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Thomas de Maiziere gerät in die Schusslinie: Rücktritt des Flüchtlingsamtschef Schmidt nur ein Bauernopfer

Alfons Pieper Von Alfons Pieper
18. September 2015
Thomas de Maizière

Bundesinnenminister Thomas de Maiziere(CDU) hat den überraschenden Rücktritt des Präsidenten des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge, Manfred Schmidt, bedauert, weil Schmidt „hervorragende Arbeit“ geleistet habe. Was man so sagt, wenn jemand die Brocken hinwirft, weil er von vielen Seiten heftige Kritik erfahren hat. Aber damit ist es nicht getan. Schmidt ist weg, nun hat der zuständige Minister keine Ausrede mehr, es ist auch niemand mehr da, der die Kritik auf sich ziehen kann, die eigentlich dem Bundesinnenminister gilt. Da soll sich de Maiziere mal nicht täuschen. Ab jetzt steht er in der Schusslinie.

Die Wut der Ministerpräsidenten, ihr berechtigter Zorn richtete sich vor allem dagegen, dass die Asylverfahren nicht beschleunigt worden sind. Und das ist der Knackpunkt. Es gibt jetzt schon 270000 Altfälle und bis zum Jahresende kommen bis zu einer Million neue hinzu. Wie soll das Problem je gelöst werden, wenn der zuständige Bundesinnenminister weiterhin den Eindruck erweckt, als reiche Business as usual? Gerade so, als sei nichts geschehen. Die Krisenlage ist in Berlin, ist bei Thomas de Maiziere nicht angekommen, er hat den Schuss nicht gehört. Eine Million Flüchtlinge bis zum Jahresende, wie will man die unterbringen, sie schützen gegen Nässe, die jetzt mit dem beginnenden Herbst zunimmt, sie schützen gegen die Kälte, mit der man in einigen Wochen rechnen muss, der Winter wird nicht auf de Maiziere warten.

Auch auf die Bedürfnisse der Deutschen achten

Vieles muss passieren, damit die Akzeptanz der heimischen Bevölkerung nicht unnötig erschwert wird. Es müssen neben winterfesten Quartieren preiswerte Wohnungen gesucht, neue preiswerte Wohnungen gebaut werden. Aber dabei ist auch auf die Bedürfnisse der Deutschen zu achten. Auch hier zu Lande gibt es viele Wohnungssuchende, die nicht den dicken Geldbeutel haben. Sie werden fragen und fragen jetzt schon: Was ist mit uns? Denkt Ihr nur noch an die Flüchtlinge? Und dann muss man sich um die Sprachkurse der Flüchtlinge kümmern, um die der Erwachsenen wie der Kinder, die eingeschult werden müssen. Jugendliche müssen ausgebildet werden und brauchen dazu Deutschkenntnisse, die sie nicht haben. Es kommen nicht nur die Besten aus den Krisenländern, die Diplom-Ingenieure und Ärzte, die Facharbeiter, die wir so dringen brauchen, es kommen auch Analphabeten, Leute ohne Abschluss und viele ohne Papiere. Einige geben sich als Syrer aus, sprechen aber kein Wort syrisch.

Es wird sich einiges ändern in Deutschland, Schulklassen werden größer werden müssen, damit Platz geschaffen werden kann für die Kinder der Syrer, Iraker, Afghanen und all der anderen. Es gibt eine Menge Probleme zu stemmen, es muss schnell gehen und es muss unbürokratisch gehen, nicht jede Arbeit kann europaweit ausgeschrieben werden. Man fasst sich an den Kopf, wenn in Passau normale Busse mit einer Platz-Kapazität von rund 50 Sitzen im Einsatz sind, aber nur 32 mitfahren dürfen. Sie fahren also halbleer die Flüchtlinge von A nach B. Warum, weiß niemand. Das ist so.

Es fehlt das Krisenmanagement des Ministers

Es ist eine besondere Situation, eine Krise und die bedarf eines Krisenmanagements, das der Minister bisher nicht gezeigt hat. Wir haben für jedes Problem einen Krisenstab, aber nicht für die Bewältigung der Flüchtlingsproblematik, die in dem Ausmaß niemand erwartet hat, ja erwarten konnte. Aber jetzt ist das Problem doch da, für jeden erkennbar. Warum zögert der Minister, warum hält er sich fest an seinen Papieren, die er unentwegt mit sich herumschleppt? Man hat den Eindruck, je weiter jemand weg ist von der Krise, desto weniger erkennt er dessen Ausmaß, desto weniger weiß er, wie er damit umgehen soll. De Maiziere hätte, das wäre seine Aufgabe gewesen, Manfred  Schmidt angesichts der Explosion der Flüchtlingszahlen, auf Trapp bringen müssen, damit es schneller geht, um den Menschen in Not zu helfen.

 

Damit das nicht missverstanden wird. Helfen wollen alle, selbstverständlich auch die Regierungschefs aus Bayern, NRW, Niedersachsen und und und. Die Parteizugehörigkeit spielt da keine Rolle. Aber die Ministerpräsidenten sind näher dran an den Problemen, ihre Leute in den Städten und Kommunen haben sich um die Aufnahme und die Abwicklung zu kümmern. Sie leisten, das wird in allen Staatskanzleien der Republik betont, hervorragende Arbeit. Niemand schaut auf die Uhr, es werden die Ärmel hochgekrempelt, um die anstehende Arbeit zu erledigen, winterfeste Zelte zu organisieren, Unterkünfte aufzubereiten, damit sie bewohnbar sind. Sie tun, was sie können. Sie rufen um Hilfe, damit den Menschen geholfen werden kann. Darum geht es, Herr Bundesinnenminister.

Es muss Tempo gemacht werden

Die Länderchefs, ob Seehofer oder Kraft, sind sich in dieser Einschätzung einig: Hier muss Tempo gemacht werden, es müssen Entscheider eingestellt werden, es muss schneller anerkannt werden, damit schneller mit der Integration begonnen werden kann. Es gehört natürlich auch dazu, schneller die Fälle zu entscheiden, die dann abzuschieben sind, weil sie keine politisch Verfolgten sind. Wenn sich hier nichts ändert, ertrinken die Länder und Kommunen. Schon heute arbeiten die Menschen in den Unterkünften am Anschlag, sie können nicht mehr.

Allein in NRW landen jeden Tag 3000 Flüchtlinge, jeden Tag. 650 kamen gestern mit Zügen in das Land an Rhein und Ruhr. Und NRW hat schon 144000 in diesem Jahr aufgenommen. Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer hat davon gesprochen, dass es im Allgäu mehr Flüchtlinge gebe als in ganz Frankreich. Zu beklagen ist, dass die USA, einst das Einwanderungsland der Welt, sich hier mehr als zurückhalten. Ein paar Tausend aufzunehmen, das ist nichts angesichts des Ansturms der Flüchtlinge aus Syrien, dem Irak, Eritrea, Afghanistan. Und ein Ende der Völkerwanderung ist nicht abzusehen.

Der Zorn der Länder richtete sich im Übrigen auch gegen die Kanzlerin und ihre Aussagen, es gebe keine Obergrenze beim Asyl und man werde das schon packen. Inhaltlich haben die Länderchefs damit kein Problem, auch sie wissen, dass es im Schengen-Europa keine Grenzen mehr gibt. Aber dass die Kanzlerin diese Sätze öffentlich machte, wird als Einladung durch „Mama Merkel“ an alle potentiellen Flüchtlinge gesehen: Ihr könnt alle nach Deutschland kommen.orst Und jetzt haben wir das Problem, dass die Ungarn mit Tränengas gegen Flüchtlinge vorgehen. Was wird ihr nächster Schritt sein? Nicht auszudenken.

Kopfschütteln, Entsetzen, Wut

Bei der Sitzung der Kanzlerin, dem Bundesinnenminister, seinem Flüchtlingsamts-Präsidenten und den Ministerpräsidenten erntete de Maiziere zunächst Kopfschütteln, dann Entsetzen, schließlich Wut. Man war auf Länderseite zornig über die Ignoranz in Berlin und die damit verbundene Inkompetenz. So habe der Minister Unterkünfte ins Gespräch gebracht, die schon längst in NRW und in Bayern für Flüchtlinge genutzt würden, nämlich Kasernen. Auch über die Kosten-Angaben des Bundes konnten die Länder nur noch lächeln. Drei Milliarden Euro trägt der Bund, allein NRW gibt bis Jahresende 1,7 Milliarden Euro aus. Experten sind sich längst im Klaren darüber, dass die Kosten viel höher werden.

Die Probleme gehören auf den Tisch, die Menschen müssen darüber informiert werden, was auf sie zukommt, man muss sie mitnehmen auf diesen nicht einfachen Weg. Nicht mit Angst, sondern mit Mut ja, aber mit einer Offenheit, die Raum lässt auch für manche Unsicherheit, die umgeht in diesem Land. Und es muss jetzt geschehen. Was jetzt versäumt wird, wird hinterher sehr teuer.

Dieses Land wird sich verändern. Ja doch. Wir packen das, wenn alle anpacken. Und dafür braucht es einen Generalplan, den der Minister bisher nicht vorgelegt hat, weil er die Lage anders eingeschätzt hat. Er ist nun mal ein korrekter Verwalter, kein Gestalter, keiner, der etwas wagt. Es heißt, Thomas de Maiziere genieße das Vertrauen der Kanzlerin. Mag sein. Wenn er zur Last wird für Angela Merkel, sollte er sich warm anziehen.

 

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Tags: AsylpolitikBamfde MaiziereFlüchtlingeFlüchtlingspolitikManfred Schmidt
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