Die SPD steht nicht für irgendeinen Sozialismus. Sie vertritt den demokratischen Sozialismus. Das Adjektiv demokratisch steht nicht von ungefähr vor dem Wort Sozialismus. In diesem Wort liegt – auch ein Vermächtnis des Peter Glotz -, dass die Mitglieder der SPD die Finger von allem lassen, was Bürgerrechte und Garantie derselben einengen oder beschädigen könnte. In Kühnerts „Vision“ ist zumindest offen, ob die Bürgerrechte noch unbeschädigt bleiben, wenn in einer Weise in Eigentum und Verfügung eingegriffen wird, wie das dem Juso- Bundesvorsitzenden offenkundig vorschwebt. Ich glaube, dass das ohne Verletzung der Rechte, die uns allen zustehen, nicht geht.
Lege ich mich beim demokratischen Sozialismus nicht fest, sondern plädiere für irgendeinen Sozialismus, dann sitze ich ob ich will oder nicht mit den Maduros und anderen in einem Boot; das ist der Preis dafür, dass ich ein allgemeines Gelabber über den Sozialismus mittrage.
Ebenso wenig wie es den Sozialismus gibt, gibt es den Kapitalismus. Es gibt den Kapitalismus nach Art der VW AG mit einem Staatsanteil gegen den nichts unternommen werden kann, ergänzt durch eine exzellente Unternehmensmitbestimmung. Es gibt den Heuschrecken-Kapitalismus, der vorrangig an Rendite und Ausschüttung und Beseitigung von Konkurrenz interessiert ist. Es gibt den teils rigiden Verteilungskapitalismus, gegen den auch das Recht auf Betriebsräte durchgesetzt werden muss; den Kapitalismus der Mittelständler mit einer phänomenalen Marktnische und ordentlichen Betriebsräten, den der Handwerker oder auch der Startups. Es gibt Reste genossenschaftlichen Kapitalismus, der freilich durch Missmanagement ihrer Eigentümer (neue Heimat etc.) in Verruf gebracht worden ist. Und bei all dem sollte nicht in Vergessenheit geraten, dass der pure Staatsbesitz den Kapitalismus nicht erträglicher macht. Es ist abgeschmackt, in diesem Zusammenhang auf die DDR zu verweisen, denn wir haben und hatten im Westen genug zweifelhafte oder zumindest widersprüchliche Erfahrungen mit Staatsunternehmen.
Entscheidend war immer der Wille der „Fortschrittler“ und darunter vor allem der demokratischen Sozialisten, zu wissen, was geschieht, sich Gehör zu verschaffen, Mitbestimmung und Mitentscheidung durchzusetzen, Rechte zu schaffen und im Parlament sozialen Fortschritt voran zu bringen. Matthöfer oder Helmut Rohde oder „Lem“ Dröscher oder Heinz Kühn wäre nicht im Traum eingefallen, einem Sozialismus das Wort zu reden, der sich einen Millimeter von der Garantie der Bürgerrechte entfernt.
Heute geht es nicht darum, faktisch Strafaktionen gegen Wohnbesitz staatlich zu organisieren. Es geht darum, zusammen zu finden und Gegenmacht gegen den globalen „Kapitalismus“ zu finden: Wie fange ich diesen Kapitalismus ein? Wie mache ihn dienstbar? Dabei werden Partner, Helfer, Erklärer, Umsetzer, Vernetzer und Entschleuniger an unserer Seite benötigt. Aufmerksames, kritisches Management. Kluge Gewerkschafterinnen, Leute mit enormen Kenntnissen, die bei Goldman & Sachs das Geschäft gelernt haben, Ingenieure, das große Heer der Frauen und Männer mit Hoffnungen auf eine bessere Zukunft. Es geht um Löhne, die sich vergleichen lassen. Um Gesundheitsschutz, um das Zurückführen von Verbrennung in allen Sparten, um Bildung als Voraussetzung für Aufstieg.
Wir alle in den entwickelten Industrieländern werden einen Schritt vom materiellen Haben zurücktreten müssen, damit andere mehr und wirklich Lebenswichtiges haben können. Das ist unabwendbar, wenn wir eine gemeinsame Zukunft haben wollen. Daher werden sich die demokratischen Sozialisten wieder mehr um die Arbeitenden in der Mitte der Gesellschaft kümmern müssen, weil die für diese Aufgabe gewonnen werden müssen.
Und vor allem geht es um eines: Um Gesetze, die überall (überall!) diesem globalen Kapitalismus Zügel anlegen. Damit es keinen Kontinent und keinen Landstrich mehr gibt mit Wirtschaften ohne Regeln und Zügel.
Das ist die Aufgabe.
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