Deutschland ist eines der Länder, die über keine nennenswerten Rohstoffvorkommen verfügen. Erze, seltene Erden, Öl und Gas – nahezu alle wichtigen Ressourcen muss unser Industrieland importieren. Unsere wirtschaftliche Stärke basiert bislang darauf, dass wir innovative Produkte herstellen, die hierzulande und im Ausland gefragt sind. Maschinen, Chemie, Anlagen, Pharmazeutika und vieles andere „made in Germany“ machen unsere Exportstärke aus, obwohl deutsche Waren recht teuer sind. Im internationalen Wettbewerb zählt eben nicht nur der Preis, sondern Qualität, Funktionsfähigkeit, Zuverlässigkeit und Effizienz sind wichtige Faktoren für ein letztlich günstiges Preis-/ Leistungsverhältnis.
Spitzenpositionen in Gefahr
In einigen Wirtschaftsbereichen zeichnet sich ab, dass Deutschland seine Spitzenpositionen schon in naher Zukunft nicht mehr wird behaupten können. Die Autoindustrie, die sich mit Mogelsoftware über die Runden retten wollte und viele Millionen Käufer betrogen hat, die Digitalisierung, der IT-Sektor, die Herstellung von Batterien sowie manche andere Zukunftsbranchen rangieren im Vergleich zu anderen globalen Konkurrenten nicht mehr auf den führenden Plätzen. Die Erfolge der Vergangenheit waren vielfach verführerisch, doch selbst goldgeränderte Bilanzen sind keine Garantie für Zukunftserfolge, bestenfalls ein solides Sprungbrett, um auch in den nächsten Jahren mithalten zu können.
Bildung, Bildung über alles
Deutschlands wichtigste Ressource ist das „Humankapital“. Die Goldader der Nation liegt vor allem zwischen den Ohren der Menschen in den grauen Zellen der Hirne. Deshalb muss Bildung die höchste Priorität einnehmen, denn sie ist die wichtigste Voraussetzung für Wissenschaft, Forschung, Erfindergeist, Innovation sowie für Ingenieur- und Fertigungskunst. Vor einigen Jahren hat die Bundeskanzlerin Angela Merkel weitblickend die „Bildungsrepublik Deutschland“ ausgerufen und dafür viel Beifall erhalten, Gewiss ist seitdem einiges geschehen, doch allzu viel Positives ist nicht passiert.
15.000 unbesetzte Lehrerstellen
Bildungspolitik wird bei uns nahezu ausschließlich von den Länderregierungen betrieben. Die Konferenz der Kultus- und Bildungsminister scheint sich mehr mit der Abstimmung der Ferien als mit den wirklich wichtigen Themen zu beschäftigen. Eine Überprüfung der vor langer Zeit eingeführten neuen Rechtschreibungsweise wäre überfällig, da sich inzwischen die Verwirrung durch diese Regeln auf immer höherem Niveau bewegt. Die große Unfähigkeit dieser Länderminister wird in diesen Tagen überdeutlich: Zum neuen Schuljahr werden rund 15.000 Lehrerstellen nicht besetzt sein. Vor einem Jahr meldete schon jede dritte Schulleitung Mangel an Lehrern, jetzt klagt jede zweite über dieses Defizit. Angesichts von fast 800.000 Lehrern an allgemeinbildenden Schulen ist dieser Missstand mehr als eklatant. Ohnehin wäre die Misere noch größer, wenn viele Schulen sich nicht mit Quer- und Seiteneinsteigern behelfen und Pensionäre einspannen würden.
Große Defizite in Grund- und Berufsschulen
Besonders groß ist der Lehrermangel an den Grund- und Förder- sowie bereits seit langem an den Berufsschulen. Gravierend zeigen sich diese Defizite vor allem in den ostdeutschen Ländern. An den Gymnasien herrscht dagegen ein Überangebot von Lehrern in den Fächern Fremdsprachen, Gesellschaftskunde und Deutsch, während es einen gewissen Mangel von Lehrern in den Bereichen Naturwissenschaft und in den musischen Fächern gibt. Gewiss mag es schwierig sein, die Entwicklung der Schülerzahlen exakt im Voraus zu berechnen. Doch die Alterspyramide des Lehrkörpers, die Zahl derjenigen, die in 5, 3 oder 2 Jahren in Pension gehen, der zusätzliche Bedarf an Lehrern für die Rückkehr zu G9 und der notwendige Einsatz von Sozialpädagogen sind einigermaßen mittelfristig zu prognostizieren. Und dass auch der eine oder andere Lehrer durch Krankheit ausfällt, ist keine so plötzliche und unkalkulierbare Tatsache; dafür müssten rechtzeitig einige „Springer“ eingeplant werden.
Die Schlüsselfunktion der Lehrer
Immer noch nehmen einige Zeitgenossen die Erkenntnis, das der Lehrerberuf der für unsere Gesellschaft wichtigste Job ist, mit einem eher müden Lächeln zur Kenntnis. Doch jedem mag wohl klar sein, dass er ohne Lehrer nicht lesen, schreiben und rechnen könnte, aber auch andere Bildung nicht vermittelt bekommen hätte. Deshalb gilt es, den Lehrerberuf in allen Schichten unserer Bevölkerung deutlich aufzuwerten und dessen Ansehen zu stärken. Denn die Herausforderungen der Lehrer sind riesig und existenziell für unsere Nation: Sie müssen nämlich die Goldadern zwischen den Ohren eines jeden Schülers freilegen und somit das Humankapital schaffen, ohne das sich der Wohlstand unseres Landes in Zukunft arg verringern würde.
Immer mehr Schulabbrecher!
Kein Kopf darf uns deshalb verloren gehen. So gesehen ist es geradezu besorgniserregend, dass sich die Schulabbrecherquote binnen Jahresfrist von 5,7 auf 6,3 % erhöht hat. Dabei zeigten sich große Unterschiede der Schulqualität in den einzelnen Bundesländern. In Hessen liegt diese Quote gerade einmal bei 4,9 %, während sie in Sachsen-Anhalt etwa 10 und in Berlin 9,2 % beträgt. Positiv schneiden noch Hamburg, Bayern, Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen mit einer Abbrecherquote von unter 6 % ab. Weiter gestiegen ist die Zahl der Jugendlichen, die die Schule ohne Abschluss verlassen, bei Schülern mit Migrationshintergrund: Sie beläuft sich auf über 18 %! Zu Recht hat gerade die „Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft“ Alarm geschlagen und auf die Fehlentwicklungen hingewiesen: Politiker im Bund und in den Ländern dürfen diese Fehlentwicklungen nicht einfach hinnehmen, denn die Chancengerechtigkeit ist damit nicht mehr gegeben. Investitionen in den Ausbau von Kita-Plätzen und Ganztagsschulen sowie eine höhere Qualität bei der frühkindlichen Bildung sind dringend erforderlich, um den Negativtrend umzukehren und die Zukunft der jungen Menschen positiv zu gestalten.
Marode Bildungsinfrastruktur
Investitionen sind schließlich überfällig, um viele marode Schulgebäude zu renovieren und vieles zu reparieren. Bereits 2017 hat der Bund für ein Schulsanierungsprogramm 3,5 Mrd. € zur Verfügung gestellt. Bis heute sind davon gerade einmal einige hundert Millionen Euro genutzt worden, um neue Räume in den Schulen zu schaffen, um Klassenzimmer freundlicher zu gestalten, Toiletten zu installieren oder Turnhallen zu reparieren. Während in einigen Bundesländern – wie etwa in Nordrhein-Westfalen, Baden-Württemberg und Bayern – das Programm zügig umgesetzt wird, tut sich in anderen Ländern wenig bis gar nichts; hier ist von langen Planungszeiten, Engpässen bei Bau- und anderen Firmen sowie zeitraubenden Prüfungen die Rede. Bis der von der Kreditanstalt für Wiederaufbau berechnete Investitionsrückstand in Höhe von fast 50 Mrd. € aufgeholt sein wird, könnte es noch sehr lange dauern. Marode Schulgebäude bieten gewiss keine gute Infrastruktur für die Bildungsrepublik Deutschland.
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