Rom

Italien ist mehr als Salvini

Am vergangenen Wochenende hatte die Stichwahl für den Ministerpräsidenten auf Sardinien stattgefunden. Und anders als bei der ersten Runde, bei der die Kandidaten Kopf an Kopf lagen, hat der Kandidat der Mitte-Rechten deutlich gewonnen. Das ist in dieser Zeit und bei dieser Stimmung im ganzen Land nicht überraschend. Christian Solinas, ein sardischer Politiker und insofern ein Nationalist, hat gerade in der Schlussphase des Wahlkampfes auf die sardische Karte gesetzt. Man könnte sein Motto zusammenfassen: Sardinien den Sarden. Er will die Einwanderung von Fremden, von Ausländern verhindern und die Auswanderung von Sarden stoppen. Das gefällt natürlich vielen Sarden. Und mit dieser Politik ist er nahe jener Populisten um die Lega von Salvini, dessen Partei mit ihm koaliert hat.

Zwar war die Wahl auf der Sonnen-Insel nur eine kleine Regionalwahl, die aber eine andere Tragweite hat und vieles über die Gemüter im Lande aussagt. Und wie Salvini für Italien, verspricht er den Bewohnern von Sardinien Hilfe. Zum Beispiel: An erster Stelle mehr Autonomie, obwohl Sardinien als Insel schon über viel Selbstbestimmung verfügt. Es geht um Geld, das er den Sarden über spezielle Steuervorteile in Aussicht stellt. So wie um Maßnahmen, um die Wirtschaft der Insel anzukurbeln, angefangen von Infrastruktur-Hilfen, zum Beispiel, um die Häfen u.a. von Cagliari zu erweitern. Und Christian Solinas hat angekündigt, dass er auch Korrekturen im Gesundheitswesen anstrebt. Heute noch weichen viele Sarden, aber auch Menschen aus Süditalien in andere Regionen auf dem Festland aus, wenn sie vor komplizierten medizinischen Eingriffen stehen. Diesen Mangel auf Sardinien will er beheben, ohne genau zu sagen, wie das gehen soll. Denn natürlich kann nicht jede Klinik auf der Insel Sardinien flächendeckend eingerichtet werden, das weiß auch Solinas. Aber es kommt gut an, wenn er sowas verspricht.

Viel brisanter als die erwähnten Fragen ist ein anderes Problem: Dabei geht es um die Proteste der Schäfer und der Molkereibesitzer. Man muss wissen,  dass Sardinien zu Zwei Drittel aus Weideland besteht, auf dem Rinder und Schafe gehalten werden. Und die Erträge aus dem Milchverkauf sind denkbar gering, die Schäfer schütten lieber ihre Milch auf die Straße, wie sie es neulich auch in der Hauptstadt Rom vor den Palazzi der Macht demonstriert hatten. Die Proteste laufen seit zwei Wochen, aber in den letzten Tagen haben sich gewaltbereite Demonstranten unter die protestierenden Schäfer gemischt, haben Straßen blockiert, sogar mit Kesselwagen voller Milch.  Und zuletzt haben vermummte Bewaffnete einen Milchwagen gestoppt und den Fahrer an einem Baum gebunden, um danach den Wagen mitsamt der Milch in Brand zu setzen. Bilder, die ganz Italien vergessen hatte, die aber deutlich machen, welche Unzufriedenheit in vielen Regionen des Landes herrscht.

Das Erstaunliche daran ist für uns als Beobachter von außen, dass es Salvini geschafft hat, selbst von diesen Protesten, die sich ja eigentlich gegen Regierungen richten, zu profitieren. Seine Popularitätswerte nehmen weiter zu, während die mitregierende Partei Cinque Stelle weiter deutlich abnimmt. Inzwischen ist es so, dass passieren kann, was will in Italien, Salvini ist der Gewinner. Sogar ein Immunitätsverfahren gegen ihn ist gescheitert. Es war angestrengt worden, weil man ihm Amtsmissbrauch vorgeworfen hatte. Aus gutem Grund, hatte er doch als Innenminister verfügt, dass Flüchtlinge auf einem Schiff der italienischen Küstenwache ausharren mussten, und somit die auf dem Meer gültige menschliche Hilfe für Jedermann außer Kraft gesetzt hatte. Unmenschlich, eigentlich, aber nicht für Salvini, dem der Koalitionspartner von der Cinque Stelle, Luigi Di Maio, den Kopf rettete.

Das Image Italiens leidet stark unter diesem Salvini und seinem teils brutalen Umgang mit Menschen aus anderen Teilen der Erde, ja, als Italienerin wird man dafür sogar in Mithaftung genommen, wie kürzlich passiert. Bei einer Diskussion über die Eigenschaften der Italiener musste ich mir anhören, dass wir, gemeint die Italiener, nicht solidarisch seien. Begründet wurde das mit der Politik von Salvini. Dabei wird leicht vergessen, dass Italien sehr wohl sich solidarisch verhalten hatte, man denke nur an Mare Nostrum, jener italienischen Hilfsmaßnahme, um Flüchtlinge aus dem Meer zu retten. Das war bis vor einigen Jahren so, bis Frontex entstand, was eigentlich andere Ziele hat. Aber geblieben ist der fatale Eindruck, den der Innenminister Salvini mit seiner rigorosen Abwehr-Politik hinterlassen hat. Natürlich habe ich mich gegen den Vorwurf gewehrt, wir, die Italiener-ich bin Italienerin und Deutsche seit 2013- seien schlechte Europäer. Italien gehört zu den Gründungsstaaten der Europäischen Gemeinschaft, es waren die Römischen Verträge, die den Weg für Frieden und Wohlstand geebnet haben. Mit Italien.

Dass das so bleibt, bedarf der Unterstützung aus Brüssel, nicht nur durch Geld, sondern auch durch Wertschätzung. Der Stiefel ist Teil von Europa.  Das Land muss verankert bleiben in der EU. Salvini wird nicht ewig regieren. Und irgendwann wird wieder das andere Italien zum Vorschein kommen, als natürlicher Teil des demokratischen Europas.

Bildquelle: Pixabay, kkcomputing, Pixabay License

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Caterina Massai stammt aus Florenz, sie hat dort und in München Geisteswissenschaften studiert, sie lebt seit 23 Jahren in Deutschland und wohnt mit ihrer Familie in Bonn. Sie ist VHS-Dozentin und arbeitet als freiberufliche Übersetzerin. Seit 2013 ist sie eingebürgert.


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