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Schicksalswahl in Frankreich

Die Umfragen wiegen Emmanuel Macron in Sicherheit. Nach dem TV-Duell mit seiner Herausforderin in der Stichwahl bescheinigen die Meinungsforscher dem französischen Präsidenten einen deutlichen Debattensieg über seine rechtsextreme Herausforderin Marine Le Pen. Für Siegesgewissheit gibt das allerdings keinen Anlass; denn die große Zahl der Frustrierten bleibt bis zur Stimmenauszählung unberechenbar.

Anders als vor fünf Jahren kann sich Amtsinhaber Macron nicht der Unterstützung aller Demokraten sicher sein. Unter den Anhängern von Jean-Luc Melenchon, dem gestärkten Drittplatzierten des ersten Wahlgangs, werden viele nicht einmal mehr zähneknirschend ihr Kreuz bei dem Staatspräsidenten machen. Die Enttäuschung nach den letztlich ins Leere gelaufenen Gelbwestenprotesten sitzt tief; die Ankündigung einer Anhebung des Rentenalters weckt neuen Zorn; eine Politik des sozialen Ausgleichs erwarten sie von Macron nicht.

Mit dem Thema der angeblich schwindenden Kaufkraft hat die Rechtsextreme Marine Le Pen ihren Wahlkampf hauptsächlich bestritten. Um ihre Aussichten im dritten Anlauf zu verbessern, schwieg sie weitgehend über ihre nationalistische und rassistische Grundhaltung. Die schäbigste Hetze besorgte noch weiter rechts außen Eric Zemmour, sodass Le Pen in ein etwas milderes Licht rückte.

Dabei ist das, was sie sich nicht verkniffen hat zu sagen, ein einziges Schreckensszenario – für Frankreich und für Europa. Die Parole heißt zwar nicht mehr „Raus aus der EU“, doch die Aufkündigung der deutsch-französischen Freundschaft liefe wohl aufs Selbe hinaus: auf eine existenzbedrohende Schwächung der Union und ein Ende des historischen Einigungswerks.

Allein deshalb kann die französische Präsidentschaftswahl mit Fug und Recht als Schicksalswahl gelten, und Macron hat keinen Anlass zu selbstgefälliger Gelassenheit. Der große Hoffnungsträger von 2017 ist daheim weithin entzaubert. Statt mit der EU-Präsidentschaft und glänzendem Gehabe das Staatsmannsimage zu pflegen, muss er sich auf den letzten Metern doch noch in die Niederungen des Wahlkampfs begeben und um Unterstützung werben. Das ausgerechnet bei den Linken, die er bislang beharrlich vor den Kopf gestoßen hat. Viel Glaubwürdigkeit kann er da nicht vorweisen, viel Vertrauen nicht gewinnen. Für einen guten Ausgang muss am Ende doch der Wille der Wähler sorgen, eine rechtsextreme Präsidentin zu verhindern.

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Die promovierte Medienwissenschaftlerin arbeitete mehr als 20 Jahre in der Politikredaktion der Westfälischen Rundschau. Recherchereisen führten sie u. a. nach Ghana, Benin, Bosnien-Herzegowina, Kroatien, China, Ukraine, Belarus, Israel und in das Westjordanland. Sie berichtete über Gipfeltreffen des Europäischen Rates, Parteitage, EKD-Synoden, Kirchentage und Kongresse. Parallel nahm sie Lehraufträge am Institut für Journalistik der TU Dortmund sowie am Erich-Brost-Institut für Internationalen Journalismus in Dortmund wahr. Derzeit arbeitet sie als freie Journalistin.


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