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Home Politik

Chaos-Tage bei der SPD

Alfons Pieper Von Alfons Pieper
9. Februar 2018
Chaos

Eines muss man der SPD lassen: Man liebt die Spannung, auch wenn es ins Chaos abgleitet. Siege zu erringen, das Positive herauszustellen, scheint zur Nebensache zu verkommen. Wann wir streiten Seit an Seit, müsste der Text eigentlich heißen, den die Genossen immer singen, allerdings mit der friedlichen Variante: Wann wir schreiten Seit an Seit. Aber, das darf der langjährige Beobachter schon hinzufügen: Wann wäre das das letzte Mal so gewesen, friedlich, freundlich, gemeinsam? Sie streiten lieber und das wie die Kesselflicker und vergessen dabei, dass der politische Gegner davon nur profitiert und die SPD weiter geschwächt wird. Jüngster Fall: Martin Schulz, Aufstieg eines Präsidenten des Europa-Parlaments, der dann als SPD-Vorsitzender zuerst und ganz kurz zum Heilsbringer der Genossen wurde, um dann abzutreten, ehe er zum Zerstörer geworden wäre. Mag sein, gut gemeint, aber das ist nicht immer gut.

Man schüttelt den Kopf, wenn man die letzten Wochen Revue passieren lässt. Vieles sprach gegen eine GroKo, weil eine so genannte große Koalition beide Volksparteien jetzt schon geschwächt hat, namentlich die SPD, aber nicht nur. Auch Angela Merkels CDU hat bei der letzten Bundestagswahl viele Stimmen verloren, die CSU in Bayern fürchtet seitdem gar um ihre Ausnahmestellung im Freistaat. Deshalb war es richtig, dass Martin Schulz am Wahlabend des 24. September 2017- jawohl, das ist schon so lange her- erklärte, die große Koalition sei abgewählt worden, die SPD gehe deshalb in die Opposition, auch um dort die Führungsrolle der AfD zu verhindern. Alles richtig bis dahin. Dass Schulz allerdings nach dem Scheitern von Jamaika auf der Oppositionsrolle der SPD beharrte, war falsch, zumindest hätte er sich ein wenig Zeit nehmen müssen, um die neue Lage zu beurteilen.

Es rumort in der CDU wegen Merkel

Ein Sonderparteitag der SPD gab der Parteispitze grünes Licht, Koalitionsverhandlungen mit der Union aufzunehmen. Und das geschah, wobei stets im Blick war, dass die SPD, geschockt durch die Wahlniederlagen bei den Koalitionen der Vergangenheit, darauf bestand, sich eine Koalition mit der Union zuvor von den Mitgliedern genehmigen zu lassen. Die politische Konkurrenz fand das nicht so toll, ich schon, weil ich das für urdemokratisch halte. Warum soll man in einer solchen Situation nicht die Mitglieder der Partei befragen? Sicher, es ist auch ein Zeichen von Führungsschwäche. Andererseits gefällt mir eine Parteiführung, die ihre Mitglieder befragt, besser, als wenn sie selbstherrlich entscheidet, wohin der Weg gehen soll.

Nun liegen die Ergebnisse der Verhandlungen vor. Die Öffentlichkeit ist sich einig: die SPD-Seite hat gut verhandelt, hat vieles herausgeholt, wobei immer das schlechteste Wahlergebnis der SPD nach dem Zweiten Weltkrieg als Vergleich zugrunde gelegt wird. Es mag nicht alles nach Wunsch gelaufen sein, aber wie vermessen muss man sein, das zu fordern, wenn man gerade mal gut 20 Prozent der Wählerstimmen bekommen hat. Ferner kann die SPD wichtige Ministerien besetzen, darunter das Finanzministerium, das Außenamt, das Ministerium für Arbeit und Soziales, Kernstück der Partei. Noch einmal: Gemessen an dem Wahldesaster ein wirklicher Erfolg, der die Konservativen schäumen lässt. Merkel sei endgültig in die SPD übergetreten, heißt es in einem bissigen Kommentar. So rot sei schwarz noch nie gewesen. Von einer Demütigung der CDU ist die Rede. Es rumort in der Union, die Zeit nach Merkel wird beschworen. Und was macht die SPD? Sie lässt es nicht zu, dass diese Bühne der CDU gehört, sie vertreibt sie von derselben, um dort Hauptdarstellerin zu sein. Man schüttelt mit dem Kopf. Was ist in diese Partei gefahren?

Die Republik braucht eine neue Regierung

Martin Schulz hat Fehler gemacht, keine Frage. Er ist ein Mann aus Brüssel, der die Innenpolitik und seine eigene Partei nicht kennt. Aber er hat, wenngleich auf Druck und begleitet von heftiger Kritik aus den Landesverbänden, das Handtuch geworfen. Endlich, viele Genossen haben aufgeatmet. Dass sich ein Sigmar Gabriel zu früh aus dem Fenster lehnte, um einen angeblichen Parteifreund zur Rede zu stellen, lässt wieder mal Zweifel aufkommen an der Verlässlichkeit und Kompetenz des eigentlich talentierten Politikers Gabriel. Er sollte mal der Mann nach Gerhard Schröder sein, lange her. Diese Hoffnungen hat der Niedersachse nur zu einem geringen Teil bedienen können, weil er immer wieder zu Alleingängen ausholte, vorpreschte und sich ohne Not viele innerparteiliche Gegner-um nicht von Feinden zu reden- zulegte.  Ob er eine erneute Chance erhält, vielleicht das Außenministerium weiter leiten zu können, bleibt offen. Und es ist nicht seine Entscheidung, sondern die der  SPD, der starken Landesverbände ebenso wie  der starken Frau in der Parteiführung, Andrea Nahles. Es ist bisher nicht bekannt, dass die beiden besonders gut miteinander ausgekommen wären. Aber vielleicht gibt es ein Einsehen, da und dort. Es geht nicht nur um die SPD. Die Bundesrepublik braucht langsam aber sicher eine verlässliche Regierung. Und dafür müssten Politiker eigenmächtige Interessen zurückstecken. Sonst sind sie fehl am Platz. Und noch einmal zur Erinnerung: Erst müssen die rund  460.000 SPD-Mitglieder den Koalitionsvereinbarungen zustimmen. Die Hürde ist hoch.

Bildquelle: pixabay, User geralt, CC0 Creative Commons

 

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Tags: ErneuerungGroKoKoalitionsverhandlungenMartin SchulzRücktrittSPDWortbruch
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Comments 1

  1. Achim says:
    8 Jahren ago

    Ich finde die Vorgänge, insbesondere in der SPD, lassen nun das ganze Ausmaß der politischen Krise sichtbar werden. Auch bei der Ausnahme Groko von 1966-1969 hat sich gezeigt, dass die Ränder stärker werden. Diese Groko war viel zu lange und kann jetzt nur noch als absolute Notmaßnahme betrachtet werden. Was das Land braucht ist ein grundsätzlicher Politikwechsel, der die unerträglichen Auswüchse der Agenda 2010 jetzt endlich zu beseitigen beginnt. Alternativlose Politik mit dem Totschlagargument Globalisierung, die den demokratischen Staat zur Beute von rein ökonomischen Lobbyinteressen macht, muss im Sinne eines demokratischen Selbstverständnisses und Erhaltung des Sozialstaates unbedingt und schnell beendet werden.

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