Längst ist die Union nicht mehr die starke Volkspartei. Die Zeiten, in denen es die CDU und CSU gemeinsam auf über 40 % der Wählerstimmen brachten und mit einem kleinen Koalitionspartner eine stabile Bundesregierung mit verlässlicher Mehrheit im Parlament brachten, sind endgültig vorbei.
Vor einem Ende der Volksparteien?
Deutschland war fast 7 Jahrzehnte ein Hort politischer Stabilität, innenpolitisch stark, außenpolitisch verlässlich. Nun wird unsere Republik mehr und mehr von einer gefährlichen politischen Labilität geprägt. Die SPD erreicht in aktuellen Umfragen gerade rund 15 %. Trotz mehrfachen Wechsels in der Parteispitze ist keine Verbesserung für die Sozialdemokraten in Sicht. Selbst der Sieg in Hamburg ging mit kräftigen Verlusten an Wählerstimmen einher. Vieles deutet darauf hin, dass die CDU vom gleichen Virus befallen ist und der SPD mit etwas Zeitverzögerung folgt. Bei den jüngsten Landtagswahlen wurde dieser Trend überdeutlich: Die Stimmverluste sind mehr als dramatisch – in Brandenburg, Thüringen und zuletzt in Hamburg. Die CDU wird zwischen den Grünen und der AfD zerrieben, exakt so wie zuvor die SPD zwischen den Linken und den Grünen.
Das Scheitern der AKK
Den gefährlichen Abwärtstrend konnte Angela Merkel schon seit langem nicht stoppen. Als Regierungschefin suchte sie den kleinsten gemeinsamen Nenner mit dem sozialdemokratischen Koalitionspartner. Als Parteivorsitzende dankte sie viel zu spät ab, nämlich zu einem Zeitpunkt, da das Profil der CDU endgültig abgeschliffen und stumpf war. Politisch führten gravierende Fehlentscheidungen wie zum Beispiel in der Migrations- oder Energiepolitik, Regional- und Agrarpolitik zu Verdruss, Frust und Wählerverlusten. Die Nachfolgerin, Annegret Kramp-Karrenbauer, konnte die Wende zum Besseren einfach nicht schaffen und gab frühzeitig auf. Sie war einfach nicht in der Lage, die zentrifugalen Kräfte der CDU wieder zu einen. Zudem fehlte es ihr an der notwendigen Autorität in den eigenen Reihen, an Überzeugungs- und Durchschlagskraft. Mit der Übernahme des Verteidigungsressorts erhielt sie ein Danäergechenk, durch das ihr Parteienengagement belastet wurde. Ihr eher hölzern wirkender Generalsekretär ist intellektuell, strategisch und taktisch um Lichtjahre von Vorgängern wie etwa Biedenkopf und Geißler entfernt. Mit Twittern, Simsen und Bloggen allein konnte er eine Volkspartei nicht begeistern, zumal seine politischen Statements kaum ein CDU-Mitglied vom Sessel rissen.
Das respektable CDU-Trio
Nun soll alles besser werden. Die drei Kandidaten, die sich um die AKK-Nachfolge bewerben, sind respektable Persönlichkeiten mit unterschiedlichen Profilen. Die CDU-Mitglieder dürften mit diesen Kandidaten zufrieden sein. Nicht wenigen wird es schwer fallen zu entscheiden, wer denn aus diesem Trio fähig sein wird, die CDU aus dem aktuellen Dilemma herauszuführen und sie wieder zu einer starken Volkspartei zu formen. Für einen Neuanfang steht gewiss Norbert Röttgen. Er ist aus der Jungen Union heraus in den Bundestag mit einem starken Direktmandat gelangt, war Bundesminister für Umwelt, nahm seine Ablösung durch Angela Merkel klaglos hin und profilierte sich als kundiger Außenpolitiker. Sein innerparteiliches Netzwerk ist jedoch begrenzt, zumal er auf viele Unionschristen eher kühl, arrogant bis hochnäsig wirkt.
Friedrich Merz kann auf eine eindrucksvolle Karriere in der Politik und Wirtschaft verweisen. In schwierigen Zeiten übernahm er den Vorsitz der CDU/CSU-Bundestagsfraktion vor rund 20 Jahren. Als damaliger Oppositionsredner kämpfte er zwar mit rhetorischer Brillianz gegen den Kanzler Gerhard Schröder, doch politische Erfolge blieben ihm versagt. Nach der Bundestagswahl 2002 hatte er im Wettbewerb um den Fraktionsvorsitz nicht mehr den Mut, gegen Angela Merkel, damals bereits CDU-Bundesvorsitzende, anzutreten. Nach seiner Politpause war der kluge Jurist Merz ein gefragter Mann in einigen Unternehmen. Seine wirtschaftlichen Erfolge – insbesondere bei Blackrock – sind beachtlich. Die wichtigsten Hilfstruppen des Sauerländers sind vor allem der CDU-Wirtschaftsrat und die CDU-Mittelstandsvereinigung, die ihm vor allem zutrauen, die Union wieder auf einen klaren Zukunftskurs in der Europa- und Wirtschaftspolitik zu bringen. Keiner der anderen Bewerber verfügt über so gute Kenntnisse bei den Themen Digitalisierung, Künstliche Intelligenz und Roboterisierung, die für Millionen Arbeitnehmer und die meisten Unternehmen in den nächsten Jahren existenziell sein werden. Allerdings wirkt Friedrich Merz auf viele CDU-Mitglieder recht kühl, wenig empathisch und ein wenig abgehoben.
Laschet in der Favoriten-Rolle
Dagegen bringt Armin Laschet viele Fähigkeiten mit, um die CDU wieder zu einen und zu befrieden. Vor gut zwei Jahren hat der Mann aus Aachen aus der Position des Herausforderers das Amt des Ministerpräsidenten in dem größten Bundesland Nordrhein-Westfalen errungen und das schier unmöglich Erscheinende möglich gemacht. Keiner seiner Konkurrenten strahlt so viel Wärme und Vertrauen, Zuneigung und Mitgefühl aus, um nicht nur Parteimitglieder, sondern auch Wähler aus allen Schichten der Bevölkerung für sich zu gewinnen. Sein Prinzip ähnelt dem von Johannes Rau: Versöhnen statt spalten. Seine Erfahrungen in politischen Ämtern sind inzwischen wesentlich größer als die von Röttgen und Merz. Ihm wird insbesondere zugetraut, eines der schwierigsten Probleme unseres Landes, nämlich die Integration, zu lösen. Er verfügt inzwischen auch über eine hohe Autorität, um ohne autoritäres Gehabe die CDU wirklich zu führen. Dass er zudem Jens Spahn für sich einnehmen konnte, ist ohne Zweifel ein dicker Pluspunkt für seine Bewerbung um die Parteiführung. Es ist gut, dass die CDU die Personalfrage per Ende April entscheiden wird. Doch die größte Herausforderung wird sein, so schnell wie möglich die programmatischen Schwerpunkte festzulegen. Ohne klare Kursbestimmung und Orientierung würde auch der beste Kapitän das CDU-Schiff auf ein Riff steuern. Das wäre dann das Aus für diese Volkspartei.
Bildquelle: Pixabay, Bild von Myriam Zilles, Pixabay License
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