Mit einer unerwartet deutlichen Mehrheit haben die irischen Wählerinnen und Wähler per Referendum das ultra-strenge Abtreibungsrecht in ihrem Land gekippt. Erklärtes Ziel einer fraktionsübergreifenden parlamentarischen Mehrheit ist nun die Einführung einer gesetzlichen Fristenregelung, die Schwangerschaftsabbrüche in den ersten zwölf Wochen erlaubt. Der konservative irische Premierminister Leo Varadkar von der Partei Fine Gael sprach von einem historischen Schritt.
Mit Fug und Recht; denn während der zurückliegenden vier Jahrzehnte, in denen andere europäische Länder Liberalisierungsdebatten führten, beharrte das katholisch geprägte Irland auf einer äußerst rigiden Regelung, die sogar Verfassungsrang erhielt. Danach ist eine Abtreibung nur dann zulässig, wenn das Leben der werdenden Mutter bedroht ist. Weder nach einer Vergewaltigung, noch bei einer schweren Missbildung des Fötus gelten gesetzliche Ausnahmeregelungen. Das führte, wie die Befürworter des Referendums während der Kampagne deutlich machten, etwa dazu, dass eine vergewaltigte Frau für einen illegalen Schwangerschaftsabbruch härter bestraft wurde als der Vergewaltiger.
Unbarmherzige Strenge der Kirche
Ein krasses, aber nicht konstruiertes Beispiel, an dem sich die unbarmherzige moralische Strenge der katholischen Kirche zeigt. Der Schutz des ungeborenen Lebens gegen den Willen der Mutter lässt sich mit christlichen Werten nicht rechtfertigen und ist auch in der Lebenswirklichkeit nicht durchsetzbar. Internationale Studien belegen, dass ein liberales Abtreibungsrecht nicht zu einer Steigerung der Zahl von Schwangerschaftsabbrüchen führt. Umgekehrt hat Irland gezeigt, dass sich mit Verboten Abtreibungen nicht verhindern lassen. Frauen gingen ins Ausland, um einen Schwangerschaftsabbruch vornehmen zu lassen, oder auf die Schiffe, die den Verzweifelten einen Ausweg aus der demütigenden und lebensbedrohenden Illegalität boten.
Die Volksabstimmung hat ein gründliches Umdenken zutage gefördert. Seit dem Referendum, mit dem die Iren vor mehr als drei Jahrzehnten den achten Verfassungszusatz billigten, haben sich die Mehrheitsverhältnisse umgekehrt. Das wird auch auf den erheblichen Glaubwürdigkeitsverlust zurückgeführt, den die katholische Kirche durch die Missbrauchsskandale der letzten Jahre erlitten hat. Insbesondere die Versuche, die Vorwürfe zu vertuschen und die Opfer im Nachhinein zu verunglimpfen, haben die Kirche als moralische Instanz schwer beschädigt.
Votum gegen das veraltete Frauenbild
Das irische Referendum ist zugleich ein Votum gegen das überkommene Frauenbild, das der Frau per se Böses unterstellt und mit dem die Gängelung und Bevormundung über all die Jahre gerechtfertigt wurde. Züge davon sind auch in dem geltenden deutschen Abtreibungsrecht noch erkennbar. Abtreibungen sind zwar nicht erlaubt, nach verpflichtender Beratung aber bis zur zwölften Woche straffrei möglich.
Dieser Kompromiss, der nach der deutschen Einheit zwischen dem liberaleren DDR-Recht und der strengeren westdeutschen Gesetzgebung gefunden wurde, zeigt heute zunehmend seine Schwächen. Einerseits in dem Werbeverbot für Schwangerschaftsabbrüche, das in Zeiten des Internets praktisch ein Informationsverbot bedeutet. Ärztinnen, die auf ihren Homepages nur darüber informieren, dass sie Abtreibungen durchführen, riskieren dafür bestraft zu werden. Andererseits hat die Gesetzgebung zur Folge, dass in der Medizinerausbildung allenfalls über ethische Fragen diskutiert, die Praxis aber vernachlässigt wird. Nach den aufwühlenden Debatten der vergangenen Jahrzehnte bleibt das Abtreibungsrecht auch in Deutschland in der Diskussion.
Bildquelle: Wikipedia, William Murphy from Dublin, Ireland; CC BY-SA 2.0