Der Blick zurück auf das Jahr 2018 macht noch einmal klar, warum die SPD derzeit zwischen allen Stühlen nach Sitzgelegenheiten sucht. Erneut ist es ihr nicht gelungen, größere Unterscheidbarkeit zur Union in der GroKo herzustellen. Dass dies aber doch möglich sei, war einer der gnadenlosen Hinweise, zu der sich die als Vorsitzende der SPD herangezogene ehemalige Juso-Vorsitzende Andrea Nahles auf dem Entscheidungsparteitag in Bonn verstieg, der sie etwas gequält an die Spitze der Partei hievte. Nichts von der Überzeugung will sich einfinden, die sie doch als möglich und notwendig beschwor, dass die Erneuerung der SPD auch in einer Groko möglich sein würde, wenn man es nur wolle.
Seither wird nur hörbar, dass sie den von vielen gewünschten Ausstieg aus der Koalition als parteischädigend zurückweist, weil er für sie der Weg zur Spaltung der SPD sei. Diese erstaunliche Feststellung gelang ihr ausgerechnet auf dem Bundeskongress der jungen Sozialdemokraten im Herbst 2018. Dabei reicht es ihr nicht, mit welcher Zurückhaltung der Vorsitzende der Jungsozialisten, Kevin Kühnert, diese seine Überzeugung vortrug, die ihm aus nachvollziehbaren Gründen als eine in naher Zukunft unabweisbare Notwendigkeit erscheint. Der Zeitraum dahin ist ablesbar an den politischen Daten des kommenden Jahres, die mit der Europawahl beginnen und sich fortsetzen in den Landtagswahlen im Osten der Republik. All dies wird erkennbar machen, welcher Einfluss der europäischen Sozialdemokratie in Europa und in Deutschland verbleiben kann.
Wieder einmal Andrea Nahles
Ebenso bedeutsam dürfte das Abschneiden der Unionsparteien bei der Europawahl sein und ihre sich daraus ergebende Verlässlichkeit, eine möglicherweise weidwunde SPD in der Koalition zu halten. Denn wieder einmal war es das Zutun von Andrea Nahles, auf einen Kompromiss des Paragraphen 219 zuzusteuern und eine Mehrheit zurückzuweisen, die im Bundestag mit Grünen, Linke und FDP und der SPD die Streichung des angeblichen „Werbeverbots“ für Arztpraxen oder Kliniken, die den Abbruch einer Schwangerschaft anbieten, ermöglicht hätte.
Die Auseinandersetzung hätte der SPD geholfen, unterscheidbar zu sein, und für die eigene Fraktion den Fraktionszwang in dieser Frage aufzuheben. Ebenso wenig überzeugend sind die Gesetze zur Familienförderung, die von der Koalition auf den Weg gebracht wurden. Vorgesehen darin ist auch eine Erhöhung des Kindergeldes ab Januar 2019 von zehn Euro pro Kind und ab 2021 weitere 15 Euro pro Kind.. Alleinerziehende Mütter, die Hartz IV beziehen, haben davon leider keinen einzigen Cent Anteil. Ihnen wird die Erhöhung bei Hartz IV in voller Höhe wieder abgezogen. Beides nur Hinweise darauf, dass die SPD in dieser Koalition ihre Erneuerung wohl kaum durchsetzen kann.
Dass dies auch im Blick auf die personelle Erneuerung der CDU im Vorsitz der Partei nicht leichter wird, lässt ich am Wahlergebnis zum Parteivorsitz ablesen: Der Riss Merz/Kramp-Karrenbauer teilt die CDU faktisch in zwei ziemlich gleiche Hälften. Sich dagegen durchzusetzen und das eigene Profil zu schärfen, wird damit nicht leichter.
Gelernt hat aus allem vor allem die CSU. Wer die Lobeshymnen des scheidenden CSU-Vorsitzenden und noch amtierenden Innenministers Seehofer auf Angela Merkel liest, wird nur schwer das Würgen im Halt zurückdrängen können, wenn dort steht, welche weibliche Einmaligkeit sich da seit Jahren seiner tiefen Bewunderung erfreuen konnte. Das wird nur von seinem Nachfolger Söder im Amt des CSU-Vorsitzenden übertroffen, der wiederum Horst Seehofer als das größte politische Mannsbild beschreibt, das in der Geschichte der CSU je sein Wesen getrieben und damit seine, Söders Bewunderung auf den Fersen hat.
Das Jahr 2018, was für ein Jahr, das da mit einer solchen politischen Lei(d)kultur seinem Ende entgegen geht.
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