Korruption und Bestechlichkeit sind keine Kavaliersdelikte. Jede Verfehlung eines Abgeordneten wirkt daran mit, das Vertrauen ins Parlament zu beschädigen. Jede Fehlleistung eines Politikers trägt zur Politikerverdrossenheit bei. Ein schleichendes Gift für die Demokratie. Die Lobbying-Affäre des CDU-Abgeordneten Philipp Amthor darf nicht folgenlos bleiben.
Der 27-jährige Bundestagsabgeordnete aus Mecklenburg-Vorpommern nennt es einen „Fehler“, dass er sich politisch angreifbar gemacht habe. Seinen Einsatz für das US-Unternehmen Augustus Intelligence beim Bundeswirtschaftsministerium ließ er sich mit einem Schmuckposten und Aktienoptionen honorieren. Als das publik wurde, gab er beides zurück – und damit soll der Fall für ihn erledigt sein.
Schließlich hat der Christdemokrat, dessen erzkonservatives Konfirmandenimage ihn zu einem gefragten Talkshow-Gast machte, Ambitionen. Er will Vorsitzender der CDU von Mecklenburg-Vorpommern und im nächsten Jahr womöglich Herausforderer von Ministerpräsidentin Manuela Schwesig (SPD) werden. Welpenschutz ist für einen wie Amthor, der ganz nach oben will, absurd und widersinnig. Mit 27 ist er erwachsen, als gewählter Abgeordneter ist er verantwortlich. Dass Parteifreunde ihm nun, um ihn zu entlasten, ausgerechnet politische Unerfahrenheit bescheinigen, dürfte eine herbe Kränkung seiner Eitelkeit bedeuten. Von Jugendsünde kann jedenfalls keine Rede sein.
Die Details gehören aufgeklärt, die Reisen in noble Hotels, die arrangierten Treffen mit dem damaligen Parlamentarischen Staatssekretär und Parteifreund Christian Hirte, eine Videoschalte ins Ministerium, das Schreiben an Wirtschaftsminister und Parteifreund Peter Altmaier sowie die Verbindung zum ehemaligen Verfassungsschutzchef Hans-Georg Maaßen. Er sei nicht käuflich, hat Amthor beteuert, als zu seiner fragwürdigen Nebentätigkeit die ersten Schlagzeilen auftauchten. Der Anschein ist ein anderer.
Rücktrittsforderungen sind dennoch die Ausnahme. Die Linkspartei hat Amthor nahegelegt, sein Bundestagsmandat zurückzugeben, Grüne und Liberale verlangen sein Ausscheiden aus dem Untersuchungsausschuss zum Anschlag am Berliner Breitscheidplatz 2017, und die SPD ruft die Union dazu auf, endlich ihren Widerstand gegen das seit langem geforderte Lobbyregister aufzugeben.
Mit mehr Transparenz über die eigenen Taschen tun sich vor allem die Abgeordneten von CDU und CSU schwer. Seit Jahren drängt die Anti-Korruptions-Einheit beim Europarat (GRECO) den Bundestag zu handeln. Erst im vorigen Jahr sprach sie eine neuerliche Rüge aus und setzte eine Frist, spätestens zum 30. Juni 2020 einen Fortschrittsbericht vorzulegen. GRECO nannte an Defiziten explizit die Mängel bei der Registrierung von Lobbyisten und anderen Dritten, die Einfluss auf die Arbeit der Bundestagsmitglieder anstreben, und stellte außerdem fest, dass es im Hinblick auf die Veröffentlichungspflichten der Abgeordneten bei potenziellen Konflikten zwischen privaten Interessen und parlamentarischen Angelegenheiten keinerlei Fortschritte gegeben habe.
Klare Regeln für den Umgang mit Lobbyisten, mehr Transparenz bei privaten Interessenkonflikten und Unternehmensbeteiligungen der Abgeordneten: Der Fall Amthor unterstreicht die Dringlichkeit der Empfehlungen des Europarats. Bindend sind sie nicht, aber notwendig und eine Sache des Anstands ohne Zweifel.
Bildquelle: Wikipedia, Tobias Koch, CC BY-SA 3.0
Leider ist die Transparenzklage von abgeordnetenwatch e.V. beim Bundesverwaltungsgericht am 18. Juni 2020 abgelehnt worden. Der Bundestag muß leider keine Unterlagen zu Parteispenden herausgeben! Schade!!!