Putin - Lukaschenko

Putin schielt schon auf ein neues Amt

Zwei Jahrzehnte hat die Union mehr oder minder in einem Dornröschenschlaf verbracht. Jetzt mehren sich die Hinweise, dass der von Russland und Weißrussland am 8. Dezember 1999 geschlossene Bund doch noch zu neuem Leben erweckt werden soll. Die Gründe dafür sind allerdings nicht im Wiederaufleben nostalgischer Sowjetträume oder in veränderten politischen Bestrebungen zu suchen, sondern in den persönlichen Ambitionen des russischen Präsidenten. Will Wladimir Putin am Ende seiner aktuellen Amtszeit in fünf Jahren nicht aufs Altenteil gehen, braucht er für sein Machtinteresse ein neues Betätigungsfeld.

Die russisch-weißrussische Union bietet sich an. Als Hinterlassenschaft von Amtsvorgänger Boris Jelzin kann das Bündnis ungleicher Partner Putin eine neue Staatschefstellung verschaffen, ohne dass er dafür erneut die russische Verfassung zurechtbiegen oder zu einer Rochade mit Premierminister Dmitri Medwedew greifen müsste. Russischen Beobachtern jedenfalls erschließt sich das Faszinosum dieses Gedankenspiels; für den weißrussischen Präsidenten jedoch, der in den Ursprüngen noch treibende Kraft gewesen war, stellt es sich inzwischen als Schreckensszenario dar.

Anders als zu Jelzins Zeiten sähe sich Alexander Lukaschenko als schwächerer Partner mit einer Statistenrolle abgespeist. Die Aktivierung des Bundes mit Russland droht im äußersten Fall mit der Einverleibung von Belarus zu enden. Der oftmals als „letzter Diktator Europas“ titulierte Staatschef hat nach einem Vierteljahrhundert die Bedeutungslosigkeit vor Augen. Sein Österreich-Besuch im Herbst galt daher auch als ein Herantasten an Europa. Doch die Abhängigkeiten von Moskau sind vielfältig. Mit den vergünstigten Öl- und Gaslieferungen hat Russland ein erprobtes Druckmittel gegenüber Minsk in der Hand.

Gleichzeitig sind die Europäer wenig aufgeschlossen für neue Avancen. Seit den jüngsten Parlamentswahlen in Weißrussland im November gibt es im Abgeordnetenhaus nicht einmal mehr ein Feigenblatt der Opposition. Gewählt wurden ausschließlich Regierungstreue. Andere durften gar nicht erst antreten. In der Bevölkerung rumort es, doch Lukaschenko erstickt jedes zaghafte Aufbegehren im Keim.

Gegen einen Angriff von Putin aber könnte Lukaschenko sich nicht so leicht mit seiner hochgerüsteten Polizei erwehren. Die Verträge sind geschlossen; sie sehen neben einer Wirtschafts- und Währungsunion auch eine militärische Allianz vor und das gemeinsame Staatsoberhaupt, als das sich Putin nach 2024 installieren könnte. Die Deutsche Welle berichtete im September über Befürchtungen in Minsk, dass die 1991 erlangte Unabhängigkeit der Republik Belarus auf dem Spiel stehe. Entsprechende Demonstrationen, zu denen die Opposition aufgerufen hatte, seien erstaunlicherweise unbehelligt von der Staatsmacht geblieben, was als ein Anzeichen für Lukaschenkos Einverständnis gewertet wurde. Er hat die Präsidentschaftswahlen im kommenden Jahr im Blick und möchte sich nach 25 Jahren eine weitere Amtszeit sichern.

Bildquelle: Wikipedia, Presse- und Informationsbüro des Präsidenten

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Die promovierte Medienwissenschaftlerin arbeitete mehr als 20 Jahre in der Politikredaktion der Westfälischen Rundschau. Recherchereisen führten sie u. a. nach Ghana, Benin, Bosnien-Herzegowina, Kroatien, China, Ukraine, Belarus, Israel und in das Westjordanland. Sie berichtete über Gipfeltreffen des Europäischen Rates, Parteitage, EKD-Synoden, Kirchentage und Kongresse. Parallel nahm sie Lehraufträge am Institut für Journalistik der TU Dortmund sowie am Erich-Brost-Institut für Internationalen Journalismus in Dortmund wahr. Derzeit arbeitet sie als freie Journalistin.


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