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Home Kultur Buchbesprechungen

Ein brutal süßer Brei namens Fortschritt – Das Ende der MEGA-Maschine

Marianne Bäumler Von Marianne Bäumler
6. Juli 2015

Wie schwer ist es doch für uns leider oft zu wenig informierten BürgerInnen, den zunehmend zerstörerischen globalen Kapitalismus in seiner totalitären Eigendynamik zu begreifen, geschweige denn eine so überbordende „Megamaschine“ in ihrer fatalen Rotation selber noch handelnd auszubremsen. Ignorieren fällt angesichts so vieler schmerzhaft deutlichen Symptome auch im reichen Westen immer schwerer: „Wir sind augenblicklich Zeugen, wie ein ganzer Planet, der vier Milliarden Jahre für seine Entwicklung brauchte, in einer globalen Wirtschaftsmaschinerie verheizt wird, die Unmengen von Gütern und zugleich Unmengen von Müll produziert, irrsinnigen Reichtum und massenhaftes Elend, permanente Überarbeitung und sinnlosen Leerlauf.“ Diese Diagnose stellt Fabian Scheidler in seinem historisch und ökonomisch kenntnisreichen Buch über die „Geschichte einer scheiternden Zivilisation“.

Fabian ScheidlerDer Autor – Jahrgang 1968 –  ist weder ein panischer Verschwörungstheoretiker noch ein düsterer Pessimist, der sich darin erginge, mit wüsten Weltuntergangsszenarien schnell Kasse zu machen. Sein analytischer Verstand beschönigt allerdings die Auswirkungen jener unheilvollen Eigendynamik  keineswegs, die sich als Turbokapitalismus in unser aller Lebenswelten hektisch breit macht. „Wir verdrängen die offensichtliche Tatsache, dass sich unser Wirtschaftssystem auf Crashkurs mit dem Planeten befindet.“ Eine manische Fixierung auf die zerstörerische Idee der profitablen „Stückzahl“ um jeden Preis, wohin das Auge reicht. Diese Art von ungebremstem Wachstum jedoch kann kein Mensch wirklich herbeisehnen, auch wenn die Gewinnspannen noch so gigantisch sind. Fabian Scheidler verfügt über eine Sprache, die komplexe geschichtliche Entwicklungen klar machen kann! Diese Begabung hilft den Lesern seiner gut strukturierten und mit Fakten belegten Darstellung durch den Dschungel sonstiger Unübersichtlichkeit, die medial durch noch so viele marktschreierische Informationen eher verschärft wird, und ansonsten ja so manchen dadurch noch weiter in die Resignation treibt.

Schrillbunte mediale Ablenkungsmanöver bewirken Ignoranz gegenüber anderen Mit-Menschen, und auch gegenüber den ureigenen Angelegenheiten; andererseits werden BürgerInnen zunehmend auf diverse lukrative Zielgruppen reduziert – die so genannte „Zuschauerdemokratie“ wirkt beängstigend –  so dass sie sich gleichzeitig auf eine Art dümmlichen Voyeurismus schleichend beschränken lassen. D.h., wegsehen, weil man nichts mehr kapiert und überfordert ist – too much, too many – , gleichzeitig jedoch auch hinstarren auf sensationelle Höchstleistungen oder Horrorereignisse – beides fragwürdig  „marktkonforme“ Verhaltensweisen, die eine konsequente politische Partizipation folgenreich verhindern. In seiner ökonomischen Kritik der herrschenden Marktlogik geht Fabian Scheidlers Forderung so weit „die Produktions-und Versorgungssysteme der Gesellschaft Schritt für Schritt aus der Megamaschine herauszulösen.“ Die Sicherung der existenziell notwendigen Bereiche möge als Gemeinwohl-Verantwortung im Sinn der zivilgesellschaftlichen „Daseinsvorsorge“ also nicht weiter kalt berechnend ökonomisiert werden. Er hofft sehr auf sozialökologische Bewegungen, die staatliche Institutionen und Kirchen und Gemeinden nachdrücklich z.B. massiv dazu aufrufen, „ihre Investitionen aus den fossilen Energien zurückzuziehen“.

Es geht in seiner Zukunftsperspektive jedoch nicht um eine bloß kosmetische Korrektur an einem „gemeingefährlichen Welt-Finanzsystem“, sondern – step by step – um eine Umkehr in ein am Gemeinwohl orientiertes Geldsystem, denn das „Zombie-Bankensystem“ sei inzwischen ein dominierender Aspekt der globalen System-Krise. „Ein Ausstieg aus der Maschine in unserem Kopf beginnt damit, dass wir wahrnehmen, wer neben uns ist und wir beginnen, uns eine Gesellschaft vorzustellen, die auf Kooperation gründet statt auf Konkurrenz.“ Fabian Scheidler schildert, wie in verschiedenen Ländern sich inzwischen dezentrale Kooperativen gegründet und bewährt haben. Deren Mitglieder organisieren sich in selbstbestimmten Netzwerken und formulieren ihre „konkrete Utopie“ gegen jeglichen Raubbau als eine eben auch für „die da Unten“ verstehbare Gegenöffentlichkeit. Insofern besteht er auf den demokratischen Errungenschaften unserer Zivilisation, die sich als erweiterbare sinnvolle Basis durchaus bewährt hat. „Anstatt zu fragen: wie können wir die Wirtschaft ankurbeln? Oder wie können wir Beschäftigung schaffen? , kehrt sich die Perspektive um: Wozu stellen wir Dinge her? Was brauchen wir wirklich? Wie können und wollen wir das produzieren und verteilen? Was können wir weglassen? Wie wollen wir darüber entscheiden, was und wie wir produzieren?“

Fabian Scheidler: Das Ende der Megamaschine. Promedia Verlag, 272 Seiten, 19,90 €

Bildquelle: Fabian Scheidler, Kontext TV.

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Tags: GerechtigkeitGesellschaftKapitalismusKapitalismus-KritikSozialökologieTurbokapitalismusVerantwortungZivilgesellschaft
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Comments 5

  1. Pingback: Hinweise des Tages II | NachDenkSeiten – Die kritische Website
  2. SSchmied Walter Steuerinspektor i.R. says:
    10 Jahren ago

    Ich gehöre zu den verrufenen 68 ern (Jahrgang 1947). Schon damals gab es eine Strömung gegen den „Konsumterror“ und gegen den uneingeschränkten, unkritischen Glauben an den Götzen Wachstum. Es hat sich seitdem nichts geändert. Es zählen immer mehr nur Werte in Geld, aber von den ideellen, kulturellen Werten in Europa z.B., die immer als Alibi herhalten müssen, ist nichts mehr geblieben. Solange der Wert der Dinge nur in ihrem Preis gemessen wird, solange gehen wird dem Untergang entgegen. Kritisch bleiben und nicht alles schlucken, was einem präsentiert wird, ist die einzige Möglichkeit sich vor organisierter Verblödung zu schützen. Aber die Schafherde wählt immer die selben Böcke, die sie den Wölfen opfern, um selbst verschont zu werden. Oder wie hieß es damals“Nur die dümmsten Kälber wählen ihre Schlächter selber“
    Alles Gute und freundliche Grüße
    Walter Schmied

    Antworten
  3. Vogel says:
    10 Jahren ago

    Hallo Frau Bäumler,
    könnte mir vorstellen, dass eine etwas differenzierte Rezension auf Interesse stoßen könnte: „Fabian Scheidlers Megamaschine: Geniestreich und Gesinnungsmanifest“ hier zu finden

    Antworten
    • Milena Büchner says:
      10 Jahren ago

      Wir sollten alle weiter – auch analog – im Gespräch bleiben. Das Leben ist und bleibt widersprüchlich, deshalb ist Differenzierung so wesentlich für konstruktive Dialoge. Feindbilder sind starr und verstellen den Blick auf Realitäten. Insofern ist die Vielfalt der je individuellen Aspekte so schön lebendig!
      Und: die Empörung gegen Doppelmoral darf immer aus-gesprochen werden, von allen Menschen!

      Antworten
  4. Christine says:
    10 Jahren ago

    Nix Neues aber verständlich erklärt
    Das Schweigen der Lämmer
    https://www.youtube.com/watch?v=Rx5SZrOsb6M

    Antworten

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