Brennende Regenwälder, schmelzende Arktis, Wirbelstürme, Überschwemmungen, Dürren, Hungersnöte: Wollen wir noch mehr davon? Offenbar ja. Denn die Europäische Union (EU) setzt mit ihrer Handelspolitik auf noch mehr Wachstum und noch mehr Handel mit klimaschädlich erzeugten Waren.
Derzeit verhandelt die EU-Kommission rund zwanzig Abkommen, die durch den Abbau von Zöllen und Handelshemmnissen den internationalen Handel fördern und ausweiten sollen. Diese geplanten und teilweise schon vereinbarten Abkommen mit Kanada, Vietnam, Indonesien, Australien, Neuseeland, Mexiko, den lateinamerikanischen Mercosur-Staaten oder vielen afrikanischen Ländern haben die Interessen der europäischen Wirtschaft im Blick. Nicht aber unsere künftigen Lebensgrundlagen.
Allmählich spricht es sich herum, wie eng Klimaerhitzung und Handelspolitik zusammenhängen. So hat die EU-Kommission bei den Verhandlungen zum Pariser Klimaschutzabkommen 2015 dafür gesorgt, dass Handelsfragen gar nicht erst erwähnt wurden. Aus gutem Grund: Viele ihrer Handels- und Investitionsschutzabkommen schaden der Umwelt und stehen einem effektiven Klimaschutz entgegen – weil ökologische Belange grundsätzlich als potenzielle Handelshemmnisse angesehen werden.
Hier einige Fakten:
Etwa ein Viertel der globalen Treibhausgasemissionen wird von der Landwirtschaft verursacht, etwa ein Siebtel kommt vom Verkehr. Das bedeutet: Beide Sektoren müssen grundlegend umgebaut werden. Die industrielle Tierhaltung gehört reduziert, Wälder dürfen nicht mehr für den Anbau von Soja gerodet werden. Der Verbrennungsmotor muss auf dem Müllhaufen der Geschichte landen.
Aktuelle Handelsabkommen haben jedoch den gegenteiligen Effekt:
• Im Gegenzug für Zollsenkungen auf europäische Autos und Autoteile sieht das EU-Mercosur-Abkommen eine Steigerung der EU-Importe von südamerikanischem Rind- und Geflügelfleisch vor, ebenso von Zucker und Agrotreibstoffen, die auf Zuckerrohr und Soja basieren. Für die Einfuhr von Soja, auf das die europäische Massentierhaltung angewiesen ist, werden Standards gesenkt. Wegen Soja und der Rinderhaltung aber brennen die Wälder. „Es ist kein Zufall, dass Großfarmer und Kleinbauern am Amazonas gerade jetzt mehr Fläche denn je anzünden, da das größte Freihandelsabkommen der Welt winkt“, schrieb die Süddeutsche Zeitung Anfang August.
• Auch das EU-Kanada-Abkommen (Comprehensive Economic Trade Agreement, CETA) hat verheerende Auswirkungen. Der Vertrag ist zwar noch nicht von allen EU-Staaten ratifiziert, aber seit Herbst 2017 teilweise und vorübergehend in Kraft. Eine der Folgen: Der für die Natur katastrophale Abbau von Teersandöl in Kanada hat massiv zugenommen. Das lässt sich an der stark gestiegenen Erdöleinfuhr aus Kanada ablesen, die sich in den letzten beiden Jahren verdoppelt hat. Dennoch will der grüne Ministerpräsident Wilfried Kretschmann (Baden-Württemberg) im Bundesrat für CETA stimmen.
• Ähnliches gilt für das geplante EU-Indonesien-Abkommen CEPA: Es erhöht die Produktion von Palmöl, das auf Plantagen wächst, die immer tiefer in den dortigen Urwald hineinreichen. Und das wir dann in unseren Autos verbrennen.
• Einen gravierenden klimaschädlichen Fußabdruck hinterlassen auch die wieder aufgenommenen Verhandlungen über das geplante Abkommen Transatlancic Trade and Investment Partnership (TTIP). Noch bevor die Gespräche stattgefunden hatten, durften die USA deutlich mehr durch Fracking gewonnenes Flüssiggas in den EU-Raum ausführen.
Klimaschutz: eine unverbindliche Randnotiz
Einige Handelsabkommen wie CETA und EU-Mercosur erwähnen mittlerweile den Klimaschutz, Verbesserungen bringen sie jedoch nicht. Zwar verpflichten sich beim EU-Mercosur-Abkommen die Vertragsparteien, das Pariser Klimaschutzübereinkommen umzusetzen – doch bei Verstößen gibt es keine Sanktionsmöglichkeit, nur unverbindliche Empfehlungen.
Auch beim EU-Kanada-Abkommen CETA fehlt es an Durchsetzungsmechanismen. Und das, obwohl Kanada (auch wegen der Förderung von Teersandöl) einer der größten Treibhausgasproduzenten weltweit ist.
Im Gegensatz zum Klimaschutz, der nicht eingeklagt werden kann, sind die in vielen Handels- und Investitionsschutzabkommen enthaltenen Investorenrechte sehr wohl einklagbar. Auch Investitionen in fossile Energieträger sind geschützt. Das heißt: Wenn ein ausländischer Investor seine Gewinne bedroht sieht, weil ein Staat beispielsweise neue Klimaschutzregeln einführt, kann er vor internationalen Schiedsgerichten Entschädigungszahlungen in Millionen- oder Milliardenhöhe verlangen.
So klagt der deutsche Energiekonzern Uniper – eine E.on-Abspaltung, die das zweitgrößte Kohlekraftwerk in den Niederlanden betreibt – gegen die Niederlande, weil dort der Senat ein Gesetz zum Kohleausstieg bis zum Jahr 2030 verabschiedet hat. Ähnliche Klagen gegen die Einschränkung fossiler Energieträger drohen auch auf Basis von CETA oder den beiden EU-Singapur-Abkommen.
Privatisierung behindert Klimapolitik
Die Handelsabkommen der EU enthalten umfassende Privatisierungsverpflichtungen: In der Regel müssen alle Dienstleistungen, die nicht explizit ausgenommen sind, für den Markt geöffnet und alle Investoren gleichberechtigt behandelt werden. Dies stellt eine Einschränkung für eine wirksame Klimapolitik dar: Um die Energiewende voranzutreiben, braucht es beispielsweise klima-relevante Vorgaben bei der öffentlichen Auftragsvergabe. Unternehmen, die sich um einen öffentlichen Auftrag bewerben, müssten dann bestimmte Kriterien erfüllen wie etwa die Nutzung erneuerbarer Energien. Unter CETA & Co. gelten solche Vorgaben jedoch als unerlaubte Einschränkungen des Handels.
Kurzum: Wer etwas gegen die Klimaerhitzung tun will, muss auch die Handelspolitik umfassend umgestalten. Konkret heißt das: Alle Verhandlungen stoppen; sämtliche Handelsabkommen kündigen, welche die Konzernprofite über Klimaschutz stellen; die Sonderklagerechte für Konzerne aufheben! Für eine klimafreundliche Handelspolitik sind weitere Maßnahmen dringend geboten. Beispielsweise ein Umbau der Verkehrssysteme und -mittel: Derzeit werden 80 Prozent aller Waren mit Frachtschiffen transportiert, die das besonders schädliche Schweröl verbrennen. Außerdem: Verzicht auf den Handel mit Produkten der Agrarindustrie, die die naturnahe bäuerliche Landwirtschaft ruiniert; Einführung von Zöllen auf klimaschädliche Waren und Dienstleistungen; Einschränkung des Handels mit fossilen Brennstoffen.
Es gibt viele weitere Vorschläge, nachzulesen etwa in den Papieren des Netzwerks Gerechter Welthandel (https://www.gerechter-welthandel.org/material/alternativen/). Es fehlt also nicht an Ideen. Sondern am politischen Willen.
Siehe auch Pit Wuhrer in unserem Blog: SÜDAFRIKA: DAS FAIRTRADE- UND BIO-WEINGUT STELLAR ORGANICS – WEIN MIT WÜRDE