Das hätte sich der Horst Seehofer alles ersparen können, wenn er rechtzeitig gemerkt und gesagt hätte, dass es Zeit ist für ihn, zu gehen. Nun hat er es nach einigem Zögern in Form einer Drohung, die keiner ernst nehmen wird, getan: Er werde nicht den Watschenbaum abgeben, eher trete er zurück. So ist es Recht, Herr Seehofer. Das mit dem Watschenbaum ist ein gutes Bild, das ins Bayerische passt. Und einige Watschten hat er ja schon bekommen, andere sind im Anflug. Die CSU sucht einen Hauptschuldigen für die herben Verluste bei der letzten Landtagswahl und sie ist fündig geworden: Horst Seehofer hat den schwarzen Peter. Wenn nicht alles täuscht, wird es einen Sonderparteitag geben, auf dem sich die CSU neu aufstellen wird. Und einer gehört nicht mehr dazu, soviel dürfte sicher sein: der amtierende Chef der Partei.
Er hat sich lange gewehrt gegen die Schuldzuweisungen, weil er ja meinte, gar nicht zur Wahl zu stehen, auf keinem Plakat zu sehen zu sein. Und dennoch muss er die Suppe auslöffeln, die er sich aber teils selber eingebrockt hat. Die scheidende Landtagspräsidentin Barbara Stamm hat ihn zum Rücktritt aufgefordert und den wichtigen Grund genannt, für den Seehofer steht: die Asyl-und Flüchtlingspolitik, die alles im Landtagswahlkampf überragte. So gelang es der Partei nicht, mit anderen Themen die Menschen auf ihre Seite zu ziehen, es herrschte die Angst vor der Überfremdung vor, vor zu vielen Flüchtlingen. Seehofer selbst hatte lange die Debatte forciert mit seiner falschen Forderung nach einer Obergrenze von 200000. Dabei hätte es genügt, darauf hinzuweisen, dass Deutschland nicht alle Flüchtlinge nehmen könne. Eine Binsenweisheit, zumal sich herausgestellt hat, dass die Zahl der Flüchtlinge drastisch abgenommen hat. Und noch eins gilt es hierbei festzustellen: Längst nicht alle Flüchtlinge wollen nach Deutschland oder ins gelobte Bayern.
Auch eine andere, sehr wichtige Stimme aus der CSU hat sich gemeldet, sie wird ihm nicht gefallen: der Ehrenvorsitzende Theo Waigel, selber früher Parteichef. Waigel ist eine Institution, er hat Gewicht in der Partei. Er ist anerkannt, genießt Respekt. Theo Waigel hatte in Gastbeiträgen für die „Süddeutsche Zeitung“ und den „Münchner Merkur“ Verantwortung und Konsequenzen gefordert: inhaltlich, strategisch und personell. Man habe auf die falschen Themen gesetzt und wichtige Wählergruppen vor den Kopf gestossen. Die CSU müsse sich für den Umweltschutz, die Jugend und die Heimat in einer globalisierten Welt einsetzen.
Als Theo Waigel ein gutes Beispiel gab
Waigel erinnert in seinen Gastbeiträgen daran, wie man ihm 1993 persönlich mitgespielt habe, er habe diese Gemeinheiten weggesteckt und einen Beitrag zum Miteinander in der CSU geleistet. Damit spielte der CSU-Politiker auf die Intrigen gegen seine Person an, als es um das Amt des bayerischen Ministerpräsidenten ging. Damals haben CSU-Leute Waigels private Probleme in die Öffentlichkeit getragen, die Medien berichteten darüber. Edmund Stoiber hat später dementiert, dass er daran mitgewirkt habe. Fakt ist, diese Geschichte hat mit dazu beigetragen, dass Stoiber Ministerpräsident wurde und nicht Waigel. Ein paar Jahre später übernahm Waigel bei einem Bundestags-Ergebnis von über 47 Prozent die Verantwortung, zog die Konsequenzen und machte den Stuhl des CSU-Parteichefs frei. Auch darauf hat er jetzt hingewiesen. Im Grunde ein gutes Beispiel für den, der einsichtig und nicht stur ist, der nicht nur an sich denkt.
Waigel kritisiert die Anti-Merkel-Stimmung in der CSU, an der einer wie Seehofer mit seinen ständigen Angriffen auf die Kanzlerin-„Herrschaft des Unrechts“- beteiligt war. Unvergessen die Szene, als er die CDU-Chefin am Ende eines CSU-Parteitags neben sich stehen ließ und er sie vom Rednerpult herab abkanzelte. Ein ungeheuerlicher Vorgang, eine Demütigung für Merkel, aber auch ein Zeichen schlechten Benehmens durch Seehofer. Auch die Forderung aus CSU-Kreisen „Merkel muss weg“ hält Waigel nicht für zielführend. Man könne in einer gemeinsamen Regierung mit einer gemeinsamen Kanzlerin nicht gleichzeitig drinnen und draußen sein. Waigel erinnert auch an den Fall des obersten Verfassungsschützers Maaßen und betont: „Herr Maaßen mag ein vorzüglicher Beamter sein. Die Aufgabe eines Geheimdienstchefs ist es allerdings, zu informieren und sonst sein Maul zu halten. Er hat nicht die Aufgabe, Interviews mit der Bild-Zeitung zu führen.“
Kritik übt Waigel auch an seinem früheren Gegenspieler Stoiber, der betont hatte, die vielen Zugezogenen trügen eine Mitschuld an den Verlusten der CSU. Waigel hält eine solche Auffassung für eine „Fehleinschätzung, zu glauben, der Zuzug von Menschen außerhalb Bayern nach Bayern habe die CSU geschwächt. Wir haben einen solchen Zuzug auch in den 80er, 90er Jahren und danach gehabt und waren in der Lage, diese Menschen zu integrieren und zu CSU-Wählern zu machen.“
Die Luft ist dünn geworden für Seehofer, weil inzwischen mehrere CSU-Bezirke einen Sonderparteitag gefordert haben, darunter die Bezirke Schwaben, Oberfranken und Oberbayern. Und die Forderungen aus den Kreisverbänden nach seinem Rücktritt werden immer lauter. Eigentlich ist er gewählt als CSU-Parteichef bis Ende 2019. Sie werden ihn aus dem Amt drängen, wenn er am Stuhle kleben sollte. Ein früherer Bundespräsident, Gustav Heinemann, ist einst freiwillig ausgeschieden mit den Worten: „Man muss gehen, so lange man noch laufen kann.“
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