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Home Politik

Als die Polen sich gegen die Nazis erhoben – Vor 75 Jahren

Alfons Pieper Von Alfons Pieper
1. August 2019
Warschau, Denkmal

„Hier ist ein Gräberfeld. Hier ist der Tod“. So sah die polnische Schriftstellerin Janina Broniewska ihre völlig zerstörte Hauptstadt Warschau, als sie kurz nach der Befreiung in die Stadt kam. Warschau lag in Trümmern und war nicht wiederzuerkennen. Wer immer sich mit Polen beschäftigt, wer immer nach Polen reist und heute die längst wieder aufgebaute wunderschöne Hauptstadt besichtigt, wird mit der Zerstörung Warschaus konfrontiert, mit dem Überfall von Nazi-Deutschland auf Polen am 1. Septmber 1939, mit dem Warschauer Aufstand gegen die verhasste Wehrmacht am 1. August 1944, heute vor 75 Jahren, und der blutigen Niederschlagung der polnischen Erhebung am 2. Oktober 1944.

Mir erging es vor Jahren so wie es dem deutschen Außenminister Heiko Maas bei seinem jetzigen Besuch in Warschau passierte: Man schämt sich als Deutscher angesichts der Verbrechen an den Polen. Nach dem Willen Hitlers und Himmlers wurde die polnische Hauptstadt buchstäblich dem Erdboden gleichgemacht, Zigtausende wurden getötet. Der Historiker Heinrich August Winkler spricht in seinem großen Werk „Geschichte des Westens“ von den „Warschauer Massenmorden“.

Denkmal Warschauer Aufstand 1.8.1944Am 1. August 1944 hatte sich die Armia Krajowa- so hieß die polnische Heimatarmee- gegen die Nazi-Besatzer erhoben. Die Hauptstadt sollte durch Polen befreit werden, das war das Ziel,  nicht durch sowjetische Truppen, die auf der anderen Seite der Weichsel lagen und den verzweifelten Kämpfen der unterlegenen Polen zuschauten. Dass sie sich an diesem Tag erhoben, hing wohl auch mit dem gescheiterten Attentat von Oberst Claus Schenk Graf von Stauffenberg auf Hitler in der Wolfschanze am 20. Juli 1944 zusammen, vermutet Winkler. Für die Polen war der Anschlag ein klares Zeichen für den bevorstehenden Zusammenbruch des Dritten Reichs. Waffen und Munition hatten sie von den westlichen Alliierten bekommen, allerdings nicht in dem Maße, um die Wehrmacht-Übermacht wirklich in Gefahr zu bringen. Auf 40000 wird die Zahl der kämpfenden Aufständischen geschätzt. Ein paar Tage konnten sie die Nazis zurückdrängen, aber ab dem 4. August folgte der Gegenangriff der Deutschen .

Mit Artillerie, Flammenwerfern, Bomben

Hitler und Himmler hatten den Befehl erteilt, Aufständische sofort zu erschießen. Warschau galt als die Stadt der polnischen Intellektuellen und als Stadt des nationalen Widerstands. Die Nazis kannten keine Gnade und gingen mit unvorstellbarer Brutalität vor: Mit Artillerie und Flammenwerfern, unterstützt von Bomben, die die deutsche Luftwaffe auf das Zentrum der Stadt abwarf, wurde der Aufstand niedergeschlagen. Winkler spricht in seinem Buch u. a. von 40000 umgebrachten Warschauern, darunter verwundete Kämpfer sowie Ärzte und Krankenschwestern, die sie behandelt hatten, ermordet von einer Sondereinheit von Straftätern, der Brigade Dirlewanger, die vorher bereits an Massakern in Weißrussland beteiligt gewesen war. Eine andere Sondereinheit habe Tausende von Polinnen vergewaltigt. Als der Aufstand nach 9 Wochen mit der Kapitulation der Polen zu Ende war, hatten insgesamt  bis zu 200000 Polinnen und Polen ihr Leben verloren, neun Zehntel davon Zivilisten. Wer überlebt hatte, vielleicht eine halbe Million Menschen, wurde aus Warschau vertrieben, die Stadt und ihre kulturellen Schätze wurden zerstört. 90 vh der Gebäude lagen in Trümmern, das „Paris des Ostens“ gab es nicht mehr.

Die Geschichte des Warschauer Aufstands wurde mir das erste Mal in Warschau erzählt bei einem Besuch von Willy Brandt in der polnischen Hauptstadt in den 1980er Jahren. Die Schilderung der brutalen Niederschlagung der Erhebung, das bestialische Vorgehen der deutschen Soldaten, der SS, aber auch der Wehrmacht, die Bilder vom zerstörten Warschau, all das macht einen sprachlos. Heiko Maas sprach von „tiefer Scham“, die er empfinde. Es erfülle ihn „mit Demut und Dankbarkeit“, bei den Gedenkfeiern zum Jahrestag des Aufstands dabei sein zu dürfen.

Der Warschauer Aufstand darf nicht mit dem Aufstand im Warschauer Ghetto im April und Mai 1943 verwechselt werden, der ebenfalls von den Nazis blutig niedergeschlagen wurde. Vor dem Denkmal für die Helden des Ghettos kniete am 7. Dezember 1970 Bundeskanzler Willy Brandt in einer Versöhnungsgeste etwa eine Minute nieder. Die Geste überraschte alle Beobachter und Journalisten. Ausgerechnet Willy Brandts, der selber vor den Nazis fliehen musste, bat um Vergebung für die Millionen Verbrechen der Nazis an den Polen. Später wurde der deutsche Kanzler mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet. In der Bundesrepublik war der Kniefall Brandts umstritten. Ein Teil der Bevölkerung sah die deutsche Ehre offenbar nicht durch die Naziverbrechen beschmutzt, sondern durch die Bitte des großen Sozialdemokraten, sie zu verzeihen.

 

Quellen: Heinrich August Winkler: Geschichte des Westens. Die Zeit der Weltkriege 1914 bis 1945. Beck-Verlag München. 2011

Ian Kershaw: Höllensturz. Europa 1914 bis 1949. DVA. München. 2016. Deutsche Geschichte. Von der Antike bis Heute. Süddeutscher Verlag. Edition. Random House. München 2018.

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Tags: AussöhnungErinnerungskulturGegen das VergessenHolocaustNationalsozialismusNazi-VerbrechenNSNS-TerrorWarschauer Aufstand
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