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Home Politik

Biden sticht in See – Felsenriffe voraus!

Jochen Luhmann Von Jochen Luhmann
19. Januar 2021
Schiff

Am Mittwoch, den 20. Januar 2021, um 12 Uhr mittags, beginnt die Amtszeit des 46. Präsidenten der USA. Sein Name ist Joe Biden. Am 20. November, also nach seinem Wahlsieg am 3. November, ist er 78 Jahre alt geworden. Das Alter spielt in diesem Falle eine Rolle.

Das US-Wahlsystem ist fürchterlich dysfunktional. Dazu gehört der beinahe pausenlose Wahlkampf. Senat und Repräsentantenhaus werden alle zwei Jahre (teilweise) erneuert. Vor der Wahl selbst gibt es die Primaries, die Bestimmung der Kandidaten, ebenfalls in einem breit angelegten öffentlichen Wahlverfahren. Der offizielle Wahlkampf beginnt deshalb immer etwa ein Jahr vor einer Wahl.

Das Mandat eines US-Präsidenten währt vier Jahre. In drei Jahren, vor Beginn des Jahres 2024, muss klar sein, wer unter den Demokraten für die Periode 2025 bis 2029 antreten will. Im nächsten Wahljahr wird Biden 82 Jahre alt. Ich halte es für ausgeschlossen, dass er eine zweite Amtszeit will – wenn denn seine Gesundheit ihm überhaupt erlaubt, volle vier Jahre durchzustehen. So oder so wird seine Amtszeit somit geprägt sein von dem Versuch, den Amtsbonus für eine „Wiederwahl“ auf seine Vizepräsidentin Kamala Harris abzuleiten. Das ist eine völlig neue Konstellation für die Partei der Demokraten in den USA. Es hat diesmal eine Kandidatin einen Amtsbonus, die für einen Flügel steht – was für die Kandidatur als Vize ok ist. Doch eben deshalb hätte sie im Normalverfahren kaum Chancen auf Nominierung. Dies wird zu Zerreißproben innerhalb dieser Partei führen.

Die Historikerin Hedwig Richter hat die Andauer der Dysfunktionalität des US-Wahlsystems so auf den Punkt gebracht:

„.die Verfassung <der USA> ist ein Relikt aus der Sklavenhaltergesellschaft. … Sie ist in einem Ausmaß dysfunktional, das für Verfassungen moderner Demokratien tatsächlich einmalig sein dürfte.“

Soll heißen: Wenn diese Verfassung auf den Prüfstand der OSZE-Prinzipien gestellt würde – und die USA sind da immerhin Mitglied –, dann würde sie krachend durchfallen. Die nationale Hybris der USA, ihr Auserwähltheitsglaube, der sich in einer Jerusalem-Analogie manifestiert, zementiert eine Unfähigkeit zu Reformen. Der am 6. Januar gestürmte „Capitol Hill“, dieser Ort „auf dem Hügel“, ist für die „Wiege der Demokratie“ das, was die entsprechenden Berge in Jerusalem und in Rom für die jeweis darauf ausgerichteten Denominationen sind.

Es gibt bei uns in Deutschland eine Tendenz, den Präsidenten der USA als tendenziell allmächtig anzusehen. Er ist es aber nicht. Er ist zwar nach außen, als Oberbefehlshaber der US-Streitkräfte, militärisch kurzfristig fast allmächtig. Nach innen aber hat ein jeder Präsident es sehr schwer, seine Vorstellungen in der Legislative durchzubringen. Entscheidend für die Nachhaltigkeit der Politik einer US-Regierung ist deswegen die Situation im Kongress. Hat ein Präsident dort keine Chance auf Mehrheiten, dann kann er lediglich mit „Executive Orders“ (EO) regieren – die aber kann sein Nachfolger mit einem Federstrich am ersten Tag seiner Regentschaft jeweils wieder zunichte machen. So wird es auch Biden halten mit den 209 EO seines Vorgängers. Zudem wird in den ersten Tagen viel Personal ausgekehrt werden.

Entscheidend für eine (nachhaltige) Politik eines Präsidenten nach innen ist die Möglichkeit bzw. Fähigkeit, im Kongress zu Entscheidungen zu kommen – und das geht, der Quora wegen, nur qua parteiübergreifenden Kompromissen. Mehrheit reicht nicht. Der neu ins Amt kommende Präsident verfügt über diese Fähigkeit zweifelsfrei, er verfügt schließlich über in Jahrzehnten gewachsene Netzwerke bis hin zu Parteigrenzen überschreitende Freundschaften – exakt darin ist er allen anderen Kandidaten, die zur Wahl standen, haushoch überlegen gewesen.

Die Frage ist nur: Wird Biden über diese Möglichkeit auch verfügen können? Ob das Pfund, mit dem er wuchern konnte, noch besteht, das ist nicht von ihm abhängig sondern vom weiteren Verlauf des Spaltungsdramas der Republikanischen Partei (GOP), dessen Zuschauer wir gerade sind. Das Impeachment-Verfahren, welches die Demokraten auf dem Kapitol eingeleitet haben, dient offenkundig nicht der Entfernung des Präsidenten Trump aus dem Amt – das geht von alleine, durch Zeitablauf, am 20. Januar. Nein, es ist eine Vorlage an diejenigen Kräfte innerhalb der GOP, die die Person Trump innerparteilich aus dem Rennen nehmen wollen. Bei einem Erfolg des Verfahrens, und nach höchstrichterlicher Bestätigung, dürfte spätestens gegen Ende 2022 klar sein, ob Trump noch einmal antreten kann. Doch im GOP-internen Kampf sind ihm damit beileibe nicht alle Karten genommen, um sein enormes Wähler-Potential einzubringen. Es bleiben die Karten Geld und Gewalt. Damit vermag er Gestalten auf den Schirm zu heben, die ihm devot zu Füßen liegen.

Der Weg in die Gewalt im Sieg über das Recht ist von der US-Geschichte quasi vorgezeichnet. Lynching gab es noch nach dem Zweiten Weltkrieg, Oligarchen spielen mit der Politik, und der vielfach strukturelle Rassismus ist eine Geißel des Landes. Unter dem letzten republikanischen Präsidenten hatte Amerika offiziell wieder die Folter eingeführt.

Wenn die Analogien korrekt sind, die erfahrene Faschismus-Forscher nach dem 6. Januar 2021 öffentlich gezogen haben, dann war der Umsturzversuch, den der amtierende Präsident nach seiner Wahlniederlage unternommen hat, das Äquivalent zu dem, was in Deutschland mit dem Bürgerbraukeller-Putsch am 8. November 1923 versucht wurde. Gescheitert an strategischer Kurzsichtigkeit und organisatorischem Laientum. Hitler hat sich daraufhin vom Organisator und Ideengeber, Röhm, unabhängig gemacht – hat einen zweiten Versuch, nun legalistisch gefärbt, unternommen und es geschafft. Die Fragen, die sich für die USA stellen, sind: (a) Wenn Trump in der Analogie Röhm war, wer wird dann Hitler in den USA sein? Jemand aus seiner Familie? Bzw. Ted Cruz oder Josh Hawley? (b) Wann wird es soweit sein, dass der zweite, besser kalkulierte Anlauf unternommen wird? Was ist x in 6. Januar 202x?

Außenpolitisch ist wenig zweifelhaft, was laufen wird. Es wird vollzogen, was parteiübergreifender Konsens im Kongress ist. Es soll gegen China gehen. Handelspolitisch und militärisch. Dazu braucht es Verbündete. Die ostasiatischen Verbündeten sind als erste gefragt, aber auch die Europäer. Die werden sich alsbald vor das Junktim gestellt finden: Wenn Ihr uns in der NATO (gegen Russland) halten wollt, dann müsst Ihr mit gen China ziehen! EU-Europa wird das aus Staatsraison zubilligen, weil es sonst zerbricht.

Strategisch klug wäre es für die USA, auch Russland als Bundesgenossen gegen China zu gewinnen – dann wäre die Notwendigkeit des NATO-Erhalts auch entspannter zu sehen. Doch diese Klugheit ist auf dem Capitol Hill gegenwärtig nicht darstellbar. Das muss nicht von Dauer sein. Die Russland-Feindschaft stammt auf GOP-Seite von dem Bedürfnis nach einem Feindbild – da aber wird China nun eintreten, Russland wird substituiert. Die Demokraten aber haben dieses Feindbild kürzlich erst entdeckt, erst nachdem klar geworden war, dass mit Trump ein verkappter russischer Agent die Macht im Weißen Haus übernommen hatte. Die können so schnell nicht davon wieder lassen.

Die Einbindung in der neuen Bi-Polarität gegen China wird wirtschaftliche Konsequenzen haben, gerade für Deutschland. China wird Retorsionsmaßnahmen ergreifen, und die werden zuvörderst Deutschland treffen. Das alles wird in Berlin gesehen. Außenminister und Verteidigungsministerin vertreten bereits aktiv das eh Unvermeidliche – die deutsche Marine wird, so die Planung für 2022, ihr größtes Kriegsschiff, die „Hamburg“, in die Südchinesische See entsenden. Nur ob dann bereits wegen eines deutschen Flottenstützpunktes auf Guam schon verhandelt wird, ist noch offen. Doch noch halten die Dämme, weil die Kanzlerin dagegen hält. Doch die ist  ein Auslaufmodell. Nach ihrem Abgang brechen die Dämme.

Bildquelle: Pixabay, Bild von NatureFriend, Pixabay License

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Tags: Donald Trump. TrumpismusIntrenationale PorlitikJoe BidenPräsidentUS-PräsidentUSAUSA-ChinaUSA-DeutschlandUSA-EU
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