Die Stippvisite von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) in Washington wirft die Frage nach der persönlichen Sympathie als politischem Faktor auf. Rational betrachtet sollte es für die bilateralen Beziehungen zwischen zwei Ländern nicht von alles entscheidender Bedeutung sein, ob die Chemie zwischen den Regierungschefs stimmt. Doch bei Gastgeber Donald Trump ist politische Vernunft nicht der Maßstab.
Der US-Präsident zelebriert Arroganz und Herablassung geradezu, schreckt vor Demütigungsgesten ebensowenig zurück wie vor Beleidigungen. In Mimik und Gestik lässt er Geringschätzung eines Gegenübers vor laufenden Kameras demonstrativ heraushängen. Ein Rüpel im menschlichen Umgang, ein unangenehmer Zeitgenosse, mit dem nicht gut Kirschen essen ist.
Frankreichs Präsident Emmanuel Macron hat Trump mit einer Charmeoffensive umgarnt. Der dreitägige Staatsbesuch des Franzosen hat viele freundliche Bilder produziert. Die beiden Staatschefs pflanzten gemeinsam einen Baum in Erinnerung an den Ersten Weltkrieg, sie schüttelten sich die Hände, klopften sich auf die Schultern, scherzten und lachten. Zum Abschied sprach Macron vor dem Kongress, ließ dabei alle honigsüße Schmeichelei beiseite und trat seine Heimreise mit leeren Händen an.
Bei aller zur Schau gestellten Freundlichkeit machte Trump keine Zugeständnisse, weder beim Atomabkommen mit dem Iran, noch bei den angedrohten Strafzöllen auf Produkte aus der Europäischen Union, auch nicht beim Klimaschutzabkommen von Paris. Die deutsch-nationale Aufgeregtheit, Frankreich laufe Deutschland in den transatlantischen Beziehungen den Rang ab, entbehrt jeder Grundlage.
Macron ist Trump schon deshalb sympathisch, weil die französisch-amerikanische Handelsbilanz ausgeglichen ist, weil Frankreichs Verteidigungsausgaben dem Zwei-Prozent-Ziel der NATO entsprechen und weil Paris bei den jüngsten Militärschlägen gegen Syrien mitzog. Angela Merkel ist für den Amerika-zuerst-Prediger im Weißen Haus ein schwerer Brocken. Die deutsche Regierungschefin repräsentiert eine Wirtschaft, die kräftig exportiert und Trump ein Dorn im Auge ist. Zugleich hat die Ankündigung massiver Einkäufe für die Bundeswehr gerade erst bei der US-Rüstungsindustrie neue Begehrlichkeiten geweckt, und Trump ist aufs Geschäftemachen seiner Wirtschaft fixiert.
Nett oder fies ist jedenfalls nicht das Maß im Umgang zwischen Trump und seinen Gästen. Entscheidend ist, dass sich die Europäer nicht auseinanderdividieren lassen. Der US-Präsident droht mit einem Handelskrieg und drängt auf bilaterale Abmachungen mit einzelnen Ländern, nicht aber mit der Europäischen Union als Ganzes. Dabei gäbe es nur einen Gewinner. Macron und Merkel, die sich anschicken, die EU gemeinsam zu reformieren und aus ihrer tiefsten Krise zu führen, wissen das.
Bildquelle: YouTube The White House via Wikipedia, gemeinfrei