die Fassade der Westminster Abbey in London, ein Kinofilm erzählt über sein Leben. Sein Widerstand gegen Hitler hat weltweit Beachtung gefunden und hat belegt, dass es im Deutschland Hitlers nicht nur Nationalsozialisten gegeben hat, sondern auch anständige Deutsche. Oder wie es der Historiker Heinrich August Winkler in seinem großen Werk „Geschichte des Westens“ ausgedrückt hat: „Wären sie und andere nicht gegen Hitler aufgestanden, die Deutschen hätten nach dem Ende der nationalsozialistischen Herrschaft wenig gehabt, woran sie sich beim Rückblick auf die Jahre 1933 bis 1945 aufrichten konnten.“
„Wir leben in anderen Zeiten“, schließt Wolfgang Huber seine Würdigung Bonhoeffers in der Zeitschrift „chrismon“. Huber, Ex-Vorsitzender des Rates der EKD, Bischof von Berlin-Brandenburg, heute Professor für Theologie in Berlin, meint, das Vorbild Bonhoeffers könne „uns helfen, die Zeichen unserer Zeit wahrzunehmen, bevor es zu spät ist“. Ohne den Namen der rechtsradikalen AfD zu erwähnen, fordert er: „Wenn die demokratischen Institutionen der Lächerlichkeit preisgegeben werden, ist Widerstand angesagt, nicht Kumpanei. Wenn die Möglichkeiten einer freien Gesellschaft genutzt werden, um gegen Minderheiten Stimmung zu machen, ist Parteinahme nötig, nicht Gleichgültigkeit. Wenn Antisemitismus um sich greift, gilt auch heute Bonhoeffers berühmter Satz: Nur wer für die Juden schreit, darf auch gregorianisch singen.“
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