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Ich habe Deutschland als offen  Fremden gegenüber kennengelernt: Die Kölner Ereignisse dürfen die Willkommenskultur nicht kaputt machen

Caterina Massai Von Caterina Massai
28. Januar 2016
Willkommen

In den allerersten Januartagen fuhren wir – meine Familie und ich – die lange Strecke von meiner alten Heimat Florenz nach Bonn, unserer neuen – nun auch schon „alten“ – Heimat. Fröhlich waren wir, nach der Besichtigung des neu eingerichteten Museums Unterlinden in Colmar. Und dann erreichte uns die Nachricht von den entsetzlichen Kölner Ereignissen. Sie traf uns wie ein Blitz aus heiterem Himmel.

Unglaublich, so unsere erste Reaktion, die sich in dem Moment aber nur auf die nüchternen Fakten bezog. Im Lauf des Tages – und der Fahrt – kamen die Nachrichten immer wieder auf das Thema zu sprechen. Und immer wieder wurde ein Punkt betont: die betroffenen Frauen hätten unmittelbar nach den Taten von Flüchtlingen als mutmaßlichen Tätern gesprochen.

Und genau dieser Aspekt der Problematik hat mich besonders (negativ) beeindruckt. Wie ist es denn möglich, habe ich mich gefragt, dass unter Schock stehende Frauen sofort und so genau auf eine bestimmte Gruppe der Bevölkerung den Zeigefinger richten? Haben vielleicht Flüchtlinge oder Asylsuchende ein Aushängeschild um, das sie als solche erkennbar macht? Nein, das haben sie nicht, deshalb hat mich diese Frage in den folgenden Tagen weiterbeschäftigt

Flüchtlinge wollen überleben

Warum denn haben die Opfer der Silvesternacht nicht allgemein von Ausländern (das erkennt man an der Aussprache oder an der gesprochenen Sprache) oder von dunkelhäutigen Personen (das wäre auch ein unumstrittenes Kriterium) geredet? Natürlich nicht aus Bosheit oder in der Absicht, jemandem oder einer Gruppe zu schaden. In einer so dramatischen Situation ist man entweder völlig durcheinander – was ich natürlich verstehen würde – oder man sammelt seine Kräfte, um alle möglichen Informationen den Beamten zur Verfügung zu stellen und die Begriffe zu verwenden, die am besten geeignet scheinen, um die Lage zu beschreiben. Und auf einmal schien in jener Nacht offensichtlich der Begriff „Flüchtling“ der geeignetste, um Klarheit zu schaffen. Wenn es tatsächlich so ist, wie ich vermute, dann mache ich mir Sorgen.

Das würde nämlich auf eine gefährliche Wandlung der Definition „Flüchtling“ hindeuten, die unterschwellig auch eine Bedeutung als „kriminell“ in der allgemeinen Wahrnehmung angenommen hat. Zu einer solchen Gleichung „Flüchtling gleich Kriminelle“ sage ich nein.
Eine solche Einstellung Flüchtlingen und allgemein Ausländern gegenüber passt nicht zu diesem Land, das ich vor vielen Jahren als junge Erasmusstipendiatin als offen und neugierig dem Fremden gegenüber kennengelernt habe. So eine Einstellung schadet unserem Land und der Mehrheit der Flüchtlinge und Asylsuchenden, die gar keine kriminellen Absichten haben und lieber in ihrer Heimat geblieben wären, wenn das nur irgendwie möglich gewesen wäre!

Dass Flüchtlinge sowie Ausländer keine potentiellen Kriminellen sind, zeigen deutlich auch die Statistiken, die auf eine ähnliche Quote an kriminellen Taten für Ausländer wie auch für Einheimische hinweisen. Ein Zweites kommt hinzu: Dass sie nicht mehr als andere Bevölkerungsgruppen sexuelle Delikten begehen, zeigt gerade die Chronik dieser letzten Tagen, als die Bonner Rheinaue Schauplatz der Verfolgung eines mehrfach verurteilten Vergewaltigers war, dessen Name sicherlich nicht ausländisch klingt. Oder wollen wir noch die Sexualdelikte in Erwägung ziehen, die bei großen Veranstaltungen, wie z. B. beim Oktoberfest in München, begangen werden?

Integration und Erlernen der Sprache

In diesen konfusen Tagen kann und darf man nicht vergessen, dass Flüchtlinge hier sind, weil sie erstens überleben, dann arbeiten und bessere Chancen ihren Kindern bieten wollen. Sie brauchen Perspektiven auf lange Sicht und die kann Deutschland ihnen sehr wohl anbieten, sobald die Mentalität des Notfalls – die leider im Moment die Handlungen der Regierung bestimmt – den Platz zu Gunsten von Programmen für die langfristige Integration von Flüchtlingen räumt. Oder – was noch besser wäre – wenn die Konditionen ihrer sicheren Rückkehr geschaffen worden sind. Das Letztere übrigens erreicht man sicherlich nicht mit der aktiven Unterstützung militärischer Handlungen.

Zur Zeit geht die Politik leider an diesen Kernthemen vorbei, wie die Nachrichten dieser Tage zeigen. In Amsterdam diskutieren die Minister der 28 europäischen Länder über eine mögliche Schließung der inneren Grenzen der jeweiligen Staaten; in Deutschland sprechen einige Politiker gern von „Obergrenze“ oder andere von einem „Plan A2“. Denn man möchte keine Gelegenheit ungenutzt lassen, um sich zu profilieren, wenn eine wichtige Landtagswahl vor der Tür steht. Noch gravierender an der Realität vorbei war das „Rezept“, das Frau von Storch von der AfD vielen deutschen Haushalten vom Sofa von Anne Will aus via Fernsehen am vergangenen Sonntag aufgetischt hat: Um ihre populistischen Ziele zu erreichen, scheut sie sich nicht, ihr eigenes Land als Bananenrepublik zu bezeichnen und den Artikel 16a des GG völlig unpassend zu zitieren, um ihre ausländerfeindlichen Positionen hinter dem vermeintlichen Schutz des deutschen Rechts zu bekräftigen. Dazu hat sich übrigens der Präsident des Bundesverfassungsgerichts geäußert, indem er unmißverständlich gesagt hat, dass jede Obergrenze verfassungswidrig ist.

Die großartige Willkommenskultur, die im letzten halben Jahr die Aufnahme von Flüchtlingen in Deutschland bestimmt hat, wird nun von einer verabscheuenswerten Minderheit und demagogischen Politikern in Frage gestellt. Das ist gesellschaftlich gefährlich und grundsätzlich falsch, denn überall in Deutschland sind positive Erfahrungen in der Unterstützung von Ausländern und Flüchtlingen gesammelt worden, viele auch hier im Bonn.

Stellvertretend dafür sei hier z. B. der AsA-Verein erwähnt, der seit fünfzehn Jahren unbegleitete Minderjährige und Jugendliche beim Studium der Sprache und der Suche nach einem Ausbildungsplatz unterstützt. Denn nur mit der Schaffung langfristiger Perspektiven – und nicht allein mit der Politik des „Wir schaffen das“ – kann man Fremden den Weg zur Integration erschließen.

Sicherlich ist nicht die populistische Forderung nach Einführung einer „Obergrenze“ in der Flüchtlingspolitik die Lösung der dringenden Fragen. Diese würde nur zu Schlangen an der Grenze führen, bevor sie in Kraft tritt. Und was passiert mit denjenigen, die in das von der Obergrenze vorgesehene Kontingent nicht mehr passen? Das ist die allererste Frage, die unsere Politiker sich selbst stellen sollten, bevor sie sich Maßnahmen ausdenken, um den unaufhaltsamen Fluss von Migranten zu stoppen oder auch nur zu reduzieren.

Bildquelle: Wikipedia,  Epson291, en.wikipedia, gemeinfrei

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Tags: AusländerhassFlüchtlingeFlüchtlingspolitikIntegrationKöln HBfSilvester KölnWillommenskultur
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