Italiens Populisten-Regierung scheint den Knall mit Brüssel zu suchen und erweckt den Eindruck nach außen, als fände man Gefallen an dieser Art der Auseinandersetzung. Motto: Wir lassen uns von Euch, der EU, nicht mehr vorschreiben, was wir zu tun haben. Zumal Italien sich von der EU in der Bewältigung der Flüchtlingsfrage allein gelassen fühlte. Das gilt für die Salvinis und die Di Maios selbst für den eigentlich sensiblen Bereich der Haushaltspolitik. Möglichst wenige Schulden, diese Vorgabe scheint die Machthaber in Rom nicht zu interessieren. Sie glauben, mit neuen Rekordschulden ihre Wahlversprechen finanzieren zu können. Allen Warnungen und Mahnungen aus Brüssel zum Trotz. Und ihren Anhängern scheint diese Politik zu gefallen- noch.
Lega und Fünf Sterne sind der Meinung, dass das Überschreiten der Schuldengrenze die Wirtschaft im Lande wieder in Schwung bringen werde. Damit stehen sie in Brüssel ziemlich allein, wie sich auf dem Gipfel in der belgischen Hauptstadt gezeigt hat. Aber die Kanzlerin zum Beispiel hält sich mit allzu lauter Kritik an ihren italienischen Kollegen noch zurück, sie will Matteo Salvini wohl nicht provozieren. Der Italienische Innenminister legt es nämlich gern darauf an, davon ausgehend, dass seine Freunde dieses Muskelspiel durchaus würdigen. Als ob er immer noch in der Wahlkampagne wäre!
Andererseits weiß Salvini natürlich, dass auch andere europäische Länder in der Haushaltspolitik nicht gerade Musterknaben sind, wie Spanien, Portugal, Griechenland und selbst Frankreich. Und er könnte sogar darauf verweisen, dass es mal einen deutschen Kanzler namens Gerhard Schröder gab, der die Schuldengrenze für Deutschland locker gerissen hatte. Sache ist trotzdem, dass Italien sich immer weiter entfernt von den wirtschaftlich starken Nationen Europas wie Deutschland und Holland. Dieses Abrutschen scheint kein Ende zu haben.
Das sind u.a. die Pläne der Regierung Conte: man will die Rentenreform mit Schulden finanzieren, das will vor allem die Lega, die Fünf Sterne will allen eine Grundsicherung geben in Höhe von 800 Euro im Monat. Teure Versprechen, die dazu führen können, dass der Ruf des Landes noch weiter Schaden nimmt und damit auch die Wirtschaft und Finanzkraft des Landes. Unterschätzen darf man das alles nicht, Italien ist die drittgrößte Volkswirtschaft der EU.
Berlin hat keinen Grund zur Schadenfreude
Die Probleme der EU mit Italien kommen zur Unzeit, nämlich genau zu dem Zeitpunkt, da über Einzelheiten des Brexit verhandelt wird und niemand weiß, wie das ausgeht, ob es ein harter Brexit wird mit allen negativen Folgen für Großbritannien und die übrige EU. Zum Beispiel ist NRW eng mit London verbunden, man macht viele und gute Geschäfte mit den Briten und die mit den Deutschen aus NRW. Die deutschen Automobilhersteller haben vorsorglich gewarnt, eine solche Entwicklung nicht zuzulassen. Niemand kann wollen, dass die EU zuerst Großbritannien verliert und möglicherweise dann Italien. Ob Salvini das riskiert, ist unbekannt, aber er scheint das Spiel zu suchen.
Wenn Brüssel jetzt den Haushaltsvorschlag aus Rom zurückweist, womit zu rechnen ist, weiß man nicht, wie Salvini und Di Maio reagieren, wütend oder doch verhandlungsbereit? Italien würde ein solcher Schritt, der möglicherweise aus dem Euro führen würde und mehr, nicht nutzen. Aber Europa hätte auch nicht viel davon, zumal man nicht weiß, ob nicht weitere Fliehkräfte mobilisiert würden.
Als Italienerin aus Florenz, die seit Jahren mit Familie in Bonn lebt und die Ereignisse in der alten Heimat natürlich mit großem Interesse und auch Sorge verfolgt, vergleiche ich die Lage in Italien mit der in Großbritannien unmittelbar vor dem Referendum Ja oder Nein zur EU. Auch in Italien hat der Durchschnittsbürger nicht vor Augen, wohin die Politik von Lega und Fünf Sterne führen kann, er kann gar nicht wissen, dass dies zum Bruch führen kann mit allen Folgen. Die EU mit über 500 Millionen Menschen und einer starken Wirtschaft ist ein Pfund, aber Italien allein, oder auch England allein, auch ein Deutschland allein wären viel zu schwach, um sich gegen die Konkurrenz der Welt zu behaupten, gegen die USA, gegen Russland, gegen China oder Indien.
Die Lage in Italien wird erschwert dadurch, dass es keine schlagkräftige Opposition gibt, die der Regierung Paroli bieten könnte, es gibt keine Partei, die aufklärend wirken könnte gegen die Schuldenpolitik von Lega und Fünf Sterne . Zum Beispiel die PD ist viel zu beschäftigt mit sich selbst. Der Chef der Partei ist nur kommissarisch im Amt, er hat die Partei nicht hinter sich. Da muss man erst die Wahl einer neuen Führung abwarten. Bis dahin ist die PD zu schwach. Und Lega und Fünf Sterne profitieren von der Schwäche der PD. In Umfragen liegt die Lega mittlerweile vorn, Fünf Sterne nimmt an Zustimmung ab.
Der Streit zwischen Italien und Brüssel ist kein Grund für die Deutschen, mit dem Finger Richtung Rom zu zeigen. Auch in Deutschland erschlaffen seit einiger Zeit die demokratischen Kräfte pro Europa, die SPD ist auf dem Weg von einer Volks- zu einer Klein-Partei und niemand von den Sozialdemokraten weiß, wo das enden wird. Aber auch die CDU und die gerade bei der Landtagswahl in Bayern arg gerupfte CSU haben keinen Grund zur Freude. In Umfragen liegen sie mit zusammen 26 Prozent zwar noch vorn, aber sie sind deutlich geschwächt. Und was die einst als starke Frau Europas gefeierte Angela Merkel angeht , es wird längst über das Ende ihrer Kanzlerschaft geredet.
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