Nach der Bundestagswahl 2025 verdient die LINKE wieder ernsthafte Beschäftigung mit ihren Thesen. Da diese von Sarah Wagenknecht befreite Partei ohne Zweifel zum demokratischen Bogen gehört, ist mir der Unvereinbarkeitsbeschluss der Union unverständlich.
Allerdings scheint mir ein Satz von Heidi Reichinnek ebenso unverständlich: Ein Wirtschaftssystem, so sagte sie auf dem Parteitag der LINKEN (aus dem Gedächtnis zitiert), das die Reichen immer reicher mache, habe mit Demokratie nichts, aber auch gar nichts zu tun.
Darüber sollte sie noch einmal nachdenken, wenn sie zum demokratischen Bogen gehören möchte. Auch mich stört, dass in unserer Gesellschaft Reiche immer reicher werden und Arme selten realen Zuwachs haben, häufiger sogar weniger Kaufkraft. Aber man muss doch anerkennen, dass es eben auch Demokratie ist, wenn immer wieder wirksame Gegenstrategien vermieden werden, weil sie keine parlamentarische Mehrheit finden: und diese Gegenstrategien bestände insbesondere in demokratischen Beschlüssen steuerpolitischer Maßnahmen, also einer deutlichen Erhöhung des Spitzensteuersatzes bei den Einkommen und einer Erbschaftssteuer, die die Chancengleichheit der Jungen nicht durch obszön große Erbschaften gründlich ruiniert.
Da ist einmal ein gutes FDP-Zitat, das auch die Union schon plakatiert hat: „Leistung muss sich wieder lohnen!“. Welche Leistung haben Erben großer Vermögen denn vorzuweisen. Ist Erbschaft nicht der Inbegriff leistungslosen Einkommens?
Nun rate ich nicht zu Enteignungsorgien, denn eine Wirtschaft ohne Unternehmer kann auch nach meiner Meinung nicht jene Effizienz erreichen, von der unser aller Wohlstand abhängig ist. Daher ist ein 100%iger Spitzensteuersatz ebenso auszuschließen wie eine konfiskatorische Erbschaftssteuer. Aber es sollte nicht nur der Satz „Eigentum verpflichtet“ gelten, sondern ebenso, dass große Vermögen auch den gesellschaftlichen Verhältnissen zu danken sind, weshalb die Gesellschaft angemessen miterben darf. So könnten maßvolle Schritte bei den Steuern durchaus demokratisch beschlossen werden, wenn sich dafür parlamentarische Mehrheiten gewinnen lassen. Und dafür sollte die LINKE und die SPD kämpfen!
Es gibt Modelle, die die Liquidität eines vererbten Unternehmens und die Arbeitsplätze auch bei höheren Erbschaftssteuern nicht gefährden, z.B. durch eine staatliche Treuhandgesellschaft, die die fällige Erbschaftssteuer als stiller Teilhaber im Unternehmen lässt und diesen Kapitalanteil nach einigen Jahren veräußern muss, eventuell bei Vorkaufsrecht der Erben. Denn keinesfalls sollte ein staatlicher Moloch entstehen, der nach und nach große Teile der Wirtschaft besitzt.
Solche Strategien sind umso wichtiger, als sonst in Zeiten ohne Kaufkraftzuwachs die Spreizung von Einkommen und Vermögen noch schneller fortschreiten dürfte. Und solche Zeiten ohne wirkliches Wachstum liegen – mit oder ohne Trump – sicherlich vor uns, weil unsere global weit überdurchschnittlichen Einkommen einer technologischen Überlegenheit gegenüber 90% der Menschheit zu danken waren, die langsam aber sicher schrumpft – von den ökologischen Notwendigkeiten, auf materielles Wachstum zu verzichten, ganz zu schweigen.