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Home Politik

Die FDP ist neoliberal und keine Arbeiterpartei

Alfons Pieper Von Alfons Pieper
6. Januar 2020
Christian Lindner

Gerade las ich in der FAZ die Überschrift: Wie die FDP zur neuen Arbeiterpartei werden will. Die Freien Demokraten hätten viele ihrer Anhänger verloren. Pünktlich zu ihrem Dreikönigstreffen zielen die Liberalen auf eine neue Klientel: enttäuschte SPD-Wähler. Kann das gut gehen? fragt sich der Autor. Ich kann ihm nur antworten: Nein.

Es gibt gewiss nicht wenige SPD-Sympathisanten, die mehr als unzufrieden sind mit ihrer alten Partei, der SPD, die sauer sind über die pausenlosen Wechsel an der Spitze, über die Groko, über Scholz und Walter-Borjans, Saskia Esken, Herrn Weil,  und wie sie alle heißen. Aber dass diese Zeitgenossen ausgerechnet auf das Werben von Christian Lindner hereinfallen, kann ich mir beim besten Willen nicht vorstellen. Es gibt innerhalb der SPD-Klientel nicht allzuviele Porsche-Fahrer, auch nicht Heerscharen von Dressmen a la Lindner. Auch die Zahl der Millionäre mit dem Hang zur ältesten deutschen Partei dürfte man an einer Hand abzählen können. Lindner ist ein Selbstdarsteller, ein Blender dazu, ohne Ecken und Kanten, wie das Liberale früher gern auch waren. Früher waren Freidemokraten unbequeme Demokraten, die sich auch für die Rechte von Minderheiten einsetzten, die überhaupt für die Rechte der Bürger stritten, ja, die FDP  machte sich einen Namen als Kämpferin für mehr Umweltschutz und gegen die Atomenergie. Lange her.  

Dass sich der Chef-Liberale, der in den eigenen Reihen längst mehr als umstritten ist, weil er politisch kaum noch stattfindet, es sei denn über Talk-Shows, auf einstige Helmut-Schmidt-Anhänger berufen könnte, ist zwar möglich, aber es ist realpolitisch ziemlich abwegig zu glauben,  dass diese enttäuschten SPD-Wählerinnen und Wähler ausgerechnet die FDP von Herrn Lindner wählen würden. Bei allem Ärger, den der Kanzler Schmidt damals mit den eigenen Genossen in der Außen- und Sicherheits- wie auch in der Finanz- und Sozialpolitik hatte, gestürzt wurde der Hamburger Sozialdemokrat vom Koalitionspartner, der FDP. Die Liberalen waren zwar mit dem Slogan „FDP wählen, damit Helmut Schmidt Kanzler bleibt“ -beschlossen und verkündet auf dem Wahlparteitag der FDP 1980 in Freiburg-in den Wahlkampf gegen den Unions-Kanzlerkandidaten Franz Josef Strauß gezogen, hatten aber 1982 in einem konstruktiven Misstrauensvotum den CDU-Chef Helmut Kohl zum Kanzler gewählt. Gegen den Widerstand einer ganzen Reihe führender Liberaler, darunter Hildegard Hamm-Brücher, Günther Verheugen, Ingrid Matthäus-Maier, um nur die zu nennen.

Oppositionsbänke nichts für Liberale

Die Wahrheit für den Sinneswandel des Herrn Lindner dürfte woanders zu suchen sein. Vor Jahr und Tag hatte er quasi im Alleingang die wochenlangen Gespräche mit der Union und den Grünen über die Bildung einer Jamaika-genannten Koalition verlassen. Begründung: Besser nicht regieren als schlecht regieren. Das war damals schon ein Paukenschlag. Aber wie das so ist mit Alleingängen und Paukenschlägen, irgendwann kommt das Nachdenken über den vollzogenen Schritt, der schnurstracks auf die Oppositionsbänke führte. Eine Rolle, die den Liberalen so gar nicht liegt, sie regieren halt sehr gern, was nicht zu kritisieren ist. Weil Regieren ja auch verbunden ist mit der Übernahme von Verantwortung, aber andererseits auch bedeutet, man sitzt nicht am Kabinettstisch, entscheidet nicht mit, kann sich als Minister und Vizekanzler nicht darstellen, sondern lediglich gegen die Politik der anderen Regierung opponieren.

Möglich, dass Lindner damals damit gerechnet hat, es würde Neuwahlen geben statt eine erneute Groko, weil ja auch die Genossen der SPD nicht gerade begeistert auf die gemeinsamen Regierungsjahre mit der CDU-Kanzlerin Angela Merkel zurückblickten. Aber da hatte er wohl die Rechnung ohne den Bundespräsidenten gemacht. Frank-Walter Steinmeier schlupfte nämlich in die Rolle eines wirklichen Staatsoberhauptes und rief die Vorsitzenden der Parteien CDU, CSU und SPD zu sich und redete ihnen ins Gewissen. Der Rest ist bekannt, die Groko regiert seitdem, von vielen kritisiert, von nicht wenigen schon längst beerdigt, aber die Kanzlerin sitzt immer noch im Kanzleramt und die anderen Ministerinnen und Minister bekleiden immer noch die Ämter, auf die sie damals vereidigt wurden.

Nun muss man die Arbeit der Groko nicht über den grünen Klee loben, aber sie ist besser, als manche ihr nachsagen wollen. Da ist viel üble Nachrede und manches Vorurteil im Spiel, wenn das Ende der Regierungszeit von Merkel beschworen wird, mag sein auch gelegentlich Wunschdenken. Wenn alles normal verläuft, wird es erst in der zweiten Hälfte 2021 eine Neuwahl geben. Und wer dann Merkel nachfolgt, ist aus heutiger Sicht völlig offen. Niemand weiß, ob es Annegret Kramp-Karrenbauer schafft, oder ob der Höhenflug der Grünen anhält. Völlig ungewiss ist auch die weltpolitische Lage, nachdem US-Präsident Trump die Erschießung des iranischen Generals Soleimanis befohlen hatte und bei dieser Enthauptung auch der irakische Milizenführer Abu Mahdi al-Muhandi umgebracht worden war.  Niemand kann heute einschätzen, ob die ohnehin angespannte Lage sich weiter verschärft, ob es zu Anschlägen gegen US-Einrichtungen in aller Welt kommt, ob Trump seine Drohungen gegen den Iran wahrmacht. Nichts ist ausgeschlossen in dieser Situation, die Spirale der Gewalt könnte sich weiter drehen, der Golfkrieg und der Einmarsch der Amerikaner in den Irak vor Jahren sind nicht vergessen mit allen Folgen für die ganze Region, die nicht zur Ruhe kommt. Es brennt an vielen Ecken.

Das waren noch Zeiten..

Es ist ja wahr, die Liberalen hatten mit Walter Scheel einen Außenminister, der mit Willy Brandt die erste sozialliberale Koalition auf Bundesebene  durchsetzte und die Ostpolitik begründete, sie hatten mit Hans-Dietrich Genscher einen Außenminister, der mit am Rad der großen Geschichte gedreht hat, der einen weltweiten Ruf genoss. Aber das ist lange her, die FDP wird heute nur noch als neoliberale Halbkraft gesehen, sie regiert in Berlin nicht mit und wo sie regiert wie in NRW, ist ihre Rolle bescheiden, kaum wahrnehmbar ihre Bedeutung. Man redet über Armin Laschet, dem man längst zutraut, die Nachfolge von Merkel anzutreten, man redet über den Innenminister Herbert Reul, der sich mit wechselndem Erfolg den Problemen im Lande widmet wie der Bekämpfung der Clans im Ruhrgebiet, aber dass die FDP mitregiert, fällt nicht ins Gewicht.

Früher gefiel sich die Partei als Königsmacher, als Mehrheitsbeschaffer, das ist vorbei. Die Grünen sind an der FDP vorbeigezogen, sie könnten nach heutigem Stand mit der Union die erste schwarz-grüne Koalition auf Bundesebene bilden. Ja denkbar ist sogar eine Umkehrung eines solchen Bündnisses“ mit einem grünen Kanzler Robert Habeck. Dass einer wie Wolfgang Kubicki „Jamaika“ beschwört, ist reine Verzweiflung und mag der FDP bei ihrem Dreikönigstreffen in der Stuttgarter Oper ein wenig Aufmerksamkeit verleihen. Mit Realpolitik hat das genauso wenig  zu tun wie die Spekulation darüber, wie die FDP zur neuen Arbeiterpartei werden könnte. Vielleicht sollte sie zunächst ihr Profil schärfen, den Menschen deutlich machen, was liberal bedeutet und wofür die FDP steht und warum man sie wählen sollte. Opportunismus reicht nicht.

Bildquelle: Collaga, Mirek Pilch, BdR, Vorlagen: Pixabay, Free-Photos, Pixabay License und flickr/FDP

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Tags: Christian LindnerDreikönigstreffenFDPFDP als ArbeiterparteiGroKoHans-Dietrich GenscherIdentitätssucheMehrheitsbeschafferNeo-LiberalismusOppositionProgrammatikWalter Scheel
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