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Die Diskussion über die Kapitalismuskritik

Klaus Vater Von Klaus Vater
20. Mai 2019
Eigentum

In Michael Endes Erzählung von „Jim Knopf und Lukas der Lokomotivführer“ kommt ein Riese vor: Tur Tur, heißt er. Er ist ein Scheinriese, denn seine Gestalt schrumpft, je näher ihm der Betrachtende kommt. So  oder wenigstens ähnlich geht es mir beim Blick auf die populäre Kapitalismuskritik.

Aus einer wachsenden Differenz zwischen dem, was reich ist oder als arm gilt, wird geschlossen, da müsste jetzt über die Begrenzung des privaten Eigentums geredet werden. Weiter heißt es, wer sich vorstelle, dass die großen Unternehmen in gesellschaftliches Eigentum überführt werden sollten, auf demokratischem Weg, der habe eine Vision. Es werden historische Entscheidungen, Programme und auch die Moral bemüht (wie kann man etwas gegen Vergesellschaftung haben…?).

Der Verstaatlichung/Kollektivierung liegt die Vorstellung  von stationären Unternehmen, Konzernen, Konglomeraten zugrunde. Die konnten dort „gepackt“ werden, wo sie saßen. Sie wiesen sich durch ihr werthaltiges Anlagevermögen aus. Sie produzierten mit einem in der Regel hohen Eigenfinanzierungsanteil. Sie  nutzten das Potenzial an Menschen aus der Region, in der sie ansässig waren: Krupp und Thyssen und Röchling und die AEG und viele andere mehr. Sie saßen wie unverrückbar an der entscheidenden Stelle der Wertschöpfung und sie zündeten die Phantasie ihrer Kontrahenten wie ein Feuer an. Sie wurden literarisch ausgeleuchtet und damit verewigt – A.J. Cronins immer noch lesenswerter Roman Die Sterne blicken herab ist ein Beispiel. Das Ahlener Programm der CDU ist so ein historisches Dokument. Es lässt sich aber nicht wie ein Schnittmuster über die Gegenwart legen. Sorry. Diese Zeiten sind aber vorbei. Der damalige Philipps- Vorstandsvorsitzende Cor van der Klugt hat in den achtziger Jahren gesagt: am besten sei es, die Produktionsanlagen auf ein Schiff zu schaffen, um mit dem immer dort zu ankern, wo es die günstigsten Möglichkeiten gebe – vor allem die niedrigsten Steuern.

In einer  Wirtschaft, die sich rund um den Globus spannt, gibt es nichts wie früher zu kollektivieren, weil sich Unternehmen nicht festhalten lassen, sondern dahin gehen, wo es für sie am günstigsten ist. Das gilt übrigens  auch für die Finanzwirtschaft, die sich längst von der produzierenden Basis abgelöst hat, und die digitalisiert weltweit die Zinsdifferenzen ebenso antreibt wie sie ihnen nachjagt.

Wer den Globus- umspannenden Kapitalismus auf eine auch dienende Rolle zurückführen will, der muss sich mit den säkularen Dingen wie Steuern und Abgaben befassen. Da liegt ein Schlüssel: Die überall geltende, keine Privilegierung zulassende Besteuerung der Betriebsergebnisse – einschließlich der aus Kapitalanlagen und Kapitalbewegungen ist das Ziel.  Um die geht es.

Das ist ja alles nichts Neues. Was nervt und ärgert, das ist das Wort vom „demokratischen Prozess“ in Verbindung mit Verstaatlichung bzw. Kollektivierung.

Reformistische Parteien wie die SPD haben sich vor vielen Jahren für einen dritten Weg entschieden. Der Weg führte weg von der sogenannten freien Marktwirtschaft zur Bindung derselben. Damit grenzte sich die SPD auch ab von den kommunistischen Parteien, für die Staatswirtschaft und kollektives Eigentum Allheilmittel sind, sich aber nicht als solche erwiesen haben.

Reformistische Parteien wie die SPD haben das demokratische Prinzip in Unternehmen etabliert, indem Mitentscheidung auf  Unternehmensebene Rechtsanspruch wurde. Klar gesagt: In Unternehmen wie BMW oder VW liegt die Entscheidung über den Weg des Unternehmens zu 50 Prozent in den Händen der Belegschaften. Diese wissen, was ist, müssen gefragt werden, bestimmen und entscheiden mit. Das ist ein fortlaufender, mühsamer, mit der Funktion des Co-Managements verbundener,  durch demokratische Wahlen begründeter Prozess:

Die Seite der Beschäftigten hier und die der Eigentümer da sind  denselben Regeln und Verhaltensgeboten unterworfen. Sie sind aufeinander fixiert. Das ist auch der Kern dessen, was demokratischer Sozialismus im wirtschaftlichen Bereich genannt wird. Ich war übrigens immer davon überzeugt, dass die Arbeiter bei VW mehr zu sagen hatten als die Arbeiter der Togliatti- Werke in der UdSSR.

Demokratieprinzip in Wirtschaft und Gesellschaft: Da ist nichts abgeschlossen. Es muss immer wieder überprüft, verbessert und mit neuen Formen von Produktion und Wertschöpfung konfrontiert werden. Hier müssten die großen Debatten geführt werden. Aber leider interessieren sich nur wenige – auch in den Volksparteien – für diese wesensbestimmenden Aspekte. Kaum Wissen, kaum Stolz auf Erreichtes, kaum Arbeiten am immer noch verbesserungsfähigen dritten Weg.

Ich wünsche mir, von den führenden Repräsentanten (und – innen) des demokratischen Sozialismus zu hören: Die Mitbestimmung war und ist die Ergänzung der sozialen Marktwirtschaft. Ohne das eine akzeptieren wir das andere nicht.

Es ist ja auch nicht so, dass wir alle vor Vorstellungen Kevin Kühnerts und  anderer stünden wie Väter vor dem eben Neugeborenen: Ich empfehle allen, die für Kollektivierung schwärmen, sich die Geschichte der Salzgitter AG anzuschauen. Vom Staatsunternehmen mit über 80 000 Beschäftigten auf ein privatwirtschaftliches Unternehmen mit einem  Staatsanteil von 2o Prozent und funktionierender Mitbestimmung – und immerhin noch 25000 Beschäftigten. Wer Unternehmen dieser Größenordnung vom Staat in einer von hartem Wettbewerb geprägten Welt führen lassen will, der muss auch wissen: Verluste gleichen die Steuerzahler aus. In einer Wirtschaftsordnung mit verstaatlichten Schlüssel- Unternehmen wird das in einer Krise so teuer, dass es jeden Haushalt zerfetzt.

Wissen wir heute genau, wie viele Milliarden die Steuerzahler   nach 2008 in staatseigene deutsche Banken haben stecken müssen, weil diese Banken den Wettbewerb nutzen wollten, sich aber haben übertölpeln lassen? Ich vermute daher, dass eigentlich nicht die Eigentumsverhältnisse Kritik auslösen, sondern dass man die Zwänge des Wettbewerbs loswerden will. Dafür habe ich ein gewisses Verständnis. Denn Wettbewerb, wie wir ihn wollen, benötigt Regeln und Sanktionen und eine Grundlage, die den Menschen- und Bürgerrechten sowie dem Schutz von Natur oder Schöpfung nicht widersteht. Kollektivierung hilft hier in der Regel nicht. Denn Staatsbesitz beseitigt die Schattenseiten dieses Wettbewerbs nicht.  Dafür gibt es keinen Beleg. Es helfen nur Regeln, die für alle gelten, die strafbewehrt sind  und die von allen eingehalten werden. Ich bin sowieso davon überzeugt, dass viele Männer und Frauen in den Unternehmensführungen nichts gegen harte Regeln und neue Verhaltensgebote für Unternehmen hätten, wenn diese überall beachtet werden müssten.

p.s. : Michael Endes Geschichte über Jim Knopf und andere, die gilt in den einschlägig politisch korrekten Kreisen mittlerweile als rassistisch und diskriminierend. So geht die Zeit mit einer Geschichte um, die dem dummen Bürgertum einmal einen Spiegel vorhalten wollte. Nichts mehr hat Bestand.

Bildquelle: Pixabay, nattanan23, Pixabay License

 

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Tags: EnteignungGemeinwohlorientierung des EigentumsGrundgesetzIdeologie.DebatteKapitalismuskritikKollektivierungRechtsstaat
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