Norwegen - Lofoten

Norwegen wurde Willy Brandt zur zweiten Heimat: Ein reiches Land – Bezugspunkte sind Großbritannien und Deutschland

Die junge Kollegin kann einfach nicht anders, als den wirklich alten Witz über Bergen einfach noch einmal zu erzählen. „Sie wissen ja, in Bergen regnet es 358 Tage im Jahr, die restlichen Tage ist dann schlechtes Wetter,“ und lächelt, weil es ausgerechnet an diesem frühen Julivormittag wolkenlos und sonnig ist. Etwa so, wie es der zweitgrößten norwegischen Stadt berühmtester Bürger, Edward Grieg, in seiner „Morgenstimmung“ komponiert hat. Eine wunderbare, kleine, anmutige Komposition, die der 1843 geborene Grieg im Rahmen seiner Lieder geschrieben hat. Sein Haus, sein Komponierzimmer sind nach wie vor in dieser großartig gelegenen Hafenstadt zu besichtigen, seine Geschichte und die seiner Eltern zu verfolgen, vor allem die seiner Mutter, die im seinerzeit holsteinischen Altona Gesang und Klavier studiert hat, was der junge Edvard später vier Jahre lang in Leipzig tat. Es sind die 60er Jahre des 19. Jahrhunderts, Norwegen als Staat gibt es noch gar nicht.  1905 erst gründet sich das Land als selbstständige Nation, es wird eine konstutionelle Monarchie und die ist sie bis heute. Edvard Grieg erlebt das noch. Zwei Jahre später stirbt er im Alter von knapp 64 Jahren.

Er ist zu seinen Lebzeiten – wie Henrik Ibsen auch – ein Mann, den es in das Zentrum Europas zieht, nach Frankreich, England, Italien, vor allem Deutschland. Johannes Brahms, Clara Schumann, Max Bruch gehören zu seinen größten Fans. Franz Liszt zu seinem unnachgiebigen Förderer. Nur 16 Jahre ist er alt, als er nach Deutschland geht, Liszt besorgt ihm einen einjährigen Studienaufenthalt in Rom. Ibsen ist schon 40 Jahre alt, als er aus dem italienischen Sorrento nach nur drei Jahren 1868 nach Dresden übersiedelt, 1875 nach München und erst nach 27 Jahren im Ausland in sein Heimatland zurückkehrt.
Bis heute, 150 Jahre später, ist das Zentrum Europa, sind vor allem Großbritannien und Deutschland die Bezugsländer für das reiche Land im Norden und Westen Skandinaviens. Das gilt für die Politik wie den ehemaligen Außenminister und heutigen Chef der Arbeiterpartei Jonas Gahr Store ebenso wie für den Schriftsteller Edvard Hoem. Gahr Stores Foto hängt im wichtigsten Treffpunkt der Norweger in Berlin, im „ZWIEBELFISCH“ am Charlottenburger Savignyplatz. Hoem, dessen Bücher in jeder Buchhandlung in Norwegen zu finden sind, ist häufig in Berlin. Alle seine Bücher gibt es auf Deutsch. Ein Schwerpunkt seiner Arbeit ist die Geschichte zwischen Norwegern und Deutschen nach der Besetzung durch die Wehrmacht 1940.
Die zwang einen jungen Mann das Land zu verlassen, dass sich knapp zehn Jahre nach seiner Staatsgründung während des ersten Weltkriegs für neutral erklärte, und nach Schweden in`s  Exil zu gehen. Seinen Vater hat er nicht gekannt, aus Deutschland ist er vor den Nationalsozialisten geflohen, über Dänemark nach Norwegen. Das Land wird ihm zur zweiten Heimat und bleibt es auch: Willy Brandt. Skandinavien war Anfang der 30er für viele ein Fluchtpunkt. So wie zunächst die Tschechoslowakei und Frankreich für die Tucholskys, Mehrings, Grosz`, von Horvath, die Leonhardts ebenfalls. Die Geschichte zwischen der deutschen Sozialdemokratie und der norwegischen Arbeiterpartei ist eine lange und währt bis heute. Frank-Walter Steinmeier und Jonas Gahr Store sind ein Beispiel. Die Literatur von Edvard Hoem ein anderes.
1940 überfält das Deutsche Reich Norwegen. Der Angriff firmiert unter der Operation „Weserübung“. Sechs Wochen wehren sich die Norweger mit wenigen Verbündeten aus Polen und Frankreich mit spärlicher britischer Unterstützung, dann sind sie geschlagen. Die Deutschen besetzen das Land, richten ein furchtbares, tödliches Regime ein gegen anhaltenden norwegischen Widerstand im Untergrund, mit norwegischer Zusammenarbeit von Teilen der Bevölkerung, der Wirtschaft und der Politik. Viele einheimische Frauen fraternisieren mit Wehrmachtssoldaten, bekommen Kinder, die nach dem Abzug der Wehrmacht 1944 und dem Endes des Weltkrieges in Norwegen aufwachsen unter schrecklichen Bedingungen, heftig denunziert, ebenso wie ihre Mütter. Edvard Hoem hat darüber geforscht und geschrieben und ein Thema in seinem Land öffentlich bewußt gemacht, das versteckt, verdrängt und unbehandelt und ein sehr schwarzer Fleck in den Beziehungen beider Länder nach dem Krieg war.
Im Hause von Willy Brandt und der Norwegerin Ruth Berghaus- die beiden heiraten nach seiner Rückkehr nach Deutschland im September 1949- wird norwegisch gesprochen. So hat es der Erstgeborene, Peter, einmal erzählt. Und Ruth Brandt erinnerte sich an das Ende der 40er Jahre. Ihr Mann sei ein sehr unsicherer Mann gewesen, nach dem Exil, nach dem Krieg und nach der Rückkehr aus Norwegen in seine erste Heimat. Aus der er immer wieder mit der Familie in seine zweite Heimat in den Urlaub fuhr.
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Der Fernseh- und Radiojournalist arbeitete als Kulturredakteur und später als ARD Korrespondent in Washington und Mexiko. Seit 2002 ist Hafkemeyer Professor an der Berliner Universität der Künste.


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