Es hätte ein Jahr der SPD werden sollen, zumindest hatten sich das einige Sozialdemokraten ausgemalt. Und vor allem sollte es das Jahr der Hannelore Kraft werden, mit ihrer Wiederwahl im Zentrum aller SPD-Träume. Doch die Hoffnungsträgerin von einst, der man so vieles zugetraut hatte, die man am liebsten erst zur Vorsitzenden und dann zur Kanzlerkandidatin gekürt hätte, damit man mit ihr Berlin erobert hätte, verlor krachend die Landtagswahl in NRW. Und damit war es vorbei mit vielen damit verbundenen Hoffnungen.
Zu dieser Hoffnung zählte ja auch ein gewisser Martin Schulz, dem Sigmar Gabriel das Feld überlassen hatte, damit die SPD, wie er und viele andere Genossen es glaubten, endlich wieder einen Parteivorsitzenden bekäme, den sie aus voller Herzen unterstützte und der sie ins Kanzleramt führen werde. Dass die SPD ihre Schwierigkeiten mit Gabriel hat, ist seit Jahr und Tag bekannt und das erweist sich auch gerade wieder. Gabriel kann sagen, was er will, die üblichen Verdächtigen in der SPD wie der Hesse Thomas Schäfer-Gümbel werden ihn deswegen angreifen. Mit Schulz kam zunächst der Hype, dann der nach ihm benannte Zug, in ihren Träumen sahen sich die Sozialdemokraten auf dem Vormarsch, die angezogene Bremse des SPD-Zuges schien gelöst, in Umfragen konnten sie sich an Mehrheiten erfreuen. Schulz vor Merkel. Doch die Freude währte nicht lange, die Stimmung pro SPD konnte nicht lange gehalten werden. Man verlor die Landtagswahl im Saarland und zwar haushoch. Und ein anderer, der früher mal SPD-Chef und auch Hoffnungsträger gewesen war, Oskar Lafontaine, erlebte an der Saar, in seiner Heimat, mit seiner Partei „Die Linke“ ein Wahl-Desaster.
Die Niederlage von Albig
Na gut, dachten einige in der SPD, im Saarland hatte sich die CDU-Ministerpräsidentin Annette Kramp-Karrenbauer durchgesetzt, eine erfolgreiche Politikerin, mit beiden Beinen auf dem Boden stehend und keine Tag-Träumerin. Sie blieb auf ihrem Kurs mit kleinen Schritten, versuchte auch nicht wie andere in der CDU, die Kanzlerin Angela Merkel zu überholen oder ihr Ratschläge zu erteilen, wie anders die Politik der Bundes-CDU aussehen müsste. Und plötzlich hatte Frau Kramp-Karrenbauer viele Anhänger auch auf Bundesebene, weil sie geradlinig war, bodenständig wirkte. Dass das für das kleine Saarland reichte, wurde dann auch in den Medien als beinahe natürlich beschrieben, aber in Schleswig-Holstein malten sich die Genossen dann wieder ihr eigenes Bild: immerhin war der Ministerpräsident Torsten Albig der Titelverteidiger. Als ehemaliger Sprecher von Finanzministern galt er als Experte in Geld-Angelegenheiten, was ja für einen Sozialdemokraten gerade in der Außenwirkung nicht schlecht ist.
Doch dieser Torsten Albig, der schon in der Vergangenheit immer etwas distanziert daher kam, manche nannte das auch arrogant, machte das, was man im Fußball ein Eigentor nennt. In einem Interview mit der Illustrierten „Bunte“ erklärte der Ministerpräsident Gründe für das Scheitern seiner Ehe und sprach davon, dass seine Frau seinen Aufstieg- er meinte das wohl intellektuell- nicht habe mitmachen können. Der Mann sah sich ganz oben und die Gattin gescheitert irgendwo im politischen Niemandsland. Ein Interview mit Folgen, wie Umfragen danach ergaben. Viele Frauen reagierten empört über diesen arroganten Politiker. Und Albigs Konkurrenten sowie sein Amtsvorgänger von der CDU machten diese Aussagen für seine Niederlage verantwortlich. Aus und vorbei mit der politisch ach so steilen Karriere in diesem kleinen Land an der Küste.
Schlusslicht-Debatte der CDU
Und wieder mussten sie bei der SPD tief Luft holen, um die Niederlage zu verschmerzen. In NRW würde das nicht passieren, Hannelore Kraft, die Ministerpräsidentin, galt als beliebt, fast möchte man meinen über Parteigrenzen hinweg. Ihre trockene Art, wie man das im Ruhrgebiet kennt und schätzt, hatte was. Ihr Sieg über Jürgen Rüttgers 2010 versetzte die Partei erst in NRW und dann im Bund in Jubelstimmung. Auch wenn Frau Kraft zunächst eine Minderheitsregierung zusammen mit den Grünen bildete, aber sie schaffte alle Klippen, bekam die nötigen Mehrheiten im Landtag von Düsseldorf. Und sie überstand auch alle Klagen der CDU vor dem Landesverfassungsgericht. Und dass die Landes-CDU die Ministerpräsidentin eine Weile als Schuldenkönigin titulierte, schadete dem Ruf der Regierungschefin zunächst nicht. Ja, sie gewann sogar die vorgezogene Neuwahl 2012. Und mit gut 39 Prozent der Stimmen hatte Hannelore Kraft die SPD wieder zur weitaus stärksten Partei in NRW gemacht, abgeschlagen die CDU bei gut 28 Prozent.
Was dann passierte, kann man schwerlich erklären. Jedenfalls nutzte die Regierung Kraft die nächste Legislaturperiode nicht, um ihre wieder gewonnene Stärke zu untermauern. Vielmehr schaffte es die CDU-Opposition unter Armin Laschet, mit einer Schlusslicht-Debatte der SPD-geführten Landesregierung das Wasser abzugraben. Langsam aber sicher gelang es Laschet und Co., die Meinungsführerschaft im Land für sich zu gewinnen, zu Lasten der Regierung Kraft . NRW, so die CDU, werde unter Wert regiert, liege an der Spitze bei Einbrüchen, Schulden, Pleiten und sei das Schlusslicht in der Wirtschaft. Auch die Schulpolitik wurde von der CDU aufs Korn genommen und der SPD angekreidet. Es half ihr nicht, dass das Schulministerium von der Grünen-Politikerin Löhrmann geleitet wurde. So kam , was kommen musste und kaum jemand vorhergesagt hatte: Laschet wurde NRW-Ministerpräsident, ausgerechnet Armin Laschet, den viele unterschätzt hatten auch wegen seiner rheinischen Art. Und Hannelore Kraft, die einst bejubelte, beendete noch am Wahlabend ihre politische Karriere und trat von allen Ämtern zurück. Das wirkte, als wäre Frau Kraft beleidigt. Fragt sich nur, wer sie beleidigt hatte. Etwa der Wähler?
Keine Steilvorlage für Martin Schulz
Jedenfalls war ein großer Traum der SPD ausgeträumt. NRW, das über Jahrzehnte von der SPD regiert und das als Schlüssel-Wahl für das Rennen ums Kanzleramt in Berlin eingestuft worden war, dieses bevölkerungsreichste Land an Rhein und Ruhr, war wieder von der CDU erobert worden. Nichts war es mit der Steilvorlage für Martin Schulz, den Genossen aus NRW. Und so war die Bundestagswahl im September schon erledigt, ehe der Wahlkampf überhaupt richtig begonnen hatte. Angela Merkel musste nicht viel tun, um sich des müden Angriffs des Herausforderers zu erwehren. Seine immer gleichen Behauptungen, er werde Bundeskanzler, klangen, je länger der Wahlkampf dauerte, wie der Ruf eines verzweifelten Eremiten in der Wüste. Das Ende ist bekannt, die SPD fiel mit gut 20 Prozent auf ihr schlechtestes Wahlergebnis nach dem Krieg zurück. Dass die SPD die vorgezogene Neuwahl in Niedersachsen Mitte Oktober gewann und Stephan Weil Ministerpräsident geblieben ist, soll nicht unterschlagen werden. Dieser Sieg kann die Bilanz der SPD mit Martin Schulz nur unwesentlich verbessern.
Der arme Martin Schulz, den sie nach Gabriels Verzicht auf einem Parteitag mit unglaublichen 100 Prozent gewählt hatten, dieser Martin Schulz stand allein auf einer Bühne, die ihm mehr und mehr fremd geblieben und die viel zu groß war für ihn. Er hätte hinwerfen können, aufgeben, weil er gemerkt haben muss, dass er diese Politik nicht kennt und nicht versteht. Er kennt auch nicht seine SPD, weil seine Bühne die des Europa-Parlament war, dessen Präsident der Mann aus Würselen war, der vier Sprachen beherrscht. Ein Können, das einem die Diskussion in Brüssel erleichtert, aber nicht das fehlende Verständnis für die Politik und die Zusammenhänge ersetzt. Man hat ihn kürzlich auf einem Parteitag mit gut 80 Prozent wieder gewählt. Martin Schulz wird weitermachen müssen. Das ist er der SPD schuldig und das ehrt ihn, aber eine Zukunft hat der Parteivorsitzende Martin Schulz in dieser Funktion nicht. Gleich, ob die SPD sich den Tort antut und noch einmal mit Angela Merkel in eine große Koalition geht, oder ob er die Partei in die Opposition führt.
Mannheim lässt sich nicht wiederholen
Wer glaubt, die missliche Situation der SPD sei mit der im Vorfeld des Mannheimer Parteitages 1995 vergleichbar, der irrt. Es stimmt, dass die SPD unter Rudolf Scharping damals in Umfragen nur noch bei 23 Prozent lag. Aber damals standen u.a. mit Oskar Lafontaine und Gerhard Schröder zwei SPD-Politiker in Lauerstellung. Und als der Parteitag über Parteiregeln hinweg Scharping abwählte, war der Weg für Schröder und Lafontaine frei. Lafontaine wurde SPD-Chef, er dirigierte künftig die Oppositionsarbeit der SPD und er ließ es nicht mehr zu, dass Helmut Kohl auch nur einen SPD-Ministerpräsidenten für seine Politiker herausgekauft hätte. Kohls und Waigels Steuerreformpläne scheiterten am Nein der SPD, die geschlossen auftrat. Und damit war die Ablösung des Dauer-Kanzlers Helmut Kohl nur noch eine
Frage der Zeit. 1998 wurde Kohl nach 16 Regierungsjahren abgewählt, Schröder sein Nachfolger.
Die Frage, wer Schulz beerbt, kann jetzt nicht beantwortet werden. Olaf Scholz, der Regierende Bürgermeister von Hamburg, wird im Juni nächsten Jahres 60 Jahre alt, Andrea Nahles, die Fraktionschefin in Berlin, ist Jahrgang 1970, oder Manuela Schweig, die Ministerpräsidentin von Mecklenburg-Vorpommern(Jahrgang 1974). Oder?
Bildquelle: © Superbass / CC-BY-SA-4.0 (via Wikimedia Commons)