Jetzt schlägt die Stunde der Falken. Nach dem Rückzug der USA aus dem Atomabkommen mit dem Iran wankt die westliche Weltordnung. US-Präsident Donald Trump macht mit einem Schlag nicht nur die jahrzehntelangen Bemühungen um Entspannung und Sicherheit im Nahen Osten zunichte, sondern er legt auch Lunte an die Anstrengungen zur Eindämmung der nuklearen Bedrohungen weltweit. Trump treibt einen Keil in das transatlantische Bündnis. Europa steht vor einer nie dagewesenen Bewährungsprobe. Es muss sich gegen den mächtigsten Partner behaupten.
Ruhe bewahren, ist die erste Devise, und den Gesprächsfaden nicht abreißen lassen. Obwohl alles gute Zureden der zurückliegenden Wochen und Monate nichts genützt hat, setzen die Europäer weiter auf Überzeugungsarbeit. Sie wollen wenigstens eine Schadensbegrenzung bei den angedrohten neuen US-Sanktionen gegenüber dem Iran erwirken. Denn die treffen alle europäischen Unternehmen, die mit dem Iran Geschäfte machen.
Die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini schlug unmittelbar nach Trumps Erklärung die Pflöcke der europäischen Gemeinsamkeiten ein. Die EU fühle sich dem Abkommen verpflichtet, sagte sie und betonte, Iran komme seinen Verbindlichkeiten nach, der Vertrag funktioniere und sei entscheidend für die Sicherheit in der Region.
Das freilich hatte Donald Trump von Beginn seiner Amtszeit an anders gesehen. Er hatte an dem unter seinem Vorgänger Barack Obama ausgehandelten Abkommen kein gutes Haar gelassen, hatte es als ein übles Machwerk beschimpft und seinen Ausstieg angekündigt. Während sich EU-Diplomaten ins Zeug legten, den US-Präsidenten umzustimmen, tischte Israels Premierminister Benjamin Netanjahu angebliche Beweise für ein Fehlverhalten Teherans auf.
Doch derlei Inszenierungen hätte es gar nicht bedurft. Trump hatte sich längst von mäßigenden Leuten wie Rex Tillerson getrennt und Scharfmacher wie Sicherheitsberater John Bolton geholt. Widerspruch ist unerwünscht. Der Egomane im Weißen Haus umgibt sich mit Menschen, die ihm nach dem Mund reden, und er genießt die Demonstration von Macht gegen jede Vernunft.
Die fatalen Folgen des unvernünftigen Alleingangs liegen auf der Hand, sind in ihrer ganzen Reichweite noch nicht absehbar und auch für die USA selbst gefährlich. Die Devise „Amerika zuerst“ mündet letztlich in Isolation, wird zu einem „Amerika allein“ und schadet der Wirtschaft. Von der Schwächung der westlichen Allianz profitieren Russland und China. Im Iran verlieren die dialogbereiten Kräfte an Einfluss. Statt das Mullah-Regime zu schwächen, erfährt es neuen Aufwind.
Ein Regimewechsel ist Trumps erklärtes Ziel. Und er schreckt vor militärischer Gewalt nicht zurück, sondern setzt im Gegenteil auf das Recht des Stärkeren statt auf die Stärke des Rechts. Das tritt die westlichen Werte mit Füßen und bringt die mühsam errichtete Weltordnung in Gefahr. Dabei drängt sich der Eindruck auf, dass Trump außenpolitisch umso gewissenloser agiert, je stärker er innenpolitisch in Bedrängnis gerät.
Die Nation werde „angeekelt“ sein von den bevorstehenden Enthüllungen über ihren Präsidenten, sagte eben erst der Anwalt der Pornodarstellerin, um die es in der schwelenden Schweigegeldaffäre geht, und er prophezeite, Trump werde das reguläre Ende seiner Amtszeit nicht erleben. Nun, darüber ist das letzte Wort noch nicht gesprochen, bisher haben ihn all seine Lügen, Intrigen und Skandale nicht zu Fall gebracht. Feststeht, die Welt könnte aufatmen, wenn Trump aus dem Amt gejagt würde. Er ist eine furchtbare Fehlbesetzung.
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