„Kölner Chaostage“, titelte die FAZ im April, als wieder einmal bundesweit über den Kölner Klüngel berichtet wurde. Eine vorsichtige Untertreibung. Aus den Tagen sind Monate geworden. Köln als permanentes Chaos. Politisch jedenfalls. In der größten Stadt von NRW, der viertgrößten Deutschlands, sollten die Bürger von einer kleinen Clique Volksvertreter nach allen Regeln der Kunst über den Löffel barbiert werden. Kein „Hänneschen-Theater“ mehr, wie es der Kölner gern über sich ergehen lässt, kein „Kölscher Klüngel“, wie ihn die Bürgerinnen und Bürger seit eh und je ertragen müssen. Ein Kölner Trauerspiel um Millionen von Euros, das selbst hart gesottenen Kennern der Kölner Politik-Kultur den Atem verschlug. „Ein Coup aus der Unterwelt“, wetterte der langjährige CDU-Stadtpolitiker Konrad Adenauer (71), ein Enkel des „Alten“, und drohte mit dem Austritt aus der Partei.
Begonnen hat das üble Spiel mit einer Absprache des CDU-Vorsitzenden Bernd Petelkau, des Grünen-Fraktionsgeschäftsführers Jörg Frank und des Kölner SPD-Paten Martin Börschel. Die drei einigten sich im April darauf, die bis dahin nicht vorhandene Stelle eines hauptamtlichen Geschäftsführers für alle Kölner Stadtbetriebe – von den Verkehrsbetrieben über die Abfallwirtschaft bis zur Rheinenergie – zu schaffen. Einziger Kandidat für den Job, der ihn zum Chef von mehr als 10 000 Mitarbeitern machte, war Martin Börschel. Ohne Ausschreibung sollte dem SPD-Mann der Posten mit einem Jahresgehalt von 500 000 Euro plus zusätzlicher Rentenanwartschaften zugeschoben werden.
Die Sache schien so sauber ausgeklüngelt, dass Börschel in der SPD-Landtagsfraktion auf das Amt des stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden verzichtete, für das Amt des Fraktionsvorsitzenden erst gar nicht antreten wollte und den Düsseldorfer Politik-Kollegen erklärte, er werde sich auf Aufgaben in der Domstadt zurückziehen. Auch, so soll er den KollegInnen der Landtagsfraktion erklärt haben, dass er mit der intransparenten Personalauswahl auf Landesebene nicht einverstanden sei.
Ironisch: Davon versteht er ja was. Denn da schien er sich sicher, dass der eigene – um es vorsichtig zu sagen – intransparente Stadtwerke-Deal in trockenen Tüchern sei. Wäre er auch gewesen, wenn nicht die parteilose, von CDU und Grünen im Rat getragene Oberbürgermeisterin Henriette Reker im letzten Augenblick den Coup gekippt hätte. Angeblich hatte die Verwaltungschefin nichts von den Ränken gewusst, die hinter ihrem Rücken geschmiedet worden waren. Für Überblick spricht das nicht, aber immerhin für Courage, sich von den Tricksern nicht auf der Nase herum tanzen zu lassen und im letzten Augenblick die Notbremse zu ziehen. Nach ihrer Intervention soll jetzt erst einmal ein Gutachten prüfen, ob der Posten eines hauptamtlichen Geschäftsführers für die städtischen Betriebe überhaupt notwendig ist.
Des Zockers Millionenspiel
Von der Oberbürgermeisterin ertappt, scheint sich der sozialdemokratische Strippenzieher Börschel jetzt an Reker rächen zu wollen. Weil er im Interessenkonflikt sein Amt als Aufsichtsratsvorsitzender der städtischen Betriebe aufgeben musste, schloss er sich mit den Vertretern der Linken und der Arbeitnehmervertreter im Gremium zusammen und verhinderte die Wahl Rekers zur Aufsichtsratsvorsitzenden. Stattdessen wurde der Arbeitnehmervertreter Harald Kraus, der in das Komplott eingeweiht war und zugunsten Börschels mit gekungelt hatte, zum Aufsichtsrat-Chef gegen die Stimmen von CDU, Grünen und FDP gewählt. Die Wahl des Arbeitnehmervertreters zum Aufsichtsratsvorsitzenden, die von namhaften Juristen als verfassungswidrig bezeichnet wird, ist vermutlich Börschels letzte Chance, den lukrativen Posten des Geschäftsführers doch noch zu ergattern. Denn außer dem Geständnis, dass ihm der unsaubere Hinterzimmerdeal leid tue, hat Börschel bisher trotz des Schadens für das Ansehen der Kölner Politik und besonders für seine SPD nicht auf die weitere Bewerbung verzichtet. Ein Zocker, der darauf zu hoffen scheint, dass sich der Lärm legt und er sein Millionenspiel doch noch gewinnen kann. Denn längst hat der bekennende Katholik wieder ein „reines Gewissen“.
Während die Rats-Grünen ihre Mitdealer arg in die Zange nahmen und den langjährigen Fraktionsgeschäftsführer Frank zum Rücktritt zwangen, der CDU-Vorsitzende Petelkau unter massiver Kritik von Parteifreunden gerupft aus der Affäre hervorging, hat es eine Aufarbeitung der Affäre in der SPD bislang nicht gegeben. Im Gegenteil. Unterbezirksgeschäftsführer Frank Mederlet bedankte sich bei Martin Börschel brav für die Arbeit, die er als Rats-Fraktionsvorsitzender für die Partei und die Stadt in 16 Jahren geleistet habe. Dass Börschel gemeinsam mit seinem Weggefährten, Nippeser Nachbarn und Kölner Vorsitzenden Jochen Ott die SPD der Domstadt an die Wand gefahren hat, das wird in der Partei nur hinter vorgehaltener Hand diskutiert. Wissend allerdings, dass es nach dem Börschel- Desaster wohl kaum eine Chance gibt, bei den nächsten Kommunalwahlen wieder einen Oberbürgermeister zu stellen. Das scheint auch Ott, der bei den letzten Wahlen als OB-Kandidat krachend scheiterte, klar zu sein. Aus Parteikreisen ist zu hören, dass er sich aus Kommunal- und Landespolitik zurückziehen will, um als Europaabgeordneter in Brüssel gut zu verdienen.
Was der dreiste „Coup aus der Unterwelt“ die Kölner Steuerzahler jenseits des Gehalts für Börschel wirklich gekostet hätte, ist gar nicht bekannt. Sicher ist im Kölner Ränkespiel nur: Wenn CDU und Grüne einem Sozi zu einem solch hoch dotierten Spitzenjob verhelfen wollten, haben sie sich darauf nicht zum Nulltarif eingelassen. Denn unabdingbarer Teil solcher schräger Kölner Geschäfte ist, das eine Hand die wäscht, auch eine andere waschen muss.
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