Armin Laschet(59) ist also CDU-Vorsitzender, also wird er auch Kanzlerkandidat der Union. Wer sonst? Etwa Markus Söder(54)? Die Entscheidung fällt im Frühjahr in einem Gespräch zwischen den beiden Ministerpräsidenten.
Die Leser des Blog-der-Republik werden sich erinnern, dass ich im Vorfeld des CDU-Parteitags, auf dem ein neuer Vorsitzender gewählt werden sollte, geschrieben habe: „Mein Favorit ist Armin Laschet.“ Der Favorit hat das Rennen gegen Norbert Röttgen und vor allem gegen Friedrich Merz gewonnen. Damit steht für mich auch fest: Armin Laschet wird Kanzlerkandidat der Union. Warum wird eigentlich so viel über Markus Söder geredet? Der könnte, heißt es, wenn er wollte und so ähnlich wird geraunt. Eben nicht, er könnte nur, wenn Laschet nicht wollte. Die CDU hat über 405000 Mitglieder, während die CSU gerade mal 139000 Mitglieder zählt. Die CSU will zwar immer Weltgeltung beanspruchen, sie gibt es aber nur in Bayern, sie ist, was sie nicht hören will, eine Regionalpartei, während die CDU in allen Bundesländern außerhalb des Freistaats kandidiert. Deshalb kann es einen CSU-Kanzlerkandidaten der gemeinsamen Unionsparteien nur geben, wenn die CDU keinen eigenen geeigneten Kandidaten aufbieten könnte. All jenen, die Fragezeichen hinter Laschet machen, sei deshalb die Frage gestellt: Ist der gerade neu gewählte Vorsitzende Armin Laschet(59) etwa nicht geeignet für das Amt des Bundeskanzlers?
Ich zitiere gern noch einmal den Alt-Christdemokraten Heinz Schwarz aus Rheinland-Pfalz, ein Urgestein der CDU, der die Vorzüge des Aachener CDU-Politikers Laschet herausgestellt hat: Der Mann habe in Nordrhein-Westfalen die Sozis aus der Regierung geworfen und als CDU-Mann reüssiert. Das Urteil des Herrn Schwarz sollte man nicht einfach so abtun, der kennt sich aus mit seinen 92 Jahren, der hat sie alle erlebt von Konrad Adenauer über Willy Brandt, Helmut Schmidt, Helmut Kohl, Gerhard Schröder und Angela Merkel. Der kennt die Republik und seine CDU und die CSU dazu. Der hat erlebt, wie Kohl damals Franz-Josef Strauß vorbeiließ, um den ewig meckernden und drängenden Bayern loszuwerden, wissend, dass der kein Kanzler werden würde. Ähnlich das Kalkül von Merkel gut 20 Jahre später mit Edmund Stoiber. Jeder politische Interessierte kennt seit damals Wolfratshausen.
Eine weitere Frage will ich den Söder-Fans stellen: Was hat der denn geleistet, damit man ihn einem Laschet vorziehen sollte? Die letzte Landtagswahl hat er in Bayern nur mit kläglichen 37,2 vh der Stimmen gewonnen. Sein Amtsvorgänger Horst Seehofer hatte immerhin noch die absolute Mehrheit bei den Mandaten im Freistaat erreicht. Söder hat eine Koalition mit den Freien Wähler abgeschlossen. Seine Regierungskunst in München ist gewiss nicht überragend, höchstens Durchschnitt. Schon vergessen die erste Amtshandlung des neuen Ministerpräsidenten 2018? Er hängte Kruzifixe in allen Amtsstuben auf. Seine Rolle bei der Flüchtlingskrise 2015 war nicht gerade hilfreich, von Integration hatte Söder damals keinen Schimmer. In der Asylpolitik war von einer christlichen Haltung wenig zu spüren.
Und noch etwas: Als vor Jahr und Tag auf Anregung u.a. von Laschet Bundesfinanzminister Olaf Scholz einen Vorstoß machte, um die hoch verschuldeten Städte und Gemeinden in Deutschland zu entschulden, damit diese wieder die Kraft zu eigenen Investitionen bekämen, war es Söder, der diesen Vorstoß zunichte machte. Laschet und Scholz hatten vor allem die mehr als klammen Ruhrgebietsstädte im Sinn, die wegen des Niedergangs von Kohle und Stahl sich in der Vergangenheit hoch verschulden mussten, weil die Sozialabgaben sie überforderteten. Ihnen zu helfen, wäre ein Akt der Solidarität gewesen. Eine Art Gegenleistung für die gewaltigen Anstrengungen des Ruhrgebiets und seiner Menschen nach dem Krieg, als sie den Aufschwung des am Boden liegenden Landes stemmten, dafür sorgten, dass die Menschen in Bayern und Hamburg und anderswo nicht erfroren. Das Fundament des Wirtschaftswunders wurde im Revier gelegt, Jahrzehnte profitierte Bayern aus dem Bund-Länder-.Finanzausgleich. Aber Solidarität ist für einen wie Söder offensichtlich ein Fremdwort.
Es ist wahr, dass Laschet, wie er selbt auf dem digitalen Parteitag eingeräumt hat, kein Meister der perfekten Inszenierung ist und schon gar nicht wie Söder einer der Selbstinszenierung. Das kann Söder, er stellt sich dar und andere in den Schatten. Mit der Kanzlerin auf dem Schiff über den Chiemsee, ein paar schöne Bilder von Herrenchiemsee, das alles macht sich gut in einem Land, wo man hin und wieder zumindest im Volkstheater von einem König träumt. Laschet ist eher der Mann der kleinen Gesten, der die Erkennnungsmarke seines Vaters aus dessen Zeit als Bergmann dem Parteitag als seinen Glücksbringer präsentiert mit der Erklärung des Vaters: „Sag den Leuten, sie können dir vertrauen.“ Da stand er neben dem Rednerpult, körperlich klein, ein wenig lächelnd, nein, nicht überlegen. Das ist nicht sein Stil. Der Mann kommt eher bescheiden daher, drängt sich nicht vor und schon gar nicht andere zur Seite.
Der kleine Bergmannssohn, er hat es geschafft, der vielfach belächelte, der, dem man früher oft nachsagte, der ewige Verlierer zu sein, weil er manche interne Abstimmung verlor, darunter gegen Röttgen, den er aber nach dessen klarer Niederlage gegen Hannelore Kraft beerbte. Und jetzt hat er noch den Friedrich Merz überholt, ihn knapp geschlagen, den Mann der großen Worte, der gern vorprescht und die Welt regieren möchte, ohne jemals ein Ministeramt in Händen gehabt zu haben. Der Kleine(pardon Herr Laschet!) aus Aachen dagegen konnte darauf verweisen, die damals beliebteste Politikerin der Republik in einer Landtagswahl besiegt zu haben. Er hat Verantwortung in der Politik übernommen, andere haben sich in der Zeit in die Wirtschaft begeben und Millionen gemacht, sie jetten von Termin zu Termin, sind immer obenauf, wo sie sind, ist vorne und natürlich sind diese Leute mit dem Pilotenschein in der Tasche immer sicher, dass sie die Wahl gewinnen. Wer sonst!?
Doch gewonnen hat Armin Laschet, über den mir vor Jahren jemand aus der SPD anerkennend sagte: Der ist wie Rau, nur katholisch. Da ist was dran, wer ihm zugehört hat, auch jetzt wieder, spürte diese feine Zurückhaltung des Mannes, der Klartext reden will, ohne zu polarisieren, weil er weiß, dass er integrieren, den Kompromiss in der Politik suchen muss. Weil er andere mitnehmen muss für diese Politik, die keine One-Man-Show ist, sondern ein Mannschaftsspiel. Wie im Bergbau. 1000 Meter unter Tage kommt es auf jeden an, darauf, dass sich jeder auf jeden verlassen muss. So heißt das in der Sprache der Kumpel. Armin Laschet ist nicht der Mann, der mit der Faust auf den Tisch haut. Da fällt mir ein Satz von Willy Brandt ein, der in solchen Fällen, wo man das von ihm erwartete, eher sagte: „Das imponiert nicht mal dem Tisch.“ Insofern wird Laschet im Frühjahr im Gespräch mit Söder weder die Ellenbogen ausfahren noch mit der Faust auf den Tisch hauen. Es reicht, wenn er dem Franken aus Nürnberg das sagt, was er in Berlin gesagt hat und was ich aus einem feinen Bericht des Tagesspiegel-Reporters Robert Birnbaum zitiere: Auch andere Parteien hätten „nicht das Hauptziel, dass der nächste Kanzler wieder von der CDU gestellt wird“. Birnbaum ist ein Journalist, der genau zuhört. Kanzler „der CDU“, habe Laschet gesagt. Er hätte „der Union sagen können. Hat er aber nicht.
Alfons, ich mache mir Sorgen, dass du demnächst CDU wählst! Ansonsten finde ich das einen sehr guten Kommentar. Ich selber hätte mir mir Röttgen gewünscht, der ein Stück weniger verbraucht ist und vielleicht einmal neue Impulse gebracht hätte. Aber natürlich hast du mit deiner Einschätzung von Laschet recht: Man kann ihm vieles nachsagen und anhängen, aber er ist tatsächlich ein wenig wie Rau. Kein lautes Rumgeblöcke, keine Profilierungsneurosen und bedacht darauf alle mitzunehmen. Ich finde nur, dass er in NRW seinem Koaliationspartner insbesondere in der Schulpolitik (dem lieben Regierungsfrieden geschuldet) zu viel durchgehen lässt. Die Schulpolitik in NRW ist ein Desaster und da müsste er auch einmal eingreifen. Er wurschtelt sich da so ein wenig merkelmäßig durch.