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Putin lässt Millionen Menschen vertreiben – Europa muss es gemeinsam lösen

Alfons Pieper Von Alfons Pieper
29. März 2022
Friedenstaube und Regenbogenflagge

Mit  8 bis zehn Millionen Geflüchteten als Folge des Krieges, den Russlands Putin gegen die Ukraine führt, rechnen sogenannte Experten. Vorerst sind es „nur“ Frauen und Kinder, die Richtung Westen fliehen, Männer im Alter zwischen 18 und 60 Jahren müssen im Land bleiben, sie werden als Soldaten gebraucht im Kampf David gegen Goliath. Die Hilfsbereitschaft, so ist zu hören, sei überall groß. Menschen hießen die Flüchtlinge hier im Land willkommen, manche öffneten sogar die Türen ihrer Häuser und Wohnungen, um den Menschen in Not ein Dach über dem Kopf zu bieten. Die meisten Ukrainerinnen sind ja fast Hals über Kopf geflohen, sie haben lediglich ein paar Anziehsachen dabei, den einen oder anderen Koffer mit Sachen gefüllt mitgenommen auf die weite Reise ins Ungewisse, ein paar Spielsachen für die Kinder. Sie haben ihr Leben gerettet, das ist viel, aber viel mehr ist es oft auch nicht. Sie haben ihre Heimat zurückgelassen, ihr Haus, ihre Möbel, ihre Andenken, Flucht ist ja kein Vergnügen.

Geflüchtete sind Menschen, die vor der Not geflohen sind, aus Angst vor den Bomben und Raketen der Russen. Die Aggressoren machen ja keinen Unterschied, wenn sie ihre Geschosse abfeuern. Sie schießen Wohnhäuser in Brand, Kindergärten, Krankenhäuser. Ich kann die Meldungen schon nicht mehr hören, dass es rechtswidrig sei oder wie sie das nennen. Es ist menschenverachtend wie jeder Krieg. Krieg  achtet doch nicht auf Menschenrechte, immer wurden und werden auch viele Zivilisten getötet, Frauen, Kinder, Greise, wurden und werden Wohngebiete in Schutt und Asche gelegt. Immer gab und gibt es Tote und Verletzte und Vertriebene, Geflüchtete, denen oft nichts anderes übrig bleibt, ins nächste Auto zu steigen, in den Zug, wenn einer fährt, um ihr Leben zu retten. Notfalls machen sie sich auch zu Fuß auf den Weg. Man denke an die Vertriebenen aus Ostpreußen.

Flucht und Vertreibung

Beim Thema Flucht und Vertreibung wird gern das deutsche Beispiel nach 1945 erwähnt, als mehr als 12 oder waren es 14 Millionen Heimatvertriebene mittellos im Westen landeten und untergebracht werden mussten. Das war nicht einfach, weil viele Städte hier völlig zerbombt waren, die Häuser kaputt, die Menschen im Westen hatten selber nicht viel. Und man muss ehrlicherweise zugeben, dass dieses Riesenproblem nur gelöst werden konnte, weil die Integration der Flüchtlinge, der Vertriebenen eine politische Gemeinschaftsaufgabe war, der sich alle stellten. Da waren sich Union, SPD und FDP einig. Die Einheimischen waren nicht begeistert über den Zuzug von Menschen aus dem Osten, um es höflich zu formulieren, die Flüchtlinge wurden teils unfreundlich empfangen, ihnen begegnete Neid und Missgunst, weil sie Hilfen des Staates bekamen. Sie lasen Plakate, auf denen sie aufgefordert wurden, doch weiterzuziehen, da man selber nichts habe. Später hat sich das gelegt.  

Wir kennen die Berichte über Flucht aus Afrika, dem Irak, dem Jemen, aus den Ländern, wo gerade Krieg geführt wird. Wir kennen die Bilder von diesen Geflüchteten, die in Booten übers Mittelmeer nach Europa wollten und dann kenterten uind absoffen. Wir haben Bilder von toten Kindern am Strand gesehen, angespülte Leichen. Wir kennen die Bilder aus den Lagern, in denen sie dürftig untergebracht und versorgt wurden. Sie hatten überlebt. Ich erinnere mich, als Norbert Blüm, dieser wirklich soziale Christenmensch, in ein Flüchtlingslager reiste, damit über die Not und das Elend dieser Menschen berichtet wurde, damit mehr getan wurde für die Menschen.

Merkels „Wir schaffen das“

Wir kennen die Berichte, als 2015 Hunderttausende vor den deutschen Grenzen standen und die damalige Kanzlerin Angela Merkel kurzzeitig nach einem Gespräch mit ihrem österreichischen Amtskollegen entschied, die Menschen aufzunehmen. Berühmt wurde ihr Satz: „Wir schaffen das.“ Aber ich vergesse auch nicht, wie heftig sie von ihren sogenannten Christenfreunden der CSU dafür kritisiert wurde. Dabei war Merkels Verhalten ein  Akt der Menschenwürde, der Barmherzigkeit, der Nächstenliebe, wie man es kennt aus der christlichen Lehre. Ich habe mich damals gefragt, was Merkel denn hätte tun sollen angesichts der vielen Flüchtlinge? Hätte sie die Bundespolizei aufmarschieren lassen sollen? Mit entsicherter MP die Menschen drüben lassen auf der anderen Seite der Grenze? Die Bilder hätte ich sehen mögen jund die weltweiten Proteste hören über die unmenschliche deutsche Kanzlerin. Und ich vergesse auch nicht, wie eine Debatte ausbrach über den Missbrauch des Asylrechts, oder wie man das nennen will. Ich hörte Sätze, die ich zum Kotzen fand: Es wurde gewarnt, dass Ausländer in deutsche soziale Sicherungssysteme einwanderten. Das war eine menschliche Kälte, die sich da entwickelte und die einem Angst machen konnte. Wie schön war da doch der Satz: Wir schaffen das. Zugegeben, mit großer Mühe, viel Geld, mit Übergangsheimen und was weiß ich. Und leider konnte davon die Rechtsaußen-Partei AfD profitieren, eine Partei, die vom Ausländerhass lebt, von ihren Parolen gegen Fremde. Widerlich.

Wir reden über die Verteilung von Geflüchteten in Europa, darüber, wie man am besten alle 27 Staaten des Abendlandes, das sich gelegentlich für seine Werte rühmt, an der Lösung des Problems beteiligt, wie man die Millionen Geflüchteten verteilt auf Länder im Süden, im Westen, im Osten. Die Polen haben jetzt schon Millionen aufgenommen. Toll. Gut, sie sind Nachbarn der Ukraine, aber sie beweisen ihr offenes Herz für Menschen in Not. Europa muss das Problem lösen, das Putin, dieser Kriegsverbrecher, uns allen aufgehalst hat. Man geht wohl nicht zu weit, dass dieser häßliche Imperator mit seinem Größenwahn von vornherein einkalkuliert hat, dass vor seinen Panzern, Flugzeugen und Soldaten Millionen Einheimische fliehen. Man darf annehmen, dass er dies so gewollt hat, weil er weiß, dass Millionen Ukrainer ihn nicht wollen. Das mit der Bruderschaft war früher, heute sehen sie in ihm ihren größten Feind, der ihr Land zerstört, ihre Häuser zerbombt, alles kaputt macht, wie er es einst in Grosny(Tschetschenien) gemacht hat oder im syrischen Aleppo.

Trauma des Kriegs

Man kann nur hoffen, dass die freundliche Stimmung, die den Geflüchteten entgegengebracht wird, die Hilfsbereitschaft, die sie erfahren, anhält. Wir müssen sie nicht nur unterbringen, medizinisch versorgen, ihnen zu essen geben, sie brauchen, wenn sie länger hierbleiben, wofür manches spricht, Arbeit, ihre Kinder müssen in die Schule, wir müssen alles dafür tun, dass sie hier leben können wie zivilisierte Menschen. Es wird nicht immer einfach, es wird zu Zumutungen kommen, weil nicht alles auf einmal klappt. Aber packen wir mit an, da wo es nötig ist, und helfen ihnen, dass sie das Trauma des Kriegs, den Putin ihnen aufgezwungen hat, vergessen können.

Es ist die größte Flüchtlingsbewegung seit dem 2.Weltkrieg. Wie 2015 könnte der Moment von Rechtspopulisten ausgenutzt werden. Auch andere Gefahren lauern, Kriminelle aller Art versuchen, aus der Not der Mitmenschen ihr Geschäft zu machen. Es kann auch sein, dass Putin den üblen Gedanken hegt, Europa mit Millionen Geflüchteten zu destabilisieren. Und der Zustrom aus Afrika wird gewiss nicht aufhören, schon in diesem Sommer wird mit einer neuen Welle gerechnet. Wir müssen das schaffen, die Europäische Union muss es gemeinsam packen. Solidarität, wie sie gerade im Kampf gegen Putins Großmachtwahnsinn die Ukraine erfährt, aber auch die Staaten entlang der Ost-Grenze wie Litauen, Lettland, Estland, Polen, Rumänien, Bulgarien, Ungarn und wer weiß, welches Land noch von Putin bedroht werden kann, diese Solidarität muss europaweit geübt werden. Europa muss zeigen, dass es eine Wertegemeinschaft ist, die sich verteidigt gegen die Putins dieser Welt, denen unser Leben in Freiheit ein Dorn im Auge ist. Die Freiheit und Demokratie fürchten, weil Freiheit und Demokratie stärker sind als jede Art von Diktatur.

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Tags: EU und FüchtlingeFlüchtlingeFlüchtlingskriseUkraineUkraine-Krieg
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