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Home Politik

Apotheken – Zwischen Online-Handel und Beraterapotheke

Klaus Vater Von Klaus Vater
29. März 2019
Online-Apotheke

Dezember 2015: Polizei durchsucht zeitgleich eine Wohnung in Sankt Augustin bei Bonn und Räume der Bonner Universitätsklinik. Ein Mann wird festgenommen. Er arbeitet in der Uni-Klinik. Die Polizei findet einige Kilogramm Amphetamine, beschlagnahmt sie. Der Verhaftete  hatte im Darknet unter dem Namen „Oxywhite“ alle möglichen Medikamente vertrieben.  Der Spiegel schrieb  2018: „Krank im Bett – und die Apotheke ist weit? Neben Versandapotheken verkaufen immer mehr Privatpersonen Arznei auch im Internet. Was viele von ihnen nicht wissen: Sie machen sich strafbar.“ Habe es 2017 mindestens 2500 rechtswidrige Arzneimittelangebote von Nichtapothekern im Internet gegeben, seien 2018 schon 2900 Mal Medikamente von Privatpersonen auf Onlineportalen in Deutschland offeriert worden, darunter 720 verschreibungspflichtige.

Anderes geht so: Im Internet bei indischen oder sonst wo ansässigen Vertreibern bestellen – mit geschätzt 20 bis 30 Prozent falschen, auch gefährlichen Inhaltsstoffen. Ebenfalls nicht legal, aber schwer zu unterbinden. Wie viel da umgesetzt wird, weiß niemand sicher.

Es gibt – drittens – den seriösen Onlinehandel mit Anbietern aus europäischen Ländern wie den Niederlanden auf der Grundlage von Sicherheitsbestimmungen, die den deutschen entsprechen; und es gibt – viertens – den seriösen Apotheken- Online- Handel innerhalb der schwarz-rot-goldenen Grenzen.

Die notwendigen Fakten: Jeden Wochentag öffnen in Deutschland rund 20 000 öffentliche Apotheken (im Unterschied etwa zu Krankenhaus-Apotheken). 3000 Apotheken der rund 20 000 haben eine Erlaubnis, einen Versandhandel mit Medikamenten aufzuziehen. Alle diese Apotheken zusammen haben 2017 verschreibungspflichtige Medikamente im Wert von rund 47 Milliarden Euro umgesetzt. Rezeptpflichtige Medikamente im Wert von 300 Millionen Euro und im Wert von 900 Millionen für nicht rezeptpflichtige Medikamente, sogenannte Over-the- Counter-Präparate, entfielen auf die deutschen Versandhandels- Apotheken. Wer in diesem Bereich Zahlen haben will, sollte sich an das Deutsche Institut für Medizinische Dokumentation und Information (DIMDI) aus dem Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Gesundheit wenden.

Die Online-Bestellung ist beliebt. Sie spart Zeit. Und auch Geld, weil vieles billiger zu haben ist als in der Apotheke um die Ecke. Niemand muss laufen. Viele sagen sich: Beraten – so was brauch ich nicht. Niemand läuft Gefahr, beim Kauf von Krampfadern-Salbe oder Viagra zu erröten. Mensch fühlt sich wohlig anonym. Mensch bestellt seine Medikamente wie T-Shirts oder trockenen Italiener. Mensch ist offenkundig auch gern unvorsichtig: Denn seine Gesundheitsdaten lösen sich ja beim Kaufen im Darknet oder in fernen Ländern nicht auf oder verschwinden wie ein Satellit, der aus der Bahn geraten ist.

Gegenwärtig wird entschieden, wie es mit dem Versandhandel weitergehen soll.

Politisch ist der Apotheken-Onlinehandel seit 2004 außerordentlich umstritten, ja umkämpft. Damals hatte die rot-grüne Koalition den Versandhandel zugelassen. Nun muss man wissen: Die Lobby der Apothekerschaft ist einflussreich – wie jede Lobby mit unmittelbarem Kontakt zu Millionen Kundinnen und Kunden. Apotheker können  Meinung machen. Sie sagen: Zu ihrem Geschäft gehöre zwingend Information und Beratung. Die Krankenkassen sind für den Online-Handel, weil sie sich Druck auf Preise und Einsparungen erhoffen.

2016 hatte der Europäische Gerichtshof entschieden, dass für ausländische Versandapotheken die deutsche Preisbindung der rezeptpflichtigen Medikamente nicht gelte. Sie dürften wie zuvor Preisnachlässe – Rabatte auf Rezept-Medikamente gewähren. Gesundheitsminister Hermann Gröhe legte rasch einen Gesetzentwurf vor. Danach sollte der Versandhandel unterbunden werden. Die SPD war dagegen, sie wollte Nachlässe drücken und die Apotheker für Beratung besser honorieren. Die Linke wollte dem Versandhandel damals den Garaus machen, die Grünen wollten ihn grundsätzlich beibehalten, aber domestizieren.

Dem Gröhe- Gesetzentwurf folgend hatte die Große Koalition in ihrem 2017er Vertrag festgelegt: Verbieten. In 4576 des Koalitionsvertrags steht daher: „Um die Apotheken vor Ort zu stärken, setzen wir uns für ein Verbot des Versandhandels mit verschreibungspflichtigen Arzneimitteln ein.“ Das wurde dem Verhandlungsführer der Sozialdemokraten, Professor Dr. Karl Lauterbach von den eigenen Leuten als „Umfallen“ angekreidet, denn der hatte bis dato ein Verbot schroff abgelehnt.

Für die Koalition kam´s dann noch dicker: Ein Gutachten des Bundeswirtschaftsministers – nach Ende der Koalitionsverhandlungen publiziert – kam zum Resultat: Der Onlinehandel gefährde die Vor-Ort-Apotheken nicht. Ein Marktanteil bei den rezeptpflichtigen Medikamenten von weniger als einem Prozent könne nicht als gefährdend angesehen werden.

Zuerst beerdigte der neue Gesundheitsminister Jens Spahn das angestrebte Verbot. Freiheit der Berufswahl, Niederlassungsfreiheit – Argumente mit Verfassungsrang sprächen gegen so etwas. Auf der Mitgliederversammlung der ABDA – der Bundesvereinigung der Deutschen Apothekerverbände – im Dezember 2018 legte er das Verbot zu den Akten.  Spahn schwebte vor, den Versandhandel an die Kette zu legen, indem er Preisnachlässe abschaffte. Kein Preiswettbewerb mehr.

Wettbewerbshüter runzelten die Brauen. Bei Medikamenten sei Wettbewerb unerlässlich, zumal die Deutschen Jahr für Jahr rund vier Milliarden Euro mehr für ihre rezeptpflichtigen Medikamente auf die Tresen legten als  die Patienten anderer Länder, wie die Preisübersichten von Kassen zeigen. Von einer Rabatt- Abschaffung wollte auch die mitregierende SPD nichts wissen. Rabatte begrenzen – ja; komplett verbieten: Nein.

In dieser Richtung wird denn auch entschieden werden, denn die Kommission in Brüssel beginnt zu drängeln, weil seit dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs bereits zwei Jahre verstrichen sind:

Preisnachlässe auf zwei bis 2 Euro Fünfzig pro Medikament begrenzen; Zuschläge für die Apotheken erhöhen, die spezielle, nicht täglich nachgefragte Medikamente vorhalten; Zuschläge für überdurchschnittliche Beratungsbereitschaft ebenfalls aufstocken. Den grenzüberschreitenden Kampf gegen illegale Anbieter wollen die Europäer ausweiten. Zuletzt wurden mit einer international abgestimmten Aktion Medikamente mit einem Gesamtwert von 81 Millionen Dollar beschlagnahmt, 156 Verhaftungen vorgenommen und über 2000 Web-Sites abgeschaltet.

Aber irgendwie ist es auch so: Der Kurs der wichtigsten politischen Akteure in Sachen Online Handel mit Medikamenten gleicht der Spur, die Felix Neureuther auf seinem letzten Skirennen in Andorra hinterließ: Links herum und rechts herum und wieder links herum…. Neureuther wurde übrigens Siebter.

Bildquelle: Pixabay, Tumisu, Pixabay License

 

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Tags: ApothekeArzneimittel onlineDigitalisierungGesundheitspolitikMedikamentenhandel RegulierungOnline-Handel. Berater-ApothekeStrukturwandel
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Comments 1

  1. lea weber says:
    7 Jahren ago

    Toller Beitrag! Gerade erst über google gefunden

    Antworten

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