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DIE AUSGEBREMSTE REPUBLIK – HINDERNISSE FÜR INFRASTRUKTUR-INVESTITIONEN –

Friedhelm Ost Von Friedhelm Ost
16. Oktober 2019
Infrastruktur

Schulen, Universitäten, Rathäuser, Brücken, Wasserleitungen, Abwasserkanäle, Straßen, Bahnhöfe und Bahnstrecken sowie vieles mehr sind in die Jahre gekommen, vielfach marode, einsturzgefährdet oder zum Teil stillgelegt. Stromtrassen und Pumpspeicherwerke, Glasfasernetze sowie andere Infrastrukturprojekte werden ausgebremst und nicht schnell genug ausgebaut. Bauwerke wie der Flughafen Berlin-Brandenburg, die Elbphilharmonie, der Stuttgarter Hauptbahnhof und viele andere Großprojekte ziehen sich bis zur Errichtung und Inbetriebnahme unendlich lang hin und überschreiten in der Regel die anfangs kalkulierten Investitionskosten um zig Milliarden. Jahrzehnte lang galt Deutschland als geradezu beispielhaft, wenn es um die zeitgerechte Realisierung von öffentlichen Großprojekten und um die Einhaltung der Kostenpläne ging. Doch das ist lange vorbei: Regierungen auf allen Ebenen von Kommunen, Ländern und vom Bund verlieren an Reputation und  Vertrauen; bei großen Projekten wird ihnen landauf landab Unfähigkeit angelastet. Dabei schieben sich Politiker und Behörden den schwarzen Peter gegenseitig zu, wenn es um die Verantwortung für die großen Verzögerungen und das Versagen geht.

Investitionsstau von 140 Mrd. €

Eine gute Infrastruktur ist für Deutschland einer der wichtigsten Standortfaktoren. Das fängt mit dem Bildungssektor an, geht über das Verkehrsnetz und reicht bis zur Kommunikation. Auf rund 140 Mrd. € wird inzwischen der Investitionsrückstand bei den Kommunen geschätzt. Straßen, Radwege, Schulen, Verwaltungsgebäude, der Nahverkehr, die Kitas, Schwimmbäder und Sportanlagen sind in den meisten Städten in keinem Bestzustand, sondern vielfach baufällig oder zumindest stark renovierungs- und ausbaubedürftig.

Dabei fehlt es nicht an Geld. Der Bund unterstützt Städte und Gemeinden im Rahmen des Kommunalinvestitionsförderungsgesetzes mit Finanzhilfen zur Förderung finanzschwacher Kommunen mit insgesamt 7 Mrd. €. Davon stehen für die Jahre 2015 bis 2020 rd. 3,5 Mrd. € für ein Infrastrukturprogramm zur Verfügung; weitere 3,5 Mrd. € stehen für den Zeitraum 2017 bis 2022 für die Sanierung, den Umbau und die Erweiterung von Schulgebäuden bereit. Die Länder bewirtschaften diese Bundesmittel in eigener Verantwortung und können sie zur Begleichung fälliger Zahlungen abrufen.

Bis Anfang September diesen Jahres hatten die Bundesländer aus dem Infrastrukturprogramm, also von den 3,5 Mrd. €, gerade einmal 1.680 Mio. € abgerufen und damit weniger als 50 %. Dabei fällt auf, dass nur Baden-Württemberg, Brandenburg und Hamburg 70 % und mehr der Bundesmittel in Anspruch genommen hatten. Nordrhein-Westfalen, dem gut 1,1 Mrd. € zur Verfügung stehen, kam immerhin auf 47,2 %, während Hessen (29,6 %), Schleswig-Holstein (37,1 %) und insbesondere Mecklenburg-Vorpommern (7,6 %) bislang nur zögerlich oder fast gar nicht auf die Hilfen des Bundes zurückgriffen. Da diese Mittel bis Ende 2021 zur Verfügung stehen, ist die Bundesregierung guter Hoffnung, dass sie bis dahin auch ausgeschöpft werden. Gefördert wurden bislang mit diesen Bundeshilfen vor allem der Bildungsbereich, Krankenhäuser, die energetische Sanierung, die Luftreinhaltung, der Städtebau und die Lärmbekämpfung.

Verheddert im Gesetzesdickicht

Die Behörden tun sich bei der Realisierung nahezu aller Projekte sehr schwer. Die Planungen und Genehmigungen sind kompliziert und werden oft genug noch durch Sonderregelungen zusätzlich erschwert. Allein die Bauvorschriften haben sich in den letzten Jahren auf 20.000 vervierfacht, kritisiert der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städte- und Gemeindebundes, Gerd Landsberg. Zwar gilt seit Ende 2018 das neue Planungsbeschleunigungsgesetz, doch bei den Bauprojekten geht es nach wie vor nur schleppend voran. Denn es fehlt überall an Fachkräften – in den kommunalen Bauämtern, bei den Genehmigungsbehörden und Gerichten sowie schließlich bei den Baufirmen.

Vor allem viele jahrelange Prozesse vor den Verwaltungsgerichten, bei denen gegen Stromleitungen, Bahnprojekte, Lärmemissionen von Schulen usw. geklagt wird. Hinzu kommen immer größerer Anforderungen durch das Natur- und Artenschutzrecht. Und auch das Verbandsklagerecht, das Umweltverbände in Anspruch nehmen, wirkt wie eine Superbremse. Experten weisen darauf hin, das es inzwischen kein Großprojekt gibt, gegen das nicht geklagt wird – ganz gleich ob es um Fernstraßen, Schienenwege, Energieleitungen oder Wasserstraßen geht.

Wen wundert es da, dass bereits vor 6 Jahren im Bundesbedarfsplangesetz der Bau von 5.900 km Höchstspannungsstromleitungen für vordringlich erklärt wurde, bislang sind jedoch gerade einmal 600 km genehmigt und nur 300 km realisiert worden. Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier ist um Beschleunigung des Netzausbaus bemüht; ob er damit Erfolg haben wird, bleibt offen.

Bei anderen öffentlichen Infrastrukturprojekten tun sich noch weitere Hindernisse auf: es geht dabei um den seltenen Bärlapp oder um Fledermäuse, um Emissionen und Immissionen, um Natur- und Artenschutz sowie um viele andere Blockaden, die – wenn überhaupt – den Bau von Straßen und Schienen, von Gebäuden und Leitungen sowie Infrastrukturprojekten jahrelang verzögern. Dieser Stillstand in Deutschland wird die dringend notwendigen Investitionen ausbremsen – zum Schaden der Wirtschaft, Umwelt und Gesellschaft. Denn auch Umwelt- und Klimaschutz mit einer deutlichen Reduzierung der CO2-Emissionen wird nur möglich, wenn massiv investiert wird – in bessere Technologien, in neue Produkte und Verfahren, in Verkehrssysteme, Gebäudesanierung und vieles mehr.

Bildquelle: Pixabay, Bild von Pexels, Pixabay License 

 

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Tags: InfrastrukturInvestitionsstauWirtschaftspolitikWirtschaftsstandort Deutschland
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Comments 1

  1. Siegfried Gendries says:
    6 Jahren ago

    Die schon dramatische „Vorschriften-Bremse“ wird durch die sich verschärfende Personalsituation in Planungsbüros und Verwaltungen in Folge des demographischen Wandels und fehlenden Nachwuchses noch weiter verstärkt. Die Digitalisierung wird Zeit brauchen, bis sie dies ausgleichen kann. Solange kann die Infrastruktur nicht warten.

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