Anscheinend hat Mark Zuckerberg seinen Kommunikationsberater gewechselt. Nach seinen eher missratenen Auftritten in den Anhörungen des US-Kongresses und des Europäischen Parlaments war das auch dringend nötig. Jetzt also eine neue Spieltaktik, vom Verzögern und Mauern hin zum Raumöffnen und Angreifen, um es in der Sprache des Fußballs zu sagen. Und wenn schon eine neue Taktik, dann auch mit voller Wucht. Die großen Zeitungen in den USA und in Europa, die seinen Appell zeitgleich verbreiten, liefern bereitwillig die Spielfläche, pardon: die Plattform.
Unzulässige Inhalte, Wahlmanipulation, Datenschutz und Datenportabilität sind Zuckerbergs Stichworte. Durch geeignete Spielregeln sollen diese Problembereiche im weltweiten Netz so reguliert werden, dass dort nicht mehr Chaos und Anarchie herrschen, wie es manchmal den Anschein hat, sondern die Gesetze der realen Welt auch hier Gültigkeit haben. Das ist schön, und auch die lobende Erwähnung der europäischen Datenschutzgrundverordnung ist Balsam für die Seele der aus der Defensive oft nicht herauskommenden Datenschützer, aber erfolgt die demonstrative Einsicht in regulatorische Notwendigkeiten nicht ein bißchen spät? Hat der Zauberlehrling Mark Zuckerberg etwa Angst, dass er die Geister, die er rief, nicht mehr los wird?
Der nächste US-Präsidentschaftswahlkampf wird schon jetzt von demokratischer Seite mit Forderungen nach härterer Regulierung und Zerschlagung der marktbeherrschenden Internetgiganten befeuert. Die jüngste Southbysouthwest in Austin war ein Stimmungsbarometer, welches die Kritik am ungeregelten Wildwuchs selbst in internetaffinen Kreisen deutlich spürbar werden ließ. Und in Europa, dem zweitwichtigsten Markt für Zuckerberg und Co., lässt die Europäische Kommission die Muskeln spielen und verhängt gerne drakonische Strafen, die finanziell wehtun. Auch die Tatsache, dass die Kampagne gegen die Verabschiedung der Urheberrechtsreform im Europaparlament mit dem Makel behaftet ist, von den großen Plattformbetreibern befeuert worden zu sein, kommt nicht gut an. Das alles ergibt eine gefährliche Mischung, die erklärt, warum Zuckerberg gerade jetzt mit seinem neuen Vorstoß versucht, aus der Defensive zu kommen.
Die alte Regel: „If you can’t beat them, join them!“ bestätigt sich wieder einmal. Offensichtlich ist der gegnerische Druck so groß geworden, dass es jetzt darum geht, Schlimmeres zu verhindern, um das Geschäftsmodell zu retten. Das ist ja schon einmal ein Erfolg der Kritiker der Macht der Internetgiganten. Aber wie realistisch ist die Forderung nach Regulierung, wenn sie sogleich mit dem Vorschlag verbunden wird, auf globaler Ebene zu verbindlichen Absprachen zu kommen? Weltweit gültige, einheitliche Standards zu fordern ist schön, aber sie zu bekommen, ist nahezu unmöglich. Zumindest nicht so schnell, wie es nötig wäre. Wer sich vor Augen führt, wie lange allein in der EU juristische Regelwerke brauchen, bis sie verabschiedet sind und dann auch noch in nationales Recht umgesetzt werden, der wird globale Regeln wohl eher als Wunschtraum sehen.
Also eine Nebelkerze? Ich fürchte, ja. Zuckerbergs Vorschläge sind inhaltlich nichts Neues. Neu ist nur, dass ausgerechnet er sie sich jetzt öffentlichkeitswirksam zu eigen macht. Bei dem Anspruch, weltweit zu einheitlichen Standards zu kommen, handelt es sich um die Quadratur des Kreises. Zuckerberg weiß, dass er damit viele Diskussionen auslösen und vor allem Zeit gewinnen wird. Und natürlich ist die Aussicht, auf der „richtigen“Seite zu stehen und nicht auf der dunklen Seite der Macht, immer gut.
Wie so oft ist die Forderung quasi nach einem runden Tisch, diesmal auf der globalen Verhandlungsebene, auf den ersten Blick einladend, aber gleichzeitig heißt das auch, die Lösung der anstehenden Probleme auf die lange Bank zu schieben. Oder hat Zuckerberg irgendeine Hoffnung, dass sich Donald Trump und Wladimir Putin für die Sache begeistern, um nur diese beiden zu nennen? Also: Die Botschaft hör ich wohl, allein mir fehlt der Glaube. Dass er für realistisch hält, was er da vorschlägt, kann ich mir nicht vorstellen. Aber kommunikativ ist es nicht dumm.
Bildquelle: Wikipedia, Autor Anthony Quintano, CC BY 2.0
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