Wohl keine andere Partei wird in diesen Tagen so auseinander genommen wie die SPD. Sie wird öffentlich seziert, in kleinste Einzelteile zerlegt und mit scheinbar wohlmeinenden Ratschlägen wieder so zusammen gefügt, dass nichts mehr zusammen passt. Martin Schulz ist mittlerweile binnen knapp eines Jahres zum traurigen Ritter Don Quijote verkommen, der im Kampf gegen die medialen Windmühlen fast schon Mitleid erweckt, wenn er nicht so katastrophale Fehler gemacht hätte. Dabei ist ein erstaunliches Paradoxon fest zu stellen. In den Umfragen liegt die SPD bei 19 Prozent. Sie verbucht aber dennoch einen enormen Mitgliederzuwachs wie zuletzt in ihren besten Zeiten unter Willy Brandt.
Da gibt es einen Parteivorsitzenden, der seine Glaubwürdigkeit durch zweimaliges Umfallen binnen eines Jahres nahezu restlos verloren hat. Dabei sollte nicht vergessen werden, dass das gesamte Parteipräsidium Schulz im Nein unterstützte, als er sogar noch nach dem Scheitern der Jamaika-Verhandlungen eine GroKo ausschloss .Als der Wind sich aber drehte und auch noch eine bundespräsidiale Wirkung entfachte, stand Martin Schulz alleine gelassen im öffentlichen Regen. Von all den prominenten Wahlverlierern, den Stegners oder Schäfer-Gümbels, war da nichts zu hören. Vereinsamung statt Solidarität. Da traf wieder die alte politische Erfahrung zu: Wenn Parteifreunde dir versichern, hinter einem zu stehen, ist es immer gefährlich. Besser ist es: Sie sollten vor einem stehen. Dann kann man sie so besser im Auge behalten. Das hätte Martin Schulz wissen müssen. Ein Neuling ist er nicht auf dem politischen Parkett. In der Schlangengrube des Berliner Willy Brandt Hauses gilt er als angezählt und nur die Tatsache fehlender Alternativen rettet ihm das politische Überleben.
Die quälenden letzten Monate aber auch der Bonner Parteitag haben deutlich gemacht, durch die SPD geht ein Riss und Martin Schulz kann ihn nicht kitten. Die 600 Delegierten auf dem Bonner Parteitag waren in zwei fast gleich große Lager gespalten. Nur das geschlossene Votum des 45 Kopf großen Vorstandes brachte letztendlich die Zustimmung von 56 Prozent für Koalitionsverhandlungen mit der Union. Der vierschrötige Appell von Andrea Nahles hat zwar auf dem Bonner Parteitag für Stimmung gesorgt, ob er aber bei den Mitgliedern auch Stimmen bringt, ist sicher noch fraglich .Angesichts des starken Zulaufs bei den Jusos und ihrer massiven Anti-GroKo-Kampagne ist es längst nicht ausgemacht, ob nicht auch bei den stark wachsenden Neumitgliedern die Kritiker in der Mehrheit sind. Die SPD-Führung kann sich also nicht sicher sein, dass letztendlich der Mitgliederentscheid die GroKO durchgehen lässt.
Das Gehampele um das Sondierungspapier, welches Schulz erst über den grünen Klee lobte um es dann kurzerhand als Provisorium zu verwerfen, hat seine Führungsschwäche all zu deutlich gemacht. Er tritt mittlerweile in seinen Sonntagsanzügen wie ein gehemmter IG-Metallfunktionär auf, der seine Vertrauensleute nicht mehr hinter sich weiß. Schulz muss deutlich sozialdemokratisch geprägte Ergebnisse liefern. Wenn dies bei den Koalitionsverhandlungen, u.a. bei den Themen Arbeit und Gesundheit, nicht gelingt, werden die SPD-Mitglieder wohl ein Veto einlegen.In den Ortsvereinen ist die Stimmung angefasst. Das Misstrauen groß. Schulz und seine Führungsgenossen haben es auch versäumt, deutlich zu machen, dass es nicht allleine darum geht, gesellschaftliche Verhältnisse zu verbessern sondern – Beispiel Gesundheitsreform – sie zu verändern. Das Thema Glaubwürdigkeit wieder vom Grundsatz her zu denken und in die politische Realität zu wandeln. Sollte Martin Schulz aber auch noch trotz gegenteiliger öffentlicher Bekundung ein Ministeramt im künftigen Kabinett Merkel annehmen, dann droht die Lüge zur Gesinnungsgenossin zu werden.
Bildquelle: pixabay, User PublicDomainPictures, CC0 Creative Commons