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Es ist schlimm, aber es ist nicht wie im Krieg – Vergleiche hinken, auch in Zeiten von Corona

Alfons Pieper Von Alfons Pieper
17. März 2020
Köln 1945

Vergleiche hinken, deshalb sollte man sie besser lassen. „Es ist wie im Krieg“, höre  ich die eine oder andere Stimme, die mit diesem Vergleich unterstreichen will,  in welcher Ausnahmesituation wir uns seit dem Ausbruch der Corona-Krise befinden. Wer von Krieg spricht, lese nach, wie es war damals 1939 bis 1945, der lese nach, wie die letzten Kämpfe in Deutschland verliefen mit Tausenden von Toten, als fast alles in Trümmern lag, unter Ruinen begraben, man nichts zu essen hatte und übrigens auch die Moral zumindest vieler Deutscher am Boden lag, die Hitler gefolgt waren, mitgemacht, zugeschaut, sich irgendwie schuldig gemacht hatten. Was jetzt passiert, eingeschränkt wird, nicht mehr zugelassen wird, welche Freiheiten uns -hoffentlich nur auf Zeit- genommen werden, was ein Börsen-Crash bedeuten kann, welche Firmen pleite gehen können mit welchen Folgen, was uns noch alles bevorsteht, mag schlimm sein. Aber der Krieg ist die Hölle. Man frage die wenigen, die ihn mitgemacht haben und heute noch leben.

„Keine Post, kein Telefon, keine Zeitung“, lese ich im Bonner „Generalanzeiger“, der an den 17. März 1945, also an die Zeit vor 75 Jahren erinnert.   Ausgangssperre für Bonn,  verhängt von den Amerikanern, die die Stadt am Rhein gerade erobert und die Nazis samt ihren Soldaten über den Rhein verjagt hatten. Wörtlich heißt es im Blatt: „Für die Bonner Zivilbekölkerung gilt eine Ausgangssperre von 21 Uhr bis sechs Uhr. Ansammlungen von mehr als fünf Personen sind nicht erlaubt.“ So hat es der Redakteur aufgeschrieben, was damals war und was heute auch passieren könnte.  Man weiß ja nicht, was eine deutsche Bundesregierung noch alles im Kopf hat als vorbeugende Maßnahmen gegen die Corona-Seuche? Angela Merkel, die Bundeskanzlerin, hat angekündigt, dass es Kontrollen geben werde. Und wenn ich den Gesundheitsminister Spahn richtig verstehe, sind wir noch nicht am Ende der Fahnenstange. Und hat nicht gerade Bayerns Ministerpräsident Markus Söder den Katastrophenfall füf Bayern ausgerufen?  Frankreichs Staatspräsident Macron hat über sein Land den Ausnahmezustand verhängt.

Was findet noch statt, was ist erlaubt?

Und wie sieht es in Deutschland aus? Schulen dicht, Unis zu, Sportstätten, kein Fußball mehr, Läden werden geschlossen, Versammlungen eingeschränkt-wo bleibt das Recht auf Versammlungsfreiheit?-, wir sollen soziale Distanz wahren, Großeltern vor den Enkeln geschützt werden, Urlaube finden nicht mehr statt, Urlauber werden, so hat es der Außenminister Maas verkündet, aus allen Ländern der Welt nach Hause geflogen. Das soll den Bund 50 Millionen kosten. Was heute gilt, ist morgen spätestens überholt, selbst Virologen der Charité geben ihre Unkenntnis über das Virus preis, lassen die schlimmsten Folgen offen, nichts kann mehr ausgeschlossen werden, also auch nicht der Ausnahmezustand, die Ausgangssperre, die uns nur noch den Weg zum Arzt, zum Bäcker, Lebensmittelhändler erlaubt, zur Apotheke dürfen wir auch. Überhaupt ist es fast einfacher zu fragen: Was findet noch statt, was ist erlaubt? 

Zurück zum Ende des Krieges, zum Artikel im Bonner „Generalanzeiger“ und zur Ausgangssperre. Anders als heute durften die Bonner  zum Gottesdienst gehen, diese Ansammlung war nicht verboten. Aber dann folgt, was es alles nicht mehr gab: „Der Postverkehr wird eingestellt, Telefonleitungen werden stillgelegt, Tageszeitungen müssen den Betrieb einstellen. Jegliches Fotografieren ist verboten. Die in Bonn verbliebenen Polizeibeamten unter Polizeiinspektor Wilhelm Brandt stellen sich den Amerikanern zur Verfügung, um die allgemeine Ordnung aufrechtzuerhalten. Weil die Polizeiuniformen denen der Wehrmacht stark ähneln, kommt es immer wieder zu brenzligen Situationen, sodass die Polizisten Zivilkleidung mit Armbinden tragen.“  Der Krieg ist noch nicht zu Ende am 17. März, immer noch wird gekämpft, weil irgendwer immer noch an den Endsieg glaubt. Dazu heißt es in der Bonner Zeitung weiter: „Im Siebengebirge(das ist nur ein par Kilometer von meinem Haus in Kessenich entfernt, die Redaktion) ziehen sich die deutschen Truppen  hinter die Autobahn zurück. Allein beim Kampf um das Dörfchen Aegidienberg hat die 9. US-Panzerdivision mehr als 2000 Tote und Verwundete zu beklagen. Zwischen Remagen und Erpel stürzt die schwer beschädigte Ludendorff-Brücke unter der Last der amerikanischen Truppentransporte ein. 32 US-Soldaten kommen ums Leben, mehr als 60 Menschen werden verletzt. Nur die Brückenpfeiler bleiben erhalten.“ Wen es interessiert, es gibt ein Museum dort, wo einst die Brücke stand, Friedensmuseum heißt es. Ein Blick lohnt sich.

Niemand kennt das Ende der Krise

Die Welt verändert sich in einem rasanten Tempo und niemand weiß, wie sie nach der Krise aussehen wird. Nach der Krise, niemand kann sagen, wann das sein soll, weil niemand vorhersagen kann, wann es denn den Impfstoff geben wird, an dem viele Leben hängen, und nicht nur das, die ganze Wirtschaft hängt davon ab. Das freie und grenzenlose Europa hat die Grenzen wieder entdeckt und sie geschlossen, in der Hoffnung, das könnte helfen. Man kann es nur hoffen, dass es am Ende stimmt. Das öffentliche Leben ist mehr als eingeschränkt. Deutschland macht dicht und entdeckt alte Begriffe aufs Neue: Solidarität, die Jüngeren sollen den Älteren helfen, die Gesunden den Kranken den Platz anbieten, auch der gesunde Menschenverstand wird abgerufen, von Respekt und Achtung ist wieder die Rede, gern wird nicht nur in diesem Zusammenhang auf unser Grundgesetz Artikel 1 verwiesen: Die Würde des Menschen ist unantastbar.

Das alles ist in der Dimension neu für uns. Die Kanzlerin macht es uns vor, wie wir mit der Krise, die jeden treffen kann, umgehen mögen, der Bundespräsident wendet sich an seine Bürgerinnen und Bürger, die Ministerpräsidenten zeigen, was ihres Amtes ist, Politiker versuchen, das Land zu führen und zu steuern durch all die Wirrnisse der Corona-Zeit. Nie zuvor wurden in diesem Tempo Gesetze beschlossen und in Kraft gesetzt, damit Arbeitgebern und Arbeitnehmern geholfen werden kann, damit sie leben und überleben. Bürger entdecken die Politik  und ihren Sinn, weil gehandelt wird.

Eine gute Bekannte, eine belesene Frau, hat mich gerade an Albert Camus und „Die Pest“ erinnert und dabei die Nachrichten aus Italien mit einbezogen, Nachrichten über einen Arzt Dr. Macchini, der hartnäckig gegen Covid-19 ankämpfe. Ich zitiere aus ihrer Mail, die wohl angelehnt ist an Facebook oder dort entnommen: „Natürlich ist die Pest ein philosophischer Roman. Der Mensch, der in eine absurde Situation geraten ist; der Mensch,  der sich im Angesicht des Nichts weigert, klein beizugeben; der Mensch, der gegen den Tod kämpft, obwohl er weiß, dass er letztlich keine Chance hat usw… Es scheint sich bei Dr. Macchini -mit Camus zu sprechen-nicht um einen Heiligen zu handeln, sondern um einen von jenen, die sich weigern, vor Seuchen zu kapitulieren.“

Der Berliner „Tagesspiegel“ hat diese Kämpfer gegen die Seuche „Helden“ genannt. Es sind viele kleine Helden, die große Taten vollbringen.  Das trifft es.

Bildquelle: Pixabay, Bild von WikiImages, Pixabay License

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Tags: Corona kein KriegCorona-KriseCoronavirusCovid-19Gesellschaftgesellschaftliche SolidaritätNotfallpläneSARS-CoV-2VerhaltensregelnVirus
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