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Home Politik

Warum stehen wir uns in der Bundesrepublik ständig selbst im Weg?

Klaus Vater Von Klaus Vater
23. Januar 2020
Wegende

Seit Monaten ist zu lesen und zu hören, dass „die Politik“ entschlossen gegen das drohende Desaster durch Klimaveränderungen vorgehen müsse. So auch jüngst zum Beispiel der Präsident  der deutschen Chemiker- Gesellschaft Professor Dr. Schreiner. Und ich frage mich: Welche Politik und welche politisch Verantwortlichen sind da gemeint?

Meint man die Politik der Bundesumweltministerin Schulze, die der Bundeskanzlerin Merkel, des Präsidenten Trump, des Präsidenten Putin, von Chinas Staatspräsident Xi Jinping, oder die Präsident Bolsonaros, Präsident Erdogans, von MP Laschet oder MP Söder? Meint man die Regierungen der liberalen, repräsentativen Demokratien oder hat man die gut 50 Prozent autoritär regierten Länder und deren Beherrscher im Sinn?

Welcher Sinn verbirgt sich hinter der Aufforderung eines deutschen Chemie-Professors, die so streut, dass alle gemeint sind – also auch der chinesische Staatschef? Meint man im Chemie- Ordinariat, in Peking laufe nun ein Parteisekretär eilends zum Boss, um dem zu sagen: Es wird ernst, Genosse Chef!  Die deutschen Chemiker fordern eine Umkehr!

Halten wir uns in Germany eigentlich für den Nabel der Welt, für eine Art geistiger Super- Macht ?

Ist´s zu viel verlangt, wenn ich frage: Wer und was genau sind gemeint? Was genau meinte die Aktivistin Lisa Neubauer, wenn sie sagte: „Die Art und Weise, wie die Regierung unseren Freiheitsraum terrorisiert, ist nicht mehr zu ertragen.“  Beschreibt sie da so etwas wie das Widerstandsrecht der Bürgerinnen und Bürger? Wird Widerstand Pflicht, weil Kohleabbau und Kohle-Verstromung erst in 18 Jahren vielleicht in 15 Jahren  Vergangenheit sein werden? Was soll mit den Kohle-Kraftwerken in Polen geschehen, deren Strom Deutschland eventuell benötigt, weil die regenerative Stromerzeugung im Krisenfall nicht reicht?

Einsicht in die Notwendigkeit,  Natur und Leben besser zu schützen, ist weit verbreitet. Aber warum lehnt eine Aktivistin es ab, in den Aufsichtsrat von Siemens zu gelangen? Das sei ein PR- Gag, heißt es. Warum nimmt man die Siemens- Verantwortlichen  nicht beim Wort, schaut sich an, wie´s im Aufsichtsgremium eines solchen Konzerns läuft? Was Frau da bewegen kann. Der Siemens-Aufsichtsrat ist doch kein Politbüro unter Josef Stalin! Ich habe die prompte Absage der „deutschen Greta“ (so war über sie zu lesen), nicht begriffen. Entweder traut man sich zu, dort Frau oder Mann zu stehen oder man traut sich nicht.

Der Blackrock- Vorstand Larry Fink schrieb dieser Tage: “Der Klimawandel ist für die langfristigen Aussichten von Unternehmen zu einem entscheidenden Faktor geworden…..das Bewusstsein ändert sich rasant, und ich bin überzeugt, dass wir vor einer fundamentalen Umgestaltung der Finanzwelt stehen.“ Warum nimmt man ihn nicht beim Wort? Stattdessen ist zu hören: Is ja eh nur´n Trick. Kann ja gar nicht sein. Wir entwickeln das Suchen nach einem „Haar in der Suppe“ in Deutschland zu einer Kunstform.

Warum stehen wir uns in der Bundesrepublik ständig selbst im Weg? Wenige Stunden nach dem Ausgang der Berliner Libyen-Konferenz sitzen die Experten zur gewohnten ARD-Sendezeit da, um von wenigen Ausnahmen abgesehen auf dem Bundesaußenminister herum zu hacken: So geht’s nicht, Wenig gebracht. Noch keine Lösung. Im Kern: Ihr könnt es nicht.

Mir imponieren übrigens die beiden jungen Indonesierinnen Melati und Isabel Wijsen mit ihrem erfolgreichen Kampf gegen die Plastiktüten- Plage auf Bali eher als die deutschen Besserwisser.  

Wir sehen uns zudem ständig in Opferrollen. Man will wieder etwas von uns. Lasst uns in Ruhe. Fliegt die Bundeskanzlerin nach Ankara – schmust sie mit Erdogan. Schließt die Verträge, begibt sie sich in dessen Hand. Droht Erdogan, heißt es: die Regierung hat nichts auf der Pfanne. Matthias Lohre hat dazu einen lesenswerten Text in der TAZ geschrieben: „Die neue Lust am Leiden.“

Tut sich sonst noch etwas in unserem Land? Die Bundesrepublik steigt aus dem Abbau von Kohlevorräten sowie aus der Stromerzeugung aus Braun- und Steinkohle sowie aus der Kernspaltung in Deutschland aus. Ein notwendiges und historisch einmaliges  Unterfangen.

Natürlich mäkeln Verbände und angesagte Persönlichkeiten daran herum. 40 Milliarden € plus Folgekosten in den Sozialversicherungen sind keine Kleinigkeit. Den einen zu viel, den anderen zu wenig. Wir groß werden Kosten für die Steuerzahlenden sein, wenn wir richtig anfangen,  die Energiefresser zu bremsen: Die Massentierhaltung, eine stärkere Beschränkung des landwirtschaftlichen Anbaus; die sich irrsinnig drehende Bekleidungswirtschaft, die jedes Jahr Milliarden und Milliarden Teile absetzt, deren Stoff erzeugt, gefärbt, bedruckt, zugeschnitten, genäht, transportiert, verteilt und verkauft werden; Beschränkung des Individual- Verkehrs und des Massentourismus: allein fünf Millionen Deutsche 2019 auf Mallorca. Und so weiter.

Andere erzählen die Geschichte, liberale Gesellschaften wie der Bundesrepublik  mit einer repräsentativen Demokratie seien kaum in der Lage, einschneidende Änderungen durchzusetzen. Wolfgang Wiedlich hat jüngst im Bonner General-Anzeiger ähnliches „moduliert“. Offenbar ist in Vergessenheit geraten, dass das deutsche Parlament im Anschluss an die Verkündung der deutschen Einheit ein Bündel „Beschleunigungsgesetze beschlossen hatte, die raumplanerisch, für Planung und Investitionen und anderes mehr Bürgerbeteiligung und Einsprüche weitgehend suspendierte. Ist nicht mal 20 Jahre her – und schon vergessen. Natürlich kann eine Demokratie, wenn es notwendig ist.

Was geschieht sonst noch? 

Das World Economic Forum will anstoßen, dass 1000 Milliarden Bäume gepflanzt werden. Dessen Gründer Klaus Schwab und die Schar der Mitstreiterinnen und Mitstreiter trauen sich etwas. Die wissen, was sie wollen.

In einer Schlüsselrolle befinden sich die Verwalter und Treuhänder der riesigen Vermögen, die nach Anlage und Zinsen suchen. Stecken sie Geld weiterhin in die Suche nach fossiler Energie und deren Nutzung? Oder haben sie angefangen, ihre Gelder umzulenken? 

Was geschieht in den riesigen öffentlichen, staatlichen Haushalten? Ist da ein Umlenken auf den Verzicht und die Reduzierung fossiler Ressourcen festzustellen? Die Europäische Union mobilisiert Mittel für das Umlenken während der nächsten Dekade. Was natürlich auch bekrittelt wird – das sei ja in Wirklichkeit kein „frisches Geld“ für Klima, sondern ein Umwidmen von bereits bereit gestellten Mitteln auf neue Ziele, weiß die schlaue Neue Zürcher Zeitung aus Brüssel zu berichten. Na so was.

Das ruft einen weiteren Punkt auf: Das Umlenken von Entstehung  und Verwendung der Wirtschaftsleistungen in Ländern wie der Bundesrepublik hin auf Klima- unschädliche Ziele ist ein gewaltiger, sich ausdehnender Prozess, ein lernender Prozess. Das Verständnis für solche Prozesse und deren Bedingungen ist bei uns offenbar völlig unterentwickelt.        

Was zur Frage führt: Um was geht´s denn eigentlich? Es geht darum, zwischen

  • den Ländern und Völkern, die im Schnitt weniger haben als wir hier und
  • der Masse der Menschen auf der anderen Seite

eine Art Ausgleich hin zu kriegen. Wir müssen abgeben, damit die anderen mehr haben können. Dieses „mehr haben können“, das soll mit möglichst wenig fossiler Energie bewirkt werden. Was bedeutet, dass das Verbrauchs-Niveau insgesamt abgesenkt werden muss. Eigentlich nicht schwierig  zu verstehen. Dazu benötigen wir alle, die zu finden sind (früher sagte man: die guten Willens sind). Daher hat es keinen Sinn, zuerst Leute auf die Nase zu hauen (denn die terrorisieren ja angeblich unseren Freiheitsraum), um  anschließend zu fordern: Mach mal.

Bildquelle: Pixabay, Bild von Niek Verlaan, Pixabay License

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Tags: HandlungszwängeKlimawandelOpferrollePolitikPolitikwechselProtestRegierungshandelnVerantwortung
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