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Wo bleibt der Aufstand der Anständigen?

Alfons Pieper Von Alfons Pieper
23. August 2019
Schild "Keine alternative für Deutschland", Aufruf mit geändertem AfD-Logo gegen Rassismus

Gerade lese ich ein mahnendes Wort von Klaus Staeck zu den Landtagswahlen im Osten, das er in der „Frankfurter Rundschau“ geschrieben hat. Titel: „Gegen die AfD im Osten- auf 80 Prozent ist Verlass.“ Im Vorspann des Textes warnt der Linksliberale und ewige Streiter für eine soziale Demokratie: „Man darf Alexander Gauland und seiner AfD-Meute das Revier der Demokratie nicht überlassen.“ Recht hat er. Wo bleibt der Aufstand der Anständigen, wo bleibt die Gegenwehr der rund 430000 Mitglieder der SPD, wo bleiben die Proteste der Hunderttausenden von Mitgliedern der Union gegen diese rechte Meute?

Ich habe mich das schon vor Jahren gefragt, als Alexander Gauland, der Anführer der Rechten, der aus der hessischen CDU kam, nach der Wahl von Angela Merkel zur Kanzlerin feststellte. „Wir werden sie jagen.“ Als wäre die Kanzlerin ein Tier. Man muss kein Freund und kein Wähler von Merkel sein, um diese Sätze Gaulands abscheulich zu finden. Aber so ist der Mann, der als Biedermann daherkommt und eher einem Brandstifter gleicht, derselbe Gauland,  der die deutsche Geschichte so herausragend findet, dass er die wenigen Hitler-Nazi-Jahre mit einem Vogelschiss abtun will. So hat er es gesagt. 12 Jahre braune Herrschaft in Deutschland in Europa, das Ende aller Zivilisation. Ein  Weltkrieg, der geschätzt fast 70 Millionen Menschen das Leben kostete, allein auf dem Gebiet der damaligen Sowjetunion kamen bis zu 27 Millionen Menschen um. Nur ein  Vogelschiss? All die Zerstörungen in Dörfern und Städten von der Westküste Frankreichs bis kurz vor Moskau. Sieben Millionen Juden wurden ermordet. Nur ein Vogelschiss? Wo sind wir hier, wenn all das gesagt werden kann von einem Mann, der Rederecht im Deutschen Bundestag hat, dem sogenannten „Hohen Haus“?

Der Feind steht rechts

Ich lese Klaus Staeck in der FR weiter: „Wer noch nicht auf der Leimroute der Rechtspopulisten festklebt, sollte erkennen, dass er mit Angst, Resignation oder der Protesthaltung „nun zeigen wir es denen mal“ nichts anderes tut, als das Geschäft derer zu betreiben, die unsere Demokratie erledigen wollen“. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hat mehrfach mahnend und warnend dazu aufgerufen, diese deutsche Demokratie, die wirklich einmalig ist in der deutschen Geschichte, zu verteidigen. Weil sie nicht selbstverständlich ist, weil sie Feinde hat, ja hier muss man das Wort Feind gebrauchen und nicht mehr den Begriff Gegner. „Der Feind steht rechts“, hat Reichskanzler Joseph Wirth im Reichstag einen Tag nach der Ermordung des liberalen Reichsaußenministers Walther Rathenau durch rechtsextreme Terroristen am 24. Juni 1922 den Toten gewürdigt und die Mörder angeklagt. Wirth war Mitglied der katholischen Zentrumspartei. Und Wirth hatte in seiner emotionalen Rede zur Mitarbeit der Demokraten aufgerufen und gesagt: „In diesem Sinne müssen allle Hände, muss jeder Mund sich regen, um endlich in Deutschland diese Atmosphäre des Mordes, des Zankes, der Vergiftung zu zerstören.“ Und dann drehte sich Wirth zu den Abgeordneten der Rechtsparteien und rief: „Da steht der Feind, der sein Gift in die Wunden eines Volkes träufelt-Da steht der Feind- und darüber ist kein Zweifel: Dieser Feind steht rechts.“ An diese Worte hatte vor einiger Zeit NRW-Ministerpräsident Armin Laschet, zugleich CDU-Bundesvize, aus gegebenem Anlass erinnert.

Wo bleibt der Aufstand der Anständigen, der Mitglieder und Wählerinnen und Wähler von SPD und CDU/CSU, von der FDP,  den Grünen, wo bleibt der Aufstand der Demokraten gegen all die Provokationen, Frechheiten, Unverschämtheiten? Wörtlich schreibt Klaus Staeck weiter: „Dass sie sich dazu in Brandenburg Willy Brandts Aufruf 1969 samt seinem Porträt auf einem obszönen Wahlplakat bedienen, ist an feister Geschmacklosigkeit kaum zu übertreffen. Aber es entspricht ganz und gar dem Wesen dieser Partei. Wem es im Osten bis jetzt noch nicht aufgefallen ist, wie er von den Westimporten Gauland, Höcke, Kalbitz und Kollateral-Partner verhöhnt und politisch für nicht zurechnungsfähig abqualifiziert wird, dem ist nicht zu helfen, und der soll sein Blatt mit dem rechten Kreuz getrost in die Urne werfen.“ Höcke, damit das nicht vergessen wird, ist der, der sich vor Jahr und Tag einen berüchtigten Namen als Ultra-Rechter gemacht hatte, als er das Holocaust-Mahnmal in Berlin nahe dem Brandenburger Tor, hinter der US-Botschaft und dem Hotel Adlon und vor den Ministergärten mit diversen Landesvertretungen, „als Denkmal der Schande “ bezeichnet hatte.

Höcke und Kalbitz keine Bürgerrechtler

Björn Höcke kommt aus Neuwied unweit von Bonn und Koblenz und ist politisch für die AfD tätig in Sachsen. Im Wahlkampf wird von AfD-Leuten der Eindruck erweckt, als wären sie damals 1989 dabei gewesen, als die Mauer fiel. Sie stilisieren sich als Erben der friedlichen Revolution, das ist zwar absurd, weil Höcke, der heutige AfD-Landeschef natürlich nicht dabei war, als DDR-Bürger in Leipzig oder Ostberlin mit Kerzen gegen das kommunistische Regime protestierten. Der erwähnte Kalbitz, Spitzenkandidat der AfD in Brandenburg, stammt aus München und hat die rechtsrextreme Szene durchlaufen, war bei Republikanern und dem Witko-Bund. Vollende die Wende, rufen sie, die gar nicht mitgewirkt haben damals, als es riskant war, gegen die SED und die Vopo und die Stasi auf die Straße zu gehen. Die AfD kupfert, wenn man so will, die einstige SED ab, indem sie sich ihre Geschichte zu Recht lügt, wie Gerhard Spörl kürzlich schrieb. Lügt wie einst die SED ihre Bürger belog.

Für Klaus Staeck, den überzeugten Sozialdemokraten mit einem halben Jahrhundert Parteierfahrung, „gelten Willy Brandts Worte- Mehr Demokratie wagen-immer noch und ich lasse sie von keinem rechten Plakatier stehlen. Desbalb werde ich die mit Johano Strasser initiierte „Aktion für mehr Demokratie“ entschieden weiter betreiben- wer auch immer die Demokratie unter falscher Flagge bekämpfen will.“  Es ist ja auch ein schlechter Witz, wenn die AfD ausgerechnet Willy Brandt für sich nutzen will. Mehr Demokratie wagen hieß damals: mehr Liberalität, mehr Weltläufigkeit, gegen den Mief des Provinzialismus, mehr Toleranz, Offenheit. Die Stars der AfD dagegen bekämpfen den linken Liberalismus, sie verehren Politiker wie Orban, Putin, Salvini und den Österreicher Strache. Staeck erinnert an frühere Kampagnen, die er mit den Gewerkschaften organisiert hatte. Eine hieß: „Freiheit statt Strauß“, den „populistischen CSU-Kanzlerkandidaten. Damals Ende der 70er, Anfang der 80er Jahre, füllten sie mit Großveranstaltungen unter dem Motto „Verteidigt die Republik“ Hallen wie die Essener Gruga mit mehr als 7000 Zuschauern. Wo bleibt dieser Protest der Künstler und Intellektuellen heute, da es wirklich um unsere Demokratie geht, da die AfD in allen Parlamenten der Republik sitzt und sich anschickt, in Sachsen und Brandenburg den dortigen Regierungsparteien CDU(Sachsen) und SPD(Brandenburg) den Rang abzulaufen?

Für Staeck „bleibt wichtig, dass man sich auf rund 80 Prozent der Wählerinnen und Wähler verlassen kann. So viel Hoffnung leiste ich mir und trotze dem Fatalismus, dem gefährlichen Vorzeichen einer Lähmung.“ Hoffentlich behält er Recht. Übrigens las ich in „Cicero“ ein Interview mit dem früheren DDR-Bürgerrechtler Uwe Schwabe, der einst von der Stasi überwacht wurde. Befragt nach den AfD-Wahlkampf-Formeln und den AfD-Politikern Höcke und Kalbitz betonte Schwabe: „Höcke und Kalbitz missbrauchen den Begriff der friedlichen Revolution, um ihre Wähler hinters Licht zu führen“.  Schwabe wirft der AfD vor,  außer Spaltung, Hass und Hetze nicht viel zu bieten. Im übrigen wendet er sich vehement gegen Vergleiche BRD und DDR, als wären sie gleichzusetzen. „Wenn man zu DDR-Zeiten auf die Straße gegangen und „Lügenpresse“ geschrien hätte, wäre man im Stasi-Knast oder in Bautzen gelandet. Heute kann das jeder ungestraft tun. Ich habe schon Plakate gesehen, die die Kanzlerin an einem Galgen gezeigt haben“. Dem kann ich nur noch hinzufügen, auch der damalige Außenminister Sigmar Gabriel(SPD) wurde mit einem solchen Plakat gezeigt. Schwabes Bilanz des Kampfes der Bürgerrechtler: Es habe sich gelohnt, man habe einen Rechtsstaat bekommen, Gewaltenteilung, freie Medien, Demonstrationsfreiheit. „Das alles haben wir erreicht. Dass das Leben trotzdem kein Paradies ist, wissen wir. “

Bildquelle: Wikipedia, Weeping Angel, Creative-Commons-Lizenz „CC0 1.0 Verzicht auf das Copyright“

 

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Tags: Aufstand der AnständigenDemokratiefeind AfDGegen RechtsextremismusGegen RechtspopulismusKlaus StraeckMehr Demokratie wagenSPDWilly Brandt
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Comments 3

  1. Till Sitter says:
    6 Jahren ago

    Da stellt sich doch die Frage, wie man mit 20 oder meinetwegen auch 30 Prozent „unsere Demokratie“ erledigen kann. Wessen Demokratie ist denn da gemeint? Gibt es mehrere? 20 oder 30 Prozent für die Afd bedeutet im Grunde nur, 20 oder 30 Prozent weniger von den Pfründen. Vielleicht können Sie, werter Herr Pieper, erklären, wie eine Partei mit knapp einem Viertel der Stimmen die Demokratie erledigen kann? Fakt ist, dass die Blender der AfD gar nicht so weit gekommen wären, wenn die Altparteien mit ihrem Auftrag, ihre Kraft dem Wohle des deutschen Volkes zu widmen, seinen Nutzen zu mehren, Schaden von ihm abzuwenden und das Grundgesetz sowie die Gesetze des Bundes zu wahren und zu verteidigen, nicht auf ganzer Linie versagt hätten. „Unsere Demokratie“! Ein Schelm, der böses dabei denkt?

    Antworten
  2. Habnix says:
    6 Jahren ago

    Schwabes Bilanz des Kampfes der Bürgerrechtler: Es habe sich gelohnt, man habe einen Rechtsstaat bekommen, Gewaltenteilung, freie Medien, Demonstrationsfreiheit. „Das alles haben wir erreicht. Dass das Leben trotzdem kein Paradies ist, wissen wir. “ Da belügt man sich selbst, wenn vielleicht auch unabsichtlich. Man hat eben keinen Rechtsstaat und keine Gewaltenteilung und auch keine freie Medien. Demonstrationsfreiheit nur wenn sie passend zum Ziel weniger führt.

    Jede Demo oder Revolution muss organisiert werden und braucht Mittel, und derjenige, der die Mittel zur Verfügung stellt, dem nutzt die Demo oder Revolution.

    Pressefreiheit ist nicht gleich Meinungsfreiheit, da Pressefreiheit eigentlich Kapitalfreiheit ist.

    Antworten
  3. Graf Altfried von Stock says:
    6 Jahren ago

    Danke für den Artikel. Jedes Wort, jeder Beitrag, jede Erinnerung an die 20´er Jahre scheint (leider) notwendig.

    Das zeigt sich auch an den beiden anderen Kommentaren hier, die (beispielhaft) irgendwie nichts verstanden haben oder verstehen wollen oder im Gegenteil Propagandageschichten glauben.

    Antworten

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