Das vorweg: Ich bin Schalke-Fan, das war mein Vater schon, mein Bruder ist es auch. Was nicht heißt, dass ich Mitglied bin bei S04, eine Dauer-Karte habe ich auch nicht und es ist Jahre her, dass ich im Stadion in Gelsenkirchen war. Anders als der normale Fan habe ich auch nichts gegen Borussia Dortmund einzuwenden, kann sogar darauf hinweisen, dass eine meiner Töchter die Schwarz-Gelben vom Borsigplatz mehr schätzt als die Blauweißen. Und ich gebe auch zu, dass man als Fan von Schalke Nehmerqualitäten haben muss. Was die einem schon alles zugemutet haben?! Ich nenne als schlimmstes Beispiel den Betrug Anfang der 70er Jahre, das verkaufte Spiel gegen Bielefeld, die Sperre einiger Schalker Nationalspieler, die Sache mit dem Meineid. Aber jetzt muss ich gestehen, ist für mich der Pott, wie es im Revier heißt, übergelaufen. Die rassistischen Äußerungen des Aufsichtsratschefs Clemens Tönnies, die diesem ja nicht einfach so herausgerutscht sein können. Nein, da steckt eine Einstellung dahinter. Das geht gar nicht, Herr Tönnies. Sie müssen gehen. Gehen Sie und kümmern sich um ihre Fleisch-Fabrik in Ostwestfalen. Dann leisten Sie Schalke einen letzten Dienst.
Wer es nicht mitbekommen hat, den Skandal, den Tönnies produziert hat, für den sei es nochmal aufgeschrieben: In einer Rede vor Unternehmern empfahl der Aufsichtsratschef von Schalke die Finanzierung von Kraftwerken in Afrika und sagte wörtlich: „Dann würden die Afrikaner aufhören, Bäume zu fällen, und sie hören auf, wenn´s dunkel wird, Kinder zu produzieren.“ Dass er dafür noch Beifall bekommen hat von den anderen Gästen, spricht gegen die Gäste. Sie sollten sich schämen. Wie Clemens Tönnies sich schämen müsste. Eine Entgleisung sondersgleichen, so rasstistisch hatte man den Milliardär auf dem Schalker Chefsessel noch nie gehört. Fußball als Teil der Integration? So lauten die Sonntagspredigten, andere schwadronieren von Respekt, Solidarität. Fußball könne zu einer besseren Welt beitragen, das findet man unter der Adresse von Herrn Joseph Blatter, dem einstigen mächtigen Fifa-Boss aus der Schweiz. Und der konnte es verbal noch stärker: Fußball sei mehr als eine Religion, mehr als alle Religionen zusammen. Klar, Herr Blatter konnte mit Fußball Geld verdienen, die Fifa auch, da kann eine Religion nicht mithalten. Und Religionen wissen auch, wie man an das Geld der Kunden kommt.
Zurück zu Schalke und Tönnies. Der so geannnte Schalker Ehrenrat hat sich mit dem Fall befasst und siehe da, er hat ein salomonisches Urteil gesprochen: Clemens Tönnies wird für drei Monate sein Amt als Aufsichtsratschef von S04 ruhen lassen. Toll. Ganz großes juristisches Wort, das übrigens der Angeklagte selber vorgeschlagen habe, las ich. Wie wunderbar. Dann kann ja alles so bleiben. Wer weiß denn, ob Schalke ohne Tönnies finanziell überhaupt über die Runden käme? Tönnies soll das ganze Sponsoring-System des Gelsenkirchner Klubs ausgetüftelt und eingefädelt haben, einschließlich der Millionen von Gazprom. Na, dann ist ja alles gut. Dass Mitglieder des Ehrenrats vielleicht nicht so ganz unabhängig geurteilt haben könnten, weil sie mit Tönnies früher Geschäfte gemacht haben, Schwamm drüber. Wer wird denn so kleinlich sein?! Immerhin soll Tönnies auch schon in seine Privatschatulle gegriffen haben, um den Klub aus einer finanziellen Klammheit zu befreien. Jawohl, non olet. Geld stinkt nicht. Und das mit den Afrikanern soll man auch besser schnell vergessen, oder? Hatte da jemand Rücktritt gefordert? Aus der Politik, aus dem Sport? Die haben ja keine Ahnung, wissen gerade mal, dass der Ball rund ist, aber ansonsten.
Wenn Itaker keine Beleidigung ist..
Wie hatte Uli Hoeneß, der mächtige Bayern-Präsident, kritische Mitglieder mal angefahren: Sie wüssten nicht, was die Führung des besten und größten deutschen Fußball-Vereins alles unternähme, damit die Fans die billigen Karten fürs Stadion bekämen. Toll, der Uli, was der alles für seine Fans tut?! Mir san mir, das ist der Ton des Herrn Hoeneß, der aber nicht verhindern konnte vor Jahr und Tag, dass die Staatsanwaltschaft gegen ihn wegen des Verdachts der Steuerhinterzieheung ermittelte, er wurde verurteilt, saß im Gefängnis. Und als er wieder auf freiem fuß war, war er wieder Präsident. Ein vorbestrafter zwar, aber einer, der alles für seinen Verein getan hat. Und dann müssen eben mal alle Mittel recht sein. Oder? Wer wird denn kleinlich sein und nachtreten?
Jetzt zum nächsten Kapitel: zwei ehemalige Spieler des BVB, Norbert Dickel, der Stadionsprecher der Schwarz-Gelben, und Patrick Owomoyela, ehemaliger Nationalspieler, haben Ende Juli ein Testspiel des BVB gegen Undinese Calcio im Vereins-TV kommentiert und dabei so richtig den rechten Stammtisch bedient. Mehrmals fiel der Begrifff „Itaker“ aus dem Mund des einstigen Torjägers Dickel, der gern beim Italiener speist, wie Hans Leyendecker in seiner kritischen Kolumne in der SZ schreibt. Und Dickel fügte in der Sendung an: „Itaker ist ja auch keine Beleidigung.“ Und sein Kollege Owomoyela machte in der Kommentierung den Tonfall von Adolf Hitler nach. Nun kann man nachfragen, wie die beiden denn darauf gekommen sind? Warum Itaker? Freundlich ist das nicht, ich jedenfalls würde italienische Freunde nicht so ansprechen. Und warum hat der Owomoyela den Hitler im Tonfall nachgemacht? Die waren doch nicht betrunken, oder?
Sie wollten witzig sein und griffen voll daneben. Dumm, idiotisch, einiges fällt mir dazu ein. Der BVB hat beiden die gelbe Karte gezeigt, davon gesprochen, dass das deplatziert gewesen sei. Donnerwetter, so hart gehen die mit ihren Leuten um. Und beide haben wohl versprochen, das nicht wieder zu tun. Das kenne ich aus der Kindheit, wo man feierlich versprechen musste, das oder das nicht zu wiederzuholen. Aber ganz im Ernst, die erwähnten Ex-Kicker sind dem Kindesalter längst entfleucht. Sie sind im besten Mannesalter. Man sollte ihnen das Mikrophon entziehen. Und zwar für immer. Dickel und Owomoyela sind ja nicht irgendwer, Nationalspieler der eine, der andere Stadionsprecher. Sonst könnten sich andere politische Kräfte ermutigt fühlen. In Dortmund ist der braune Rand ohnehin ziemlich breit.
Fremdenfeindlichkeit kommt im Fußball leider immer wieder vor. Man frage den früheren Schalker Gerald Spieler Asamoah, er stammt aus Ghana. Und ihm ist es bei Auswärtsspielen passiert, dass man ihn mit Affenlauten versuchte zu beschimpfen. Ich vergesse auch nicht, dass es zu Zeiten des Nationaltorwarts Oliver Kahn beinahe in jedem Stadion üblich war, Bananen in den Strafraum des Bayern-Torwarts zu werfen und ihn mit Affenlauten zu reizen. Warum da nie einer eingegriffen hat? Auch nicht in Schalke. Bananen sind doch zum Essen da. Und Kahn war über Jahre einer der besten Torhüter der Welt.
Der braune Rand beim Fußball
Fußball und der braune Rand. Das gab es immer mal wieder. Man denke an den DFB-Präsidenten Hermann Neuberger, der einen fragwürdigen Umgangsstil mit Diktatoren pflegte. So wurde der einstige Nazi-Flieger-Oberst Hans-Ulrich Rudel
während der WM in Argentinien 1978 ins deutsche WM-Quartier eingeladen. Der Besuch des bekennenden Nationalsozialisten, der sich nach dem Krieg nach Südamerika verzogen hatte und somit einer Verurteilung in Deutschland entkam, löste zwar in der Öffentlichkeit Empörung aus, die Neuberger jedoch mit dem Satz konterte: die Kritik am Empfang Rudels käme „einer Beleidigung aller deutschen Soldaten gleich.“ Schon ein Jahr vor dem Turnier kam es nach dem Willen Neubergers zu einem Freundschaftsspiel der Deutschen mit den Argentiniern. Neuberger störte sich nicht daran, dass die damals in Argentinien herrschende, oder besser wütende Junta unter Diktator Jorge Rafael Videla Tausende von Menschen umgebracht hatte und auch die deutsche Studentin Elisabeth Käsemann verschleppen und ermorden ließ. Das Spiel zwischen Argentinien und Deutschland fand trotz allem statt, kein Wort von Boykott. Stattdessen wurde die Meldung über den Tod der Studentin unter Verschluss gehalten. Dabei half Neuberger der junta-freundliche deutsche Botschafter. Bleibt noch zu erwähnen, dass Neuberger als Organisationschef bei der WM in Argentinien agierte, kein Wort zu den Menschenrechtsverletzungen durch die Junta kam von seinen Lippen. Vielmehr lobte der Deutsche den Diktator Videla als „Taube“ und bestritt, dass es im südamerikanischen Staat eine Diktatur gab. Die vielen Toten störten den harmonischen Verlauf der WM im Lande nicht. Übrigens hielt sich Neuberger im Amt des DFP-Präsidenten bis zu seinem Tod im Jahre 1992.
Ob es Clemens Tönnies auch so lange im Amt des Aufsichtsratschefs von Schalke 04 hält? Ob er mit Pfiffen begrüßt wird, wenn er im Stadion erscheint? Ob er sich weiter mit Rücktrittsforderungen herumschlagen muss? Ich wünschte, er würde freiwillig gehen. Die Entschuldigung, die er pflichtgemäß abgegeben hat, reicht vorn und hinten nicht aus. Denn er hat die Afrikaner beleidigt, die, die hier spielen, und die, die nicht hier spielen, sondern irgendwo in Afrika leben. Er hat sie beleidigt, ohne Not. Und er hat dabei vergessen, dass er in der Verantwortung steht, in Schalke wie in seinem Fleisch-Imperium, wo sicherlich auch Menschen mit Migrations-Hintergrund beschäftigt sind. Tönnies hat in der Führung des Vereins Schalke 04 versagt. Das ist ein Armutszeugnis. Ein Klub, der einen Namen hat und der viele Spieler aus vielen Nationen der Welt beschäftigt, kann sich das nicht leisten.
So lange Tönnies Aufsichtsratschef von Schalke bleibt, bin ich kein Fan des Vereins mehr.
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