Herzkammern der SPD gab es während der vergangenen Jahrzehnte in der Bundesrepublik viele: Essen war einmal eine Herzkammer. Hannover war eine Herzkammer, Nürnberg und Nordhessen, Teile Frankfurts und auch Pirmasens, Hamm und Coburg. Westberlin barg eine Herzkammer und Düren. Herbert Wehner machte Dortmund zur „Herzkammer“ der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands schlechthin. Tatsächlich war das so. Dortmunds Sozialdemokratie war so stark wie sonst in keiner Regionalmetropole. Obwohl es viele Herzkammern gab, machte man Dortmund die Auszeichnung nicht streitig. Mit Widersprüchen der Art konnte die SPD damals bestens leben und gedeihen.
Manche Herzkammern schlagen jedenfalls noch: In Hamm hat Mark Herter die Oberbürgermeister- Stichwahl mit sehr deutlichem Vorsprung vor seinem Gegenkandidaten aus der CDU gewonnen, der 21 Jahre lang Verwaltungschef der Stadt war. In Dortmund hat Thomas Westphal die OB-Wahl für sich entschieden, obgleich es alles andere als rosig für ihn aussah.
Dortmunds Sozialdemokratie erreichte in der Kommunalwahl am 13. September 29,96 Prozent, ihr Oberbürgermeisterkandidat Thomas Westphal 35, 87 Prozent.
Die CDU holte 22,51 Prozent und deren Kandidat Andreas Hollstein 25, 87 Prozent, die Partei die Grünen landete bei 24,81 Prozent und deren Spitzenkandidatin Daniele Schneckenburger bei 21, 84 Prozent.
Westphal und Hollstein gingen in eine Stichwahl. Diese Stichwahl mit der vorab- Entscheidung der Grünen, den CDU- Kandidaten zu wählen, hat eine längere Vorgeschichte. Bereits vor einem Jahr haben dem Vernehmen nach Gespräche zwischen CDU und Grünen über die Kommunalwahl stattgefunden. Man konnte sich nicht über eine gemeinsame Kandidatur einigen, blieb aber im Gespräch miteinander. Es war Misstrauen zwischen den Fraktionen von der Mitte bis links von der Mitte zu spüren. Die SPD sprach nicht mit den Grünen über die kommende Wahl und bei den Grünen war lebhaft in Erinnerung, dass die Herzkammer-Repräsentanten gern Rat und Ausschüssen in Einzelfragen mit der CDU stimmten. Das kann man ja machen, aber sicher nicht mit einer vor Zukunftsoptimismus fast platzenden grünen Partei.
Es gab also hausgemachte Probleme zwischen grün und rot.
Allerdings reicht dies nicht als Erklärung für einen Spitz – auf –Knopf-Zustand. Die Grünen sind mittlerweile für breite bürgerliche Schichten wählbare Alternative zu CDU, SPD und FDP. Grün ist Lebensstil und eine Art informelles Versprechen: Wer mit uns zieht, hat die Zukunft auf seiner Seite. Und das wirkt selbst dann, wenn die SPD grüne Politik betreibt. Man will mit Grün das Original wählen statt einer als nachgemacht grün empfundenen SPD zu folgen. Im Kopf vieler Jüngerer vor allem fällt das rot der sozialen Frage hinter Umwelt-grün zurück.
Das gilt auch für die 600 000 Einwohner- Stadt Dortmund mit einem gewaltigen Prozess des Lösens aus der Grundstoff- Wirtschaft hinter sich, der vor allem von Sozialdemokraten organisiert worden ist. Es hat noch mal geklappt. Hauchdünn mit 52 zu 48. Eine sichere Bank für die Zukunft ist das nicht. Wenn Wehners Wort von der Herzkammer Zukunft haben soll, muss an Themen, an Präsentation, an Selbstbewusstsein noch viel gearbeitet werden. Nur jung und divers sein, wollen, das reicht nicht.
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