Corona-Virus

Corona – Keine populistischen Zahlenspiele bitte

So richtig ernst nehmen nicht viele ihn, den Chef, den Präsidenten der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) Dr. Andreas Gassen. Hört man sich in der Gesundheits-Szene um, fallen andere Namen als Gassen: Manfred Richter-Reichhelm ist unvergessen; auch an Andreas Köhler wird erinnert, der allerdings unter sehr unschönen Umständen als Presidente ausschied. Er hatte zu dubiose Immobiliengeschäfte für die KBV gemacht.
Arm wird man nicht als KBV-Präsident. Köhler bezieht ein Altersruhegeld, das dem Vernehmen nach jährlich über 200 000 € beträgt. Auch Gassen nagt aktuell nicht am Hungertuche: Mit knapp 350 000 € Jahreseinkommen als KBV-Präsident liegt er noch vor der Bundeskanzlerin.

Was Präsident Gassen angeht, so fällt er durch Wortwahl auf – manchmal scharf neben der Sache und auch nicht auf der Höhe. So forderte er laut Neuer Osnabrücker Zeitung die Schwelle von 50 Neuinfektionen bei an Covid-19 Erkrankten pro 100.000 Einwohner deutlich anzuheben: auf 84 pro 100.000 Einwohner. Gassen hat einen Unterstützer – den FDP-Generalsekretär Volker Wissing. Der sagte laut NOZ: “Die Frage der Schwellenwerte muss von Fachleuten entschieden werden. Dabei sollten die Hinweise von Herrn Gassen unbedingt Berücksichtigung finden“,

Was hat es mit den 50 Neuinfektionen auf sich, die Dr. Gassen gern therapieren möchte? In der Anti-Corona-Strategie des Robert-Koch-Instituts findet man folgendes: „In Regionen (in Deutschland) mit einer akut erhöhten lokalen Inzidenz kann entschieden werden, Teile bzw. die gesamte Bevölkerung (auch asymptomatische Personen) bei gleichzeitiger Aufforderung zur weitest möglichen Selbstisolation binnen weniger Tage zu testen. Als Richtwert wird eine 7-Tages-Inzidenz von mindestens 50 pro 100.000 angesetzt.“

Diese „Inzidenz“ gibt die Zahl derer an, die innerhalb einer festgelegten Zeitspanne aus einer Gruppe von einer Krankheit einmal ergriffen werden. Es sind definierte Größen, in eine einfache Formel gekleidet: C = N0 : N1
Die Ziffern 5 und 0 für 50 wurden von den Gesundheitsämtern in die Diskussionen gebracht. Die Ämter haben erklärt, dass sie in der Lage seien, bei 50 Fällen an Infizierten pro 100 000 einigermaßen sicher nachverfolgen zu können, wie sich das Infektionsgeschehen abgespielt habe. Auslöser (Spreader) – Stationen – bis zum registrierten Infizierten. Schon bei 35 Fällen und komplexen Nachverfolgungen könne es aber schon schwierig werden. Das müsste sich auch einem Ärztepräsidenten irgendwann mitteilen.

Es hängt also an den Gesundheitsämtern, was Bund und Länder gemeinsam festlegen. Und die sind oft unterbesetzt. Auf Kosten der Gesundheitsämter wurde gespart. Sehr unüberlegt und gefährlich. Wer Regionalnachrichten der vergangenen Monate durchgeht, der findet aus fast allen Ländern entsprechende Hinweise, und: auf Halbtagsstellen in Praxen wird in der Regel mehr verdient als Vollzeit im Gesundheitsamt. Es fehlen also nicht nur Menschen in den Gesundheitsämtern, sie müssen auch besser bezahlt werden. Bund und Länder wollen daher binnen anderthalb Jahren 5000 Vollzeitstellen in diesen Ämtern schaffen, was nicht einfach werden wird.
Das alles müsste ein Ärztepräsident wissen, der sich seine 350 000 redlich verdient.

Bildquelle: Pixabay, Bild von Lothar Dieterich, Pixabay License

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Über  

Redakteur 1972 und bis 89 in wechselnden Redakteursaufgaben. 90 bis 99 wiss. Mitarbeiter der SPD-Bundestagsfraktion, Büroleiter Dreßler, 2000 Sprecher Bundesarbeitsministerium, dann des Bundesgesundheitsministeriums, stellv. Regierungssprecher; heute: Publizist, Krimiautor, Lese-Pate.


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