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Home Politik

Kanzlerkandidat der SPD muss Olaf Scholz werden – Die Frage war in der SPD schon immer spannend

Alfons Pieper Von Alfons Pieper
15. Juni 2020
KanzleramtBerlin

Angela Merkel tritt 2021 nicht mehr an als Kanzlerin. Das Rennen um ihre Nachfolge ist längst eröffnet, aber nicht entschieden. Die SPD liegt in Meinungsumfragen seit Jahr und Tag meilenweit hinter der Union, ein Grund, warum die neuen Vorsitzenden die Frage eines Kanzlerkandidaten der SPD nach hinten geschoben haben. Es wirkt ja auch etwas lächerlich, wenn man mit gut 15 Prozent den Machtanspruch auf das Kanzleramt in Berlin erhebt. Aber noch ist nicht aller Tage Abend. Und wie gesagt, der Wahlkampf findet ohne die Kanzlerin statt, die nach 16 Jahren im Amt freiwillig aufhört. Und wer weiß, was noch alles passiert, wie es mit Corona und den Folgen für die Wirtschaft und für uns alle weitergeht.  Entschieden ist nichts, Favoriten könnten auch verlieren. Die SPD muss sich entscheiden, sie wird sich wohl nach den Sommerferien entscheiden, wer für sie antritt. Ich habe damals bei der Wahl eines SPD-Vorsitzenden auf Norbert Walter-Borjans gesetzt und nicht auf  Scholz. Jetzt, bei der Frage der Kanzlerkandidatur, setze ich auf Olaf Scholz. Wer denn sonst!?

Die Frage, wer Kanzlerkandidat der SPD wird, war schon in früheren Rennen eine spannende Angelegenheit, auch wenn sie nicht immer ins Ziel, gemeint das Kanzleramt führte.  Man denke an die vielen gescheiterten Versuche von Sozialdemokraten, Helmut Kohl aus dem Kanzleramt zu verdrängen. Hans-Jochen Vogel trat im Frühjahr 1983, da war Kohl gerade ein paar Monate zuvor Kanzler geworden. Er hatte Helmut Schmidt durch ein konstruktives Misstrauensvotum den Stuhl vor die Tür gesetzt. Kohl blieb 16 Jahre Kanzler.

Nach Vogel versuchte es Johannes Rau, der in NRW sehr beliebt war, aber gegen den „schwarzen Riesen“ ohne Chance blieb. Darüber täuschte auch sein grandioser Wahlsieg bei der NRW-Landtagswahl mit rund 52 Prozent nicht hinweg. Bundesweit fehlte dem Landesvater von Rhein und Ruhr die Ausstrahlung, die Macht im Bund wirklich zu wollen. Dann trat Oskar Lafontaine an und verlor gegen den Kanzler der Einheit, der den Fall der Mauer und die deutsche Einheit zu seinen Gunsten zu nutzen verstand. Kohl musste vorher Widerstand aus den eigenen Reihen ausschalten. Heiner Geißler wurde auf dem Bremer Parteitag im Grunde entmachtet, Kohl stellte ihn nicht mehr auf als Generalsekretär der CDU, weil er ihm einen Putschversuch gegen ihn unterstellte. Lafontaine war zudem körperlich geschwächt durch ein Attentat, bei dem er lebensgefährlich verletzt worden war.

Mit Björn Engholm folgte ein weiterer SPD-Mann aus der Enkel-Generation von Willy Brandt, der es aber nur bis zum Vorsitzenden der Partei schaffte und dann zurücktreten musste, weil er im Zuge der Barschel-Affäre, die ihn zum Ministerpräsidenten von Schleswig-Holstein gemacht hatte,  nicht ganz der Wahrheit gefolgt war. Engholm hätte realistische Chancen gegen Kohl gehabt. Ihm folgte der ziemlich glücklose Rudolf Scharping, der zwar am Ende nur knapp den Kürzeren zog, aber eben verlor. Im Grunde war der Sozialdemokrat aus dem Westerwald mehr an sich selbst-nicht nur wegen Brutto und Netto-und an der parteiinternen Konkurrenz von Gerhard Schröder und Oskar Lafontaine gescheitert, die in der öffentlichen Darstellung mehr hergaben als der eher ruhige, betuliche und blasse Scharping. Der wurde dann auf dem Mannheimer Parteitag 1995 als SPD-Parteivorsitzender gestürzt, was Vogel einen Putsch nannte. War doch die Wahl eines Parteichefs auf diesem Konvent gar nicht vorgesehen, dafür mussten die Genossen erst die Satzung ändern. Das ging ratzfatz, im Handumdrehen. Dann hielt der Oskar Lafontaine eine flammende Rede, die einen zündenden Satz enthielt: „Es gibt noch Politikentwürfe, für die wir uns begeistern können, und wenn wir selbst begeistert sind, können wir auch andere begeistern. In diesem Sinne: Glückauf!“

Damals war die SPD unter dem Vorsitz von Rudolf Scharping in Meinungsumfragen auf 23 Prozent gesunken. Es läuteten in allen SPD-Regionen des Landes die Alarmglocken. 23 Prozent, einen solchen Absturz hatte man noch nie erlebt. Aber mit der Ablösung Scharpings durch Lafontaine- der im übrigen nur knapp die Mehrheit der Delegierten in Mannheim gewann- drehte sich relativ schnell die Stimmung. Gerhard Schröder, Ministerpräsident in Hannover, gelang es, die Landtagswahl in Niedersachsen 1998 mit absoluter Mehrheit zu gewinnen, was dann die Kanzlerkandidatur bedeutete. So hatten sie es vorher ausgemacht, Schröder und Lafontaine, der am Wahlabend, besser am späten Nachmittag, als ihm die Wahlprognosen per Telefon durchgegeben wurden, Schröder zu Hause in Hannover anrief und ihn mit den Worten begrüßte: „Hallo Kanzlerkandidat.“ Die Sache war entschieden, der Rest Formsache.

Schröder gewann die Bundestagswahl im Herbst 1998 gegen einen Helmut Kohl, der alt wirkte gerade im Vergleich mit dem jüngeren Herausforderer. Rund 40 Prozent der Stimmen errang die SPD mit dem Kanzlerkandidaten Schröder, der die erste rot-grüne Bundesregierung in der Geschichte der Republik bildete mit Joschka Fischer als Bundesaußenminister. Der ewige Kanzler Kohl war Geschichte, seine Abwahl zeichnete sich während des gesamten Wahlkampfes ab, der einer Abschiedstournee des CDU-Mannes glich.

Die Frage ist müßig, darf aber doch gestellt werden: Was wäre geworden, wenn Oskar Lafontaine nicht ein halbes Jahr nach der Regierungsbildung die Brocken hingeschmissen hätte- ohne Angabe von näheren Gründen. Er sprach lediglich von „schlechtem Mannschaftsspiel“ .Er warf hin als Bundesfinanzminister, als Parteichef der SPD und dann gab er noch das Mandat des Bundestagsabgeordneten ab. Ja, was wäre geworden, wenn er gekämpft hätte um die Richtung der Politik? Später wurde er Vorsitzender der Linkspartei, heute sitzt er für die Linke im saarländischen Landtag, wo er früher mal Ministerpräsident gewesen war.

Man darf ein paar Sätze Lafontaines von Mannheim zitieren, die er 1995 nach seiner Wahl unter dem donnernden Applaus der Delegierten sagte: „Freunde, Mitstreiter im demokratischen Wettbewerb: Zieht Euch warm an, wir kommen wieder!“ Kann man das auf heute übertragen? Könnte einer wie Olaf Scholz, der als Bundesfinanzminister in der Groko unter der Kanzlerin Angela Merkel einen  überzeugenden Job macht, solche Töne von sich geben? Könnte er den Satz von Lafontaine, gesprochen ebenfalls in Mannheim 1995, bald  in Berlin wiederholen? „Es gibt noch Politikentwürfe, für die wir uns begeistern können, und wenn wir selbst begeistert sind, können wir auch andere begeistern.“ Als Krisenmanager ist Scholz erfolgreich. Irgendwer hatte vor Wochen den Fraktionschef der SPD im Bundestag, Rolf Mützenich, ins Gespräch gebracht. Ich kenne Sozialdemokraten, die behaupten, den Kölner SPD-Mann gut zu kennen und die deshalb betonen, der mache es nicht, der wolle es nicht, der könne diesen Job auch nicht. Scholz bringt den Machtwillen mit, den man für höchste Ämter in der Politik braucht. Es ist an der Zeit, eine Entscheidung zun treffen. Die Sympathisanten und potentiellen Wählerinnen und Wähler der SPD brauchen eine Orientierung, wer sie in den Wahlkampf führt.

Bildquelle: Pixabay, swandhoefer, Pixabay License

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Tags: FührungsdiskussionGeschichte der SPD-KanzlerkandidatenKanzlerkandidaturNorbert Walter-BorjansOlaf ScholzSPD
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