Wenn man selber Journalist war und diesem Gewerbe im Alter als Blogger weiter anhängt, ja sehr zugeneigt ist, weil Journalist selbstredend der schönste Beruf überhaupt ist, hat man natürlich jeden Morgen in der Redaktion nicht selten als erstes zur SZ gegriffen. Hat den Aufmacher angeschaut, das Bild auf der ersten Seite, dann einen Blick auf die berühmte Seite 3 geworfen, blätterte um auf die vierte Seite, würdigte die Karikatur und las den Titel des Leitartikels. Dann gab es den ersten Kaffee und man, genauer ich las das Streiflicht. Das gehörte zu einem guten Start in den journalistischen Alltag. Am letzten Samstag stutzte ich über die Beilage der SZ und las einen Text von Chefredakteur Kurt Kister darüber, wie die SZ vor 75 Jahren an den Start ging. Gut, genauer war das am 6. Oktober 1945, wie Kister ein paar Absätze später einräumt, aber es passt in die Zeit, nein nicht die von Corona, damit hat das Stück nun wirklich nichts zu tun, aber wir reden und widmen ja viele Gedanken und Themen im Moment dem Motto “ 75 Jahre nach Kriegsende“.
Was für eine Zeitung! Entstanden in den Trümmern der Stadt München, als Lizenzzeitung (mit der Nummer 1)von der US-Militärregierung drei Männern übertragen, darunter auch der „eindeutig belastete“ Lizenzträger Franz Josef Schöningh, belastet auch, also ehemaliger Nazi der spätere Chefredakteur Hermann Proebst. Schreibt Kister und verschweigt es nicht. So waren halt die Zeiten damals, überall waren Nazis untergetaucht, verschwunden, tauchten sie wieder auf und waren plötzlich wahre Demokraten, als wäre nichts gewesen.
Das muss man als Journalist auch mal zugeben, auch wenn Loben nicht unbedingt zu den Arbeitsaufträgen eines Journalisten gehört. Und auch wenn es die Frankfurter stören mag: Ich habe in den verschiedenen Redaktionen in der WAZ-Zentrale in Essen, im Korrespondenten-Büro in Bonn wie in Berlin am liebsten nun mal die SZ gelesen. Und natürlich habe ich das Blatt als Rentner abonniert. Und wie früher zu den aktiven Zeiten nehme ich die Zeitung in die Hand, schau mit die Struktur an, also Aufmacher, sehe das Bild auf der 1, dann die Seite 3, die nun mal einen besonderen Stellenwert hat in München(wer kannte Hans Ulrich Kempski nicht!?), dann wandere ich mit den Augen auf die 4, bestaune die Karikatur. Und dann beginne ich zu lesen, natürlich zuerst das Streiflicht.
Informieren über Giesing und Manhattan
Warum ich die SZ der FAZ vorziehe? Ich gebe ja zu, den früheren FAZ-Parlamentskorrespondenten Günter Bannas, der später Leiter des Hauptstadtbüros der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ war, sehr zu schätzen. Wir waren in Bonner Jahren auch eine Weile in ein und demselben Hintergrund-Kreis, der „Asyl“ gefunden hatte für seine Runden in der baden-württembergischen Landesvertretung. Eines unterschied uns von Anfang an: Bannas ist Fußball-Fan wie ich, aber merkwürdigerweise hält er zum 1. FC Köln, ich dagegen war immer und bleibe immer ein Schalker. Die SZ ist munterer, nicht so steif wie die konservative Konkurrenz aus Hessen, sie bebildert ihre flotter geschriebenen Texte besser, während die „Frankfurter“ oft wie eine Bleiwüste daherkommt. Linksliberal war die „Süddeutsche“, sie ist es heute wohl nicht mehr so wie einst, aber immer noch liberaler aufgestellt. Sie ließ sich und lässt sich auch von einer mit absoluter Mehrheit regierenden CSU-Landesregierung nicht einfangen, nicht von Strauß, nicht von Stoiber und auch nicht von Söder.
Was soll man noch sagen über ein Blatt, das seinen 75. Geburtstag feiert?Dass man in München die Kunst beherrscht, wie es Kurt Kister beschreit( der leider bald als Chefredakteur der SZ aufhört): der Leser soll „genauso über Manhattan wie über Giesing informiert werden“. Ein schönes Bild, das natürlich nicht täglich den Inhalt spiegelt. Dass sie die wichtigste Zeitung zumindest in Bayern und in München ist, betont der Chefredakteur. Was soll er auch sonst sagen? Für mich ist sie zudem das wichtigste Blatt in Deutschland, das mich informiert, mir Orientierung versucht zu geben, das mich unterhält, mich schmunzeln lässt. Oder wie es Kister selber schreibt: „Die Süddeutsche Zeitung wollte immer die kluge Begleiterin des Alltags ihrer Leserinnen und Leser sein. Das wird sie bleiben, egal, ob sie zu ihrem 90. noch so aussieht wie heute.“ Für mich ist sie zudem eine Quelle, die ich in meinen Texten in meinem Blog-der-Republik des öfteren verwende- selbstverständlich unter Nennung derselben.
Eine Bitte habe ich: Sie mögen Ihre geschätzte Zeitung auf dem Bildschirm anbieten und inzwischen dort mehr Leserinnen und Leser finden, ich brauche die Zeitung als Papier, muss es rascheln hören, wenn ich lese und umblättere. Also lassen Sie mir bitte die gedruckte Zeitung, die jeden Morgen ziemlich früh zusammen mit dem Bonner „Generalanzeiger“ in unserem Briefkasten liegt- auch dank des guten und zuverlässigen Zustellers. Ad multos annos, wünsche ich Ihnen oder wie es aktuell heißt: Bleiben Sie gesund!