Die strengen Maßnahmen, die schmerzhaften Einschränkungen, die Disziplin fast eines gesamten Volkes – das alles hat gegriffen: Deutschland ist bislang in der Corona-Krise besser davongekommen als Italien, Spanien, die USA und andere Länder. Jetzt wird über Lockerungen nachgedacht. Geschäftsleute, Wirtschaftsvertreter, Sportfunktionäre, und auch einzelne Politiker, machen Druck, das Leben so weit wie möglich zu normalisieren. Und auch die Kirchen drängeln.
Dabei ist die Gefahr nicht annähernd gebannt. Ginge man zu weit mit den Lockerungen und ließe die lobenswerte Disziplin der Bürger nach, dann könnte die Corona-Infektionskurve wieder ganz schnell so steil nach oben zeigen, dass ein zweiter Lockdown unvermeidlich wird. Und der dürfte nach Expertenmeinung deutlich schärfer und schlimmer werden als der Erste.
So warnte Wirtschaftsminister Peter Altmeier zu Recht vor Übermut oder Leichtsinn: „Wir dürfen nicht durcheinanderlaufen wie ein Hühnerhafen.“ Und man solle sich bloß nicht gegenseitig „mit Lockerungen überbieten“.
Das mühsam Erreichte steht auf dem Spiel, und es könnte ganz schnell auch auf der Kippe stehen. Niemand kann genau sagen, wie weit man gehen darf, welche Erleichterungen verantwortbar sind. Unzweifelhaft ist: Je mehr sich Bürger und Wirtschaft auch künftig einschränken, je mehr wir alle zusammen auf vieles von dem verzichten, was noch vor kurzem normal war, umso eher ist der Kampf gegen das Virus zu gewinnen – dauerhaft zu gewinnen.
Hier könnten die christlichen Kirchen mit jener Autorität, die sie vielleicht noch haben, ein positives Beispiel geben, könnten Vorbilder sein. Sie sollten nicht fordern, dass die Gotteshäuser unbedingt wieder geöffnet werden müssten. Vielmehr sollten sie mit demonstrativem Verzicht das Bewusstsein vermitteln: Die Lage bleibt außergewöhnlich, sie bleibt ernst. Von Normalität mit normalen Gottesdiensten sind wir noch weit entfernt. Wir bleiben allesamt gefordert. Wir müssen weiterhin wachsam und sehr vorsichtig sein.
Die Kirchen waren über Ostern geschlossen, Gottesdienste waren wegen der Ansteckungsgefahr verboten. Das christliche Abendland, so es denn überhaupt noch christlich genannt werden kann, ist aber nicht untergegangen. Und jeder Kirchenvertreter, der jetzt allzu laut die Öffnung der Gotteshäuser verlangt, möge sich fragen, für wieviel Prozent oder Promille der Gesellschaft er spricht. Wenn ich an einem normalen Sonntag in meine Hamburger Kirche gehe, verlieren sich mit mir fast immer dieselben 35 bis höchstens 50 Gläubigen im großen Kirchenschiff. Wenn überhaupt, dann leidet also nur eine verschwindende Minderheit unter einem Kirchen-Lockdown. Andererseits könnte man diese Wenigen so weit auseinander setzen, dass jede Infektionsgefahr gebannt wäre. Nur darum geht es nicht. Es geht um eine Demonstration, es geht um ein Zeichen, einen Beitrag, um mitzuhelfen, die Einsicht der Allgemeinheit in das Notwendige wachzuhalten.
Seitdem die Kirchen in Deutschland geschlossen sind, haben unzählige Gemeinden unglaublich viel Kreativität gezeigt, um in Kontakt zu den Gläubigen zu bleiben. Sie haben Video-Gottesdienste ins Internet gestellt und haben andere Formen des Miteinander auch in räumlicher Distanz entwickelt. Angebote an Einsame und Kranke wurden und werden gemacht. Plötzlich zeigt die Kirche eine Vitalität, die manche ihr gar nicht mehr zugetraut hatten. Und da ist sicher noch mehr drin.
Christliche Hardliner aber sehen in den Kirchen-Schließungen die Glaubensfreiheit bedroht. Der frömmelnde Populist Peter Hahne findet es „pervers“ wenn Supermärkte offen, Kirchen aber verrammelt sind. Es mag ja stimmen, dass die christliche Botschaft für viele zur Grundversorgung gehört und der Mensch „nicht vom Brot allein lebt“. Ich für meinen Teil kann aber auch als gläubiger Christ eine lange Zeit ohne Gottesdienstbesuch überleben, jedoch nicht ohne Brot, Butter und all das, was ich im Supermarkt kaufen kann.
Schon vor Wochen hatte der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland, Heinrich Bedford-Strohm, die Schließung der Kirchen wegen der Corona-Pandemie nachdrücklich gerechtfertigt. Es gehe darum, Leben zu retten. „Das ist aus meiner Sicht eine Konsequenz des Doppelgebotes der Liebe: Gott lieben und den Nächsten lieben.“ Und an den halte ich mich.
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Möglicherweise passiert so viel oder so wenig wie mit den Maßnahmen.
Angeblich gibt es in Schweden keine Maßnahmen. Da sieht es laut dieser Seite gerade so aus: https://ncov2019.live/data/europe
Nun gut, die Grundrechte werden gerade massiv ausgehöhlt und der größte Teil der Deutschen findet das wohl gut. Na dann: auf ein neues.