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Bremen – Die Implosion des „Bamf Skandals“

Klaus Vater Von Klaus Vater
27. September 2019
Bremen

2016 schrieb die Frankfurter Allgemeine Zeitung, Baden- Württembergs Ministerpräsident habe 1100 Jesiden, Frauen und Kinder aus dem Nordirak aufgenommen und an geheim zuhaltenden Orten untergebracht. Jesiden gehören einer Religionsgemeinschaft an, die vom IS verfolgt, gemordet, versklavt wurde, wo immer Jesiden habhaft gemacht werden konnten. Kretschmann forderte zudem den Bund auf, ein Extrakontingent der verfolgten Jesiden aufzunehmen. Das war im November 2016. Jetzt, knapp drei Jahre später berichtet dieselbe Zeitung, die Staatsanwaltschaft in Bremen klage die frühere Leiterin der Bremer Außenstelle des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge. Ulrike B. an, nur noch in knapp 100 Fällen gegen Recht verstoßen zu haben.

In beiden Berichten geht es um Jesiden: Im einen Bericht um deren Schutz und um Heilung, im zweiten Bericht geht es mit Blick auf die fast 100 Fälle meist um Jesiden, die in Bremen um Asyl nachsuchten und auch bekamen. Dazwischen liegt ein politischer und zugleich ein medialer Skandal, der es in sich hat.
Seit 2014 wurden im Irak Jesiden von den IS-Mörderbanden fanatisch verfolgt. Wenn der IS alle Jesiden in die Hände bekommen hätte, dann wären die Männer und die Alten ausgerottet, die Frauen versklavt und die Kinder verkauft worden. Und sage bitte niemand angesichts meiner Wortwahl, so schlimm wird es nicht gewesen sein; es war so schrecklich und schrecklicher noch als es sich in Worte fassen lässt. Jesiden sind nach Auffassung extrem konservativer, zurückgebliebener Muslime keine Menschen sondern irgendwelche Geschöpfe minderen Wertes. In der Folge sind viele jesidische Familien in den Westen und vor allem in die Bundesrepublik geflohen, um hier um Asyl zu bitten beziehungsweise als Kriegsflüchtlinge anerkannt zu werden.

Die erwähnte Ulrike B. hat offenkundig all ihre Möglichkeiten genutzt, um Angehörige der Jesiden zu schützen und das selbst dann, wenn einige sie täuschten. Nun sind aber die Zeiten eines Zuckmayerschen Schusters vorbei, der in einer Verwaltung tricksen und täuschen konnte („Majestät sollen jelacht ham“). Dafür sorgt auch ein Teil der veröffentlichten Meinung.

Das las man in der Berliner Morgenpost am 20. April so: „Bremen ist eine gute Stadt für Flüchtlinge… . Die Außenstelle des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (Bamf) in Bremen steht im Verdacht, Anträge im großen Stil ohne Prüfung genehmigt zu haben – obgleich die Außenstelle nicht zuständig war. Es geht um bis zu 2000 Fälle seit 2013. Die Staatsanwaltschaft ermittelt. Der Vorwurf lautet auf Bestechlichkeit und bandenmäßige Verleitung zur missbräuchlichen Asylantragsstellung. Die Leiterin der Außenstelle wurde suspendiert.“

Bandenmäßige Verleitung: Ganze Busladungen seien nach Bremen geschafft worden; die Außenstellenleiterin sei Lebensgefährtin eines Anwalts gewesen, der mit drin stecke. Sie habe sich – so nahm man an , Essen und Trinken bezahlen lassen und sie könne Übernachtungskosten nicht komplett nachweisen. Natürlich darf da die Wissenschaft nicht fehlen: In einer MoPo- Story vom 24. April 2018 werden Konstanzer Wissenschaftler erwähnt, die von einer „Asyl-Lotterie“ berichteten – Namen der Wissenschaftler, Studientitel, Erscheinungsjahr – Fehlanzeige.

Die Süddeutsche Zeitung informiert die Leserschaft am 24. April 2018 mit dem Satz: „Der Publikumsverkehr in den Bremer Bamf-Räumen muss demnach recht rege gewesen sein.“ Die Zeitung weist wenigstens auf die schreckliche Verfolgung der Jesiden hin. Als „anfällig für Gefälligkeiten“ gelte die bisherige Amtsleiterin in der Szene der Asylsuchenden nicht, schrieb die SZ beruhigend: „Sie könnte sich aber die Lage der Jesiden sehr zu Herzen genommen haben.“ Zu sehr?
Die Tonlage ändert sich, als der Spiegel am 18. Mai 2018 den „Tanzplatz“ betritt. Ulrike B. habe „massenhaft“ die Verfahren von Anwalt C. „vorgezogen“. Statt bis zu eineinhalb Jahre auf ihr Verfahren zu warten, sei den Jesiden, die der Anwalt vertrat, manchmal innerhalb einer Woche der Flüchtlingsstatus zuerkannt worden. Das Magazin stützte sich auf eine Mail eines namentlich nicht genannten „leitenden Beamten“. Der habe auch berichtet, dass „Geld im Spiel“ sei: Der Anwalt kassiere vorab 700 Euro pro Flüchtling und organisiere mittwochs und freitags eine Bustour für Flüchtlinge nach Bremen.“ Die Nebenstellenleiterin habe sich gar zum jesidischen Neujahrsfest einladen lassen. Ob sie das Fest besucht hat, weiß der Spiegel nicht.

Der Weser Kurier berichtete am 27. April, durch die vermuteten jahrelangen Unregelmäßigkeiten in dieser Behörde könnten „schwere Sicherheitsrisiken entstanden sein“. FDP und AfD im Deutschen Bundestag hielten die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses daher für zwingend, war im Tagesspiegel Ende Mai 2018 zu lesen. Und die geschasste Leiterin der Außenstelle sagte Bild: Ihr sei es bei ihrer Arbeit stets darum gegangen, dass Menschen in Not zählten, nicht blanke Zahlen. Daher stehe sie zu allem, was sie getan habe. Die Beamtin betonte, sie habe niemals Geld genommen. Der Vorwurf der Korruption sei daher lächerlich.

Und nun sind es nicht 2000 Fälle oder 1200 wie zwischenzeitlich zu lesen war, es geht um weniger als 100. Am 14. August schrieb Martin Klingst in der Zeit: „Heiße Luft. Es habe in Bremen massenhaft Asylbetrug gegeben, hieß es vor einem Jahr. Nun fallen die Vorwürfe in sich zusammen.“ Das Bundesinnenministerium darf zum Beispiel nicht mehr sagen, nach Untersuchungen der Innenrevision habe das Bremer BamF-Meldezentrum bewusst Recht und Gesetz verletzt. Es sieht tatsächlich so aus, als seien dem BamF-Skandal in der Stadt der Stadtmusikanten Notenblätter und Instrumente abhandengekommen. Wer wem damals etwas gesteckt hat, um eine missliebige Chefin eines Meldezentrum weg zu kriegen, ist nicht klar. Warum manche Medien eingestiegen sind, als ginge es um die Cosa Nostra bleibt ebenfalls verborgen. Bleibt nur zu hoffen, dass die betroffenen Jesiden endlich zu einem normalen Leben finden können.

Bildquelle: Pixabay,  Bild von falco, Pixabay License

 

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Tags: "BamF-Skandal"BamfBremenFlüchtlingeJessidenMigration
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