Satire entlarvt, demaskiert, sie übertreibt, untertreibt, verspottet, sie schmäht und erzeugt Zorn. Sie bleibt aber immer, sofern sie Satire sein will, Literatur, eine Form in der Literatur.
Sie darf Kritik an einer oder mehreren Personen nicht auf eine ganze Gruppe übertragen. Sie darf Menschen nicht aus ihrem letzten, schützenden Mantel zerren, den die haben: ihre Würde. Ansonsten darf sie alles, wie Kurt Tucholsky 1919 schrieb.
Satire, schrieb er freilich einschränkend, blase die Wahrheit auf, damit diese deutlicher werde. Das ist keine Einladung zum „anything goes“. Wer Tucholsky so versteht, der irrt. Grundlage der Satire ist für ihn Wahrheit.
Satire ist demnach kein parteipolitischer Kampf, kein Kampf von Gruppen gegeneinander, sondern sie geht von einer Person aus, die etwas sucht. Dazu nutzt sie Mittel: entlarven, demaskieren, übertreiben, untertreiben, verspotten, schmähen, zornig machen. So kann sie literarische Form bleiben.
Wer diese Mittel einsetzt, sollte, nein muss seine Position klären. Wie Tucholsky das beispielsweise 1928 getan hat: „Wir sind Landesverräter. Aber wir verraten einen Staat, den wir verneinen, zugunsten eines Landes, das wir lieben – für den Frieden und ein wirkliches Vaterland: Europa.“
Wer sich das vorstellt, stellt fest: Tucholsky war kein zweiter Moses, der mit der Schrift Gottes auf zwei Tafeln eingeritzt vom Berg Horeb herabgestiegen ist. Wer Tucholsky auf das Sätzlein beschränkt, Satire „darf alles“, macht aus ihm einen Moses, der er nicht war und nicht sein wollte.
Satire hat Voraussetzungen und Bedingungen. Sie muss zwingend dem Gewissen folgen, das der Schöpfer der Satire hat. Und wenn sie ungerecht und verletzend ist, also ist, was sie sein soll, herrscht Anspruch auf Erklärung. In einem Kaiser-Staat oder in einer Republik, deren Rechtsprechung von Gegnern derselben okkupiert worden ist, entfällt der Anspruch auf Erklärung. Aber in unserer Republik ist das nicht der Fall. Sie funktioniert, schützt den Satiriker/in. Ist das so, dann müssen Satiriker/innen penibel auf die Bedingungen des Satirischen achten. Und wer eine Gruppe komplett zu „Abfall“ und „Müll“ erklärt, der hat den Bereich der Satire als literarische Form verlassen. Der betreibt Agit.-Prop. Für irgendetwas. Literarisch schützenswert ist das nicht.
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