Das Wetter passt zur politischen Lage in Deutschland, es stürmt, schüttet, es blitzt. Sturmtief „Sabine“ fegt über die Republik und lässt führende CDU-Politiker ins Wanken geraten. Dem Erdbeben von Thüringen folgte jetzt die Rückzugsankündigung von Annegret Kramp-Karrenbauer vom Amt der CDU-Vorsitzenden und einer möglichen Kanzlerkandidatur, Worte, die wie eine Bombe einschlugen. Die CDU sei in der Spur der SPD, kopflos, zerstritten, raunten erfahrene Christdemokraten in Sorge um die Zukunft der letzten Volkspartei, ja auch um die Zukunft der Republik. Und wer soll AKK folgen, wer soll auf den Chef-Stuhl der CDU, der ja oft genug mit dem mächtigsten Amt des Landes verbunden war? Konrad Adenauer, Helmut Kohl, Angela Merkel, sie alle Regierungschefs mit langen Laufzeiten. Und jetzt ein Bild des Chaos.
Viele Blicke richten sich auf Armin Laschet, Ministerpräsident von NRW und Vorsitzender des größten CDU-Landesverbandes. Er müsste sein Zaudern und Zögern aufgeben und zumindest nach der Macht im Adenauer-Haus in Berlin greifen, die ihm dann keiner streitig machen würde. Die Frage der Kanzler-Kandidatur der Union könne noch etwas warten, aber wenn Laschet mit dem nötigen Machtanspruch den Parteivorsitz übernehme, komme das nächste Amt fast wie von selbst auf ihn zu. So kann es kommen, so hört man aus CDU-Kreisen, die einer Kandidatur eines Friedirch Merz eher distanziert gegenüberstehen. Aber wenn Laschet nach Berlin geht, wer folgt ihm in Düsseldorf?
Elmar Brok komplett fassungslos
Selbst CDU-Veteranen wie Elmar Brok, seit Jahrzehnten führendes Mitglied der Union und eine Kenner der Partei, schüttelte ob der neuen Entwicklung nur den Kopf: „Ich bin komplett fassungslos.“ Mit dem angekündigten Rücktritt von AKK von der CDU-Spitze würden Menschen wie Mike Mohring und Parteien wie die AfD zu Siegern gemacht, die keine Sieger sein dürften. Recht hat er, der Ostwestfale. Natürlich ist der Zeitpunkt schlecht gewählt, aber andererseits hatte AKK mächtig an Reputation verloren. Was sie auch angepackt oder angekündigt hatte, auch als Verteidigungsministerin, war nicht durchdacht. Und ihre Rolle beim Chaos-Theater von Erfurt war eher glücklos, ihre Forderungen als CDU-Chefin an den Landesverband blieben ohne Wirkung. Mike Mohring, der CDU-Landesvorsitzende und einer der Hauptverantworlichen bei der Wahl des FDP-Mannes Kemmerich zum Ministerpräsidenten mit den Stimmen der rechtsradikalen AfD, ließ sich nicht von Berlin beeindrucken. Dass Mohring dabei in die Nähe der AfD und ihres Landeschefs Höcke geriet, eines Mannes, den man einen Faschisten nennen darf, schien diesen nicht zu treffen. Dass damit die ganze CDU blamiert wurde, auch nicht.
Die AfD als Königsmacher, welch gruselige Vorstellung 75 Jahre nach der Befreiung des KZ Auschwitz durch die Rote Armee, die Bilder von der Veranstaltung im polnischen Städtchen Oswiecim habe ich noch vor Augen. Gerade haben wir 70 Jahre Grundgesetz gefeiert und beteuert, womit es beginnt: die Würde des Menschen ist unantastbar. Gerade hat Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier Yad Vaschem besucht, hat die deutsche Verantwortung für das jüdische Volk betont, hat sich für die Verbrechen der Nazis an den Juden entschuldigt, gerade trat Israels Präsident in Berlin auf, das verhinderte Massaker in der Synagoge von Halle ist vielen noch im Gedächtnis, all die Diskussionen, die der Bundespräsident angeregt hat mit seinen Mahnungen, die Demokratie sei kein Selbstläufer, sie brauche Demokraten, die sie täglich verteidigten. und dann wird einer wie Höcke, der das Holocaust-Mahnmal von Berlin als Schande bezeichnet hat, zum Königsmacher von Erfurt. Ich sehe noch die feixenden Gesichter der AfD-Spitze.
AKK habe zu wenig Rückhalt gehabt als Parteichefin, ihre Rolle als Teil-Nachfolgerin von Angela Merkel, die Kanzlerin blieb und die sie zwang, ins Kabinett einzutreten, was sie ursprünglich nicht wollte, hat ihrem Ruf zusätzlich geschadet. Das Profil der CDU zu schärfen nach all den Jahren unter Merkel, gelang ihr nicht, vielleicht traute sie sich auch nicht. Dass AKK sich noch auf dem letzten Parteitag der CDU Luft verschaffte, indem sie ihre Gegner in ihrer Rede aufforderte, die Führungsfrage noch während des Kongresses der Partei zu stellen- also hier und jetzt-, hat ihr nicht viel geholfen. Die Fragen, ob sie es denn überhaupt könne und nicht überfordert sei, blieben. Und auch einer wie Friedrich Merz, den sie in einer früheren Abstimmung besiegt hatte, verschwand nicht aus der Führungs-Diskussion der Union. Dabei scheint es keine Rolle zu spielen, dass Merz sich einst freiwillig aus der Politik verabschiedet und auf einen Machtkampf mit Merkel verzichtet,, ja sich aus dem Staub gemacht hatte. Und dieser Merz kommentiert seitdem die Politik der Union, von Merkel und AKK von der Seitenlinie aus, man kann auch sagen aus dem warmen Wohnzimmer. Als „grottenschlecht“ hat er diese Politik kritisiert, die wenigsten nahmen Merkel oder AKK in Schutz, kaum einer hat Merz dafür in die Schranken gewiesen.
Ungeklärte Haltung der CDU zur Linkspartei
AKK gelang es auch nicht, die Frage der Äquidistanz der Union zur Linken wie zur AfD zu klären. Es blieb bei einer scharfen Abgrenzung zu beiden Rändern, nach Rechts wie nach Links, was aber der Union nicht weiter geholfen hat. Einer wie Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Daniel Günther hat diese Haltung kritisiert und erklärt, die Linke sei nicht so schlimm wie die AfD; was aber vom Generalsekretär der CDU, Paul Ziemiak sofort korrigiert wurde: Das Bollwerk gegen Rechts und Links müsse stehen. Unterstützt wird diese Meinung von der Werte-Union und anderen in der CDU, die mit einer Annäherung der Christdemokraten zur AfD liebäugeln. Der Riss in dieser Frage geht mitten durch die CDU, vor allem im Osten der Republik sind diese Unterschiede deutlich geworden. Wo Armin Laschet in dieser Frage steht, ist nicht geklärt. Eine Fernseh-Kommentatorin hatte letzte Woche eine Linie gezeigt, die denkbar wäre. Ramelow sei kein Kommunist, Höcke aber ein Faschist. Was ich von Armin Laschet in dieser Frage mal vernommen habe, war ein Zitat des Reichspräsidenten Wirth(Zentrum), der nach dem Attentat auf Außenminister Walther Rathenau gesagt hatte: „Der Feind steht rechts.“
Armin Laschet hat sich in der Diskussion über die Führung der CDU und seine mögliche Kanzlerkandidatur stets zurückgehalten. Andere wie der SPD-Altkanzler Gerhard Schröder haben sich hierzu geäußert. In einem Doppel-Interview der Rheinischen Post mit Laschet sagte Schröder: „Ich würde ein gutes Abendessen in diesem schönen Restaurant darauf verwetten, dass die CDU am Ende auf ihn zukommen wird.“ Gefragt nach der Eignung von AKK für höchste Ämter hielt sich der 75jährige Schröder bedeckt, fügte aber hinzu: „Dass Armin Laschet als Ministerpräsident einen guten Job macht, ist offensichtlich, und natürlich ist der nordrhein-westfälische Regierungschef immer auch ein potentieller Kanzlerkandidat.“
Auch wenn Laschet in dem Interview dieser Frage auswich und betonte, über die Kanzlerschaft „werden wir entscheiden, wenn der Zeitpunkt da ist“, ist Laschet, wenn er denn will, der Favorit der CDU für dieses Amt. Der Christdemokrat aus Aachen, Sohn eines Bergmanns, verheiratet, Vater von drei Kindern, Jurist, kann mit der FDP, was er gerade als Regierungschef in Düsseldorf beweist. Er war aber auch einer der Strippenzieher der jungen CDU- und Grünen-Politiker, die in den Bonner Regierungsjahren im italienischen Restaurant „Sassella“ in Bonn-Kessenich bei Pasta e Vino die sogenannte „Pizza Connection“ schufen.
Er verlor gegen Röttgen und bezwang Frau Kraft
Später, nach der Niederlage von Jürgen Rüttgers bei der NRW-Landtagswahl 2010 gegen Hannelore Kraft, verlor Laschet das Rennen um die Nachfolge von Rüttgers gegen Norbert Röttgen, der aber bei der nächsten Landtagswahl 2012 gegen Kraft das Nachsehen hatte und dann von Kanzlerin Angela Merkel als Umweltminister aus dem Kabinett „verabschiedet“ wurde. Bei der Landtagswahl 2017 trat Laschet, der sich immer wieder Vorwürfe gefallen lassen musste, er sei zu lasch, er kämpfe nicht, er könne nicht auf den Tisch hauen, gegen Hannelore Kraft an. Und der Oppositionsführer gewann die Wahl ziemlich überraschend, was ihm viele nicht zugetraut hatten.
Seitdem hat er an Einfluss auch in der Bundespolitik gewonnen, er zeigt sich immer wieder an der Seite von Angela Merkel, die er schätzt. Laschet ist beliebt in der CDU, er gilt als verbindlich. Höchstes Lob hörte ich nach seiner Wahl zum NRW-Ministerpräsidenten aus dem Munde eines früheren SPD-Ministers: „Ich kann meine Parteifreunde nur warnen, Armin Laschet zu unterschätzen. Im Grunde ist er wie Johannes Rau, nur katholisch.“ Und Rau war 20 Jahre Ministerpräsident, gegen Helmut Kohl verlor er zwar als Kanzlerkandidat der SPD, wurde aber 1999 zum Bundespräsidenten gewählt. Da war er 68 Jahre alt. Armin Laschet wird nächste Woche 59.
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