Boris Johnson

Johnson übersteht Misstrauensvotum nur knapp

148 Stimmen gegen Boris Johnson sind heftig, aber nicht genug. Nein, es ist nicht leicht, einen britischen Premierminister aus dem Amt zu jagen – mag er sich auch noch so disqualifiziert, sich längst als untauglich erwiesen, das Parlament und die Öffentlichkeit kaltschnäuzig belogen haben. Boris Johnson bleibt im Amt. Das Misstrauensvotum gegen ihn ist gescheitert. Ihm reicht der mittelmäßige Rückhalt der eigenen konservativen Partei. Auf eine Mehrheit im Unterhaus oder das Vertrauen der Bevölkerung kommt es da nicht an.

Unter den 359 Tory-Abgeordneten rumort es seit Wochen. Die Selbstherrlichkeit, mit der Johnson die Party-Affäre abtat, brachte zunehmend auch eigene Gefolgsleute gegen ihn auf. Den Zweifeln an seiner charakterlichen Eignung fügte der Untersuchungsbericht zu ausschweifenden Partys in No. 10 Downing Street schwerste Vorwürfe hinzu. Führungsversagen lautete das vernichtende Urteil über Johnsons Umgang mit den feucht-fröhlichen Gelagen in seinem Amtssitz – mitten während des Corona-Lockdowns, auch am Vorabend der Beerdigung von Prinz Philipp. Nichts, so die fatale Außenwirkung, konnte den Premier und seine Partypeople vom Feiern abhalten.

Wasser predigen und Wein trinken, hieß da noch der mildeste Vorwurf. Johnson stritt erst die Partys ab, verneinte dann seine Anwesenheit und, als immer neue Fotos auftauchten, die ihn in ausgelassener Runde zeigten, behauptete er, das seien Arbeitstreffen gewesen, jedenfalls habe er das angenommen. Die fällige Geldstrafe zahlte er gleichmütig, der Gesetzesverstoß reute ihn nicht weiter, Entschuldigungen kamen ihm routiniert, nur eben nicht glaubwürdig über die Lippen. Empörte Buhrufe bei seinem Erscheinen zum Gottesdienst zum Thronjubiläum waren die Quittung.

In der Tory-Partei wagten sich schließlich ausreichend Abgeordnete mit dem Ruf nach einem Misstrauensvotum nach vorn. Mehr aber blieben in Deckung, weil sie selbst mit dem System Johnson verstrickt sind und den Verlust der eigenen Jobs und Privilegien fürchteten. Vor der geheimen Abstimmung beeilten sich einige Parteiprominente, den Premierminister via Twitter ihrer Unterstützung zu versichern. Und Johnson selbst gab sich gelassen.

Die Abstimmung sei, so meinte er, eine gute Gelegenheit, die Spekulationen zu beenden. Von Spekulationen kann freilich keine Rede sein. Es geht um handfeste politische und rechtliche Vorwürfe. Und die sind nicht beendet, sondern höchstens unter den Teppich gekehrt. Johnson hat für ein Jahr Ruhe vor der eigenen Partei. Sein ramponierter Ruf in der Bevölkerung ist damit allerdings nicht geheilt. Und mit jeder weiteren Nachwahlschlappe wächst auch bei den treuesten Vasallen der Wunsch nach einem Wechsel, rechtzeitig vor dem Untergang.

Bildquelle: Chatham House, CC BY 2.0 , via Wikimedia Commons

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Die promovierte Medienwissenschaftlerin arbeitete mehr als 20 Jahre in der Politikredaktion der Westfälischen Rundschau. Recherchereisen führten sie u. a. nach Ghana, Benin, Bosnien-Herzegowina, Kroatien, China, Ukraine, Belarus, Israel und in das Westjordanland. Sie berichtete über Gipfeltreffen des Europäischen Rates, Parteitage, EKD-Synoden, Kirchentage und Kongresse. Parallel nahm sie Lehraufträge am Institut für Journalistik der TU Dortmund sowie am Erich-Brost-Institut für Internationalen Journalismus in Dortmund wahr. Derzeit arbeitet sie als freie Journalistin.


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