Die Einsicht hätte der CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer schon viel früher kommen müssen, dass sie Parteivorsitz nun wirklich nicht kann. Zu oft hatte sie es in den wenigen Monaten ihrer Amtszeit bewiesen, hatte Pannen an Pannen, Führungsversagen an Führungsversagen gereiht. Dass sie jetzt in der Thüringen-Krise aufgibt, ist nur konsequent, hat aber einen üblen Beigeschmack: Die AfD wird sich auch den angekündigten Rücktritt der AKK auf ihre Fahnen schreiben. Denn er steht in unmittelbarem Zusammenhang mit dem Polit-Chaos, das die Rechtsausleger-Partei des Faschisten Björn Höcke zynisch und mit kalter Berechnung inszeniert hatte. Doppel-Erfolg der AfD: Sie hat unser demokratisches System mit Destruktion zumindest auf Zeit diskreditiert und darf sich derzeit als wirkmächtigste Partei in Deutschland fühlen. Und jetzt liegt für die Beobachter des Spektakels von Erfurt und Berlin die Frage in der Luft: Erleben wir gerade den Anfang vom Ende der zweiten großen Volkspartei, wie der frühere SPD-Chef Siegmar Gabriel bereits unkte ?
Es darf spekuliert werden, wer nächster Vorsitzender (die Wette gilt: es wird ein Mann) der CDU wird. Friedrich Merz, der mit unnachahmlichem Zeitgefühl just in diesen Wochen seinen höchstdotierten Job in der freien Wirtschaft aufgegeben hat, um sich wieder stärker in die Partei einzubringen; der ebenfalls sehr ehrgeizige Jens Spahn, der schon seit langem durch eine geradezu frappierende Geräuschlosigkeit und fleißige Arbeit als Minister ein Höchstmaß an Solidität zeigt oder der joviale und immer betont fröhliche Armin Laschet, der nie so wirkt, als wolle er unbedingt.
Mit dem Rückzug von AKK wird ein vorzeitiges Ende der Großen Koalition sehr wahrscheinlich. Denn wer von den derzeit drei aussichtsreichsten Kandidaten am Ende das Rennen macht, keiner von ihnen dürfte sich darauf einlassen, unter oder neben der schier übermächtigen Kanzlerin Angela Merkel zu agieren. Jeder muss auf baldige Neuwahlen im Bund drängen. Nach dem Debakel von Erfurt kann man jetzt nicht auch noch in Berlin weiter auf Verschleiß fahren.
Die Aufgabe, die auf den Neuen zukommt, ist geradezu maßlos groß und schwer: Eine CDU zu einen, deren tiefe Zerrissenheit mit dem Thüringen-Debakel überdeutlich sichtbar geworden ist. Da gibt es starke Kräfte wie die ominöse Werteunion, die sich kaum noch verholen eine Zusammenarbeit mit der AfD vorstellen können; Leute, die den verkappten Sozialdemokraten Bodo Ramelow von den Linken für viel schlimmer halten als Björn Höcke, den man laut Gerichtsurteil straflos einen Faschisten nennen darf. Und auf der anderen Seite so besonnene Politiker wie den Kieler Ministerpräsidenten Daniel Günther, der die Distanz seiner CDU zur Höcke-AfD für deutlich größer erachtet als den Abstand zur Linken. Diese weit auseinander liegenden Flügel könnten die CDU zerreißen.
Frommer Wunsch aber trotzdem bittere Notwendigkeit: Die CDU müsste endlich ihren unseligen und unsäglichen Parteitagsbeschluss kassieren, der jegliche Zusammenarbeit mit den Linken genauso verbietet wie ein Zusammengehen mit der AfD. Denn nur wegen dieser geradezu perfiden Gleichsetzung und der daraus resultierenden Verweigerung der CDU in Erfurt konnte es im Landtag keine Mehrheit für den Linken Bodo Ramelow geben. Absehbar ist, dass bei den nächsten Wahlen im Bund und in den Ländern ähnlich unübersichtliche Wahlergebnisse rauskommen. Dann muss sich die CDU fragen, ob sie unsere Demokratie nochmal und nochmal dermaßen überstrapazieren will wie unlängst und immer noch in Thüringen. Irgendwann ist dann unser doch so gutes System kaputt.
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'AKK gibt auf – die schwere Krise bleibt' hat einen Kommentar
12. Februar 2020 @ 12:49 Christ343
Die Politik sollte gemischt christlich-konservativ, rechtskonservativ und ökologisch sein. Mehr dazu auf meiner Internetseite (bitte auf meinen Nick-Namen klicken).